Schmidts F1-Blog
Lass es bleiben, Felipe!

Felipe Massa hat ein Team von Anwälten aufgeboten, die ihn zum Weltmeister 2008 machen sollen. Sie verlangen, dass der GP Singapur 2008 annulliert wird. Lass es einfach bleiben, Felipe, meint F1-Experte Michael Schmidt.

Lewis Hamilton & Felipe Massa - GP Brasilien 2022
Foto: Motorsport Images

Felipe Massa war ein guter Verlierer. Obwohl er 2008 schon für 39 Sekunden Weltmeister war und nur deshalb noch den Titel verlor, weil Lewis Hamilton in der vorletzten Kurve der letzten Runde im Kampf gegen Timo Glock den rettenden fünften Platz erreichte. Knapper geht es nicht. Trotzdem blieb Rennsieger Massa fair. Er sagte, dass der Fahrer den Titel verdiene, der am Ende die meisten Punkte hat. Und das war Hamilton.

Warum nur macht Massa 15 Jahre später das Fass noch einmal auf und versucht, vor Gericht doch noch den WM-Titel zu erstreiten? Es geht um den GP Singapur im gleichen Jahr, bei dem Nelson Piquet junior seinen Renault freiwillig crashte – in der Absicht, seinen Teamkollegen Fernando Alonso in eine siegbringende Position zu bringen. Die Anwälte argumentieren jetzt: Weil die FIA und Bernie Ecclestone von diesem Komplott angeblich vor Saisonende wussten, hätten sie das Rennen annullieren müssen. Dann wäre Massa Weltmeister geworden.

Unsere Highlights
Nelson Piquet - Renault R28 - GP Singapur 2008
xpb

Mit dem Unfall von Nelson Piquet Jr. wurde der Singapur-Grand-Prix 2008 manipuliert.

Prozess führt zu nichts

Ich weiß nicht, welcher Teufel Massa da geritten hat. Die Aussicht auf verspätete Titel-Ehren? Das entgangene Geld, das er jetzt einklagen will? Gerechtigkeitssinn? Wohl eher seine Anwälte, die sich da gesundstoßen wollen. Ein Prozess würde zu nichts führen. Wie will Massa nachweisen, dass die Instanzen etwas davon wussten? Max Mosley und Charlie Whiting sind tot. Bernie Ecclestone wird sich auf Erinnerungslücken berufen.

Und selbst wenn: Es wurde noch nie ein Rennen gestrichen, nur weil es manipuliert worden ist. Jeder Technikverstoß, jede Stallregie ist Manipulation. Das hat in allen Fällen höchstens zu einer Disqualifikation oder Geldstrafen für das betreffende Team geführt.

Massa sollte es wissen. An Ferraris Stallregie 2010 in Hockenheim war er selbst beteiligt. Was hätte wohl Sebastian Vettel gesagt, wenn deshalb Alonso damals Weltmeister geworden wäre? Stallregie war damals verboten. Ferrari zahlte 100.000 Dollar. Nichts im Vergleich zu einem verlorenen oder gewonnenen WM-Titel.

Fernando Alonso - Felipe Massa - Kimi Räikkönen - GP Brasilien 2008
Wilhelm

Nach dem Finale in Brasilien gab sich Felipe Massa als guter Verlierer. Jetzt droht er seinen Ruf aufs Spiel zu setzen.

Keine Präzedenzfälle

Ich habe noch andere Beispiele, die viel gravierender waren als Crashgate vor 15 Jahren in Singapur. 1984 waren die Tyrrell die halbe Saison lang mit einem untergewichtigen Auto unterwegs. Sie wurden im Nachhinein aus der WM ausgeschlossen. Da hätten alle anderen auch argumentieren können, dass sie ein ganz anderes Rennen gefahren wären, wenn die Tyrrell erst gar nicht dabei gewesen wäre.

2019 erschwindelte sich Ferrari eine höhere Benzindurchflussmenge. Nach dem ersten Verdacht verteilte die FIA eine TD. Aber Ferrari fuhr weiter, als wäre nichts geschehen. Erst im Frühjahr 2020 gab es einen dubiosen Vergleich. Lange nach der FIA-Preisverleihung. Ferrari jedenfalls durfte alle Resultate behalten. Das Recht auf Wiederaufnahme des Falls war wie im Fall Massa längst verstrichen.

Und selbst wenn man Alonso in Singapur disqualifiziert hätte, wäre Massa nicht Weltmeister geworden. Er kam bei dem Rennen auf Platz 13 ins Ziel. Sein WM-Gegner Lewis Hamilton dagegen wäre von Platz drei auf Rang zwei gesprungen. Und hätte die WM mit drei statt eines Punktes Vorsprung gewonnen. Deshalb mein Rat: Lieber Felipe, lass es einfach bleiben! Du wirst nichts erreichen, außer dass du am Ende selbst als schlechter Verlierer dastehst.

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