Ferrari-Spitze schützt Frédéric Vasseur nicht

Kein Bekenntnis aus der Chefetage in Maranello
Wie geht es bei Ferrari weiter?

ArtikeldatumVeröffentlicht am 02.07.2025
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Der Sturm hat sich gelegt, doch die Großwetterlage bleibt kritisch. Nachdem vor dem GP Kanada italienische Medien darüber berichtet hatten, dass Teamchef Frédéric Vasseur und sein Technikdirektor Loïc Serra auf dem Prüfstand stehen und bis zur Sommerpause über ihr Schicksal entschieden werden soll, kehrte bis zum Rennen in Spielberg wieder Ruhe ein. Eine trügerische Ruhe.

Weder Ferrari-Präsident Benedetto Vigna noch Aufsichtsratsvorsitzender John Elkann haben die Medienberichte öffentlich dementiert. Da muss man davon ausgehen, dass ein Körnchen Wahrheit in ihnen steckt. Man kann in dem Fall sogar davon ausgehen, dass die Teppichetage in Maranello die Lawine selbst losgetreten hat. Die Unruhe, die dabei entsteht, mag durchaus gewollt sein. Als Weckruf für die aktuellen Entscheidungsträger oder als Vorbereitung für neue.

Vasseur versucht das Thema mühsam unter der Decke zu halten, um zu verhindern, dass seine Soldaten eine Abwehrhaltung einnehmen und nicht mehr ins Risiko gehen. Es war bei Ferrari schon immer so. In Phasen Unsicherheit ist jeder nur auf Jobsicherung bedacht. Kein Risiko, kein Mut, keine Ideen, keine Verantwortung. Nur Dienst nach Vorschrift. Daraus entsteht in der Formel 1 Mittelmaß.

Wo sind Elkann und Vigna?

Es hilft auch nicht, wenn sich Elkann mit seinen Siegern in Le Mans zeigt, statt dem Formel-1-Team an der Front den Rücken zu stärken. Und es ist auch kein Zeichen von Unterstützung, wenn Vigna lieber in Maranello in Deckung bleibt. Er tritt nur ins Rampenlicht, wenn Ferrari gewinnt. Zweite und dritte Plätze sind nicht gut genug.

Dabei ist die Mannschaft die gleiche, die letztes Jahr in der zweiten Saisonhälfte die meisten Punkte holte. Sie jetzt in Frage zu stellen, macht keinen Sinn. Ferrari hat genauso wie Mercedes und Red Bull das Pech, dass McLaren ein Jahrhundertauto gelungen ist. Mercedes-Teamchef Toto Wolff gibt Vasseur und dessen Technikchef Serra Rückendeckung: "Du kannst dir Zeit nicht kaufen. Fred ist erst im dritten Jahr da. Er ist einer der besten Renn-Manager, die ich kenne. Loïc arbeitet seit sechs oder sieben Monaten dort. Was will man ihm ankreiden? Ferrari kann keine besseren Leute finden."

So wie Wolff denken viele im Fahrerlager. Die aktuelle Hängepartie kann für Ferrari auch ein Schuss nach hinten werden. Der Vertrag von Vasseur läuft Ende des Jahres aus. Das heißt, dass auch der Franzose mangels Perspektiven den Stecker ziehen kann. Der Markt hält kaum potenzielle Nachfolger bereit.

Antonella Colatte - Ferrari - Formel 1
Fred Tanneau via Getty Images

Coletta in der Favoritenrolle

Ohne ein Bekenntnis von oben kocht die Gerüchteküche weiter. Italienische Quellen sehen WEC-Chef Antonello Coletta in der Favoritenrolle. Der hat angeblich kein Interesse an einer Beförderung, kann aber kein zweites Mal nein sagen, nachdem er schon vor drei Jahren abgelehnt hatte. Damals mit dem Argument, er müsse das WEC-Projekt aufgleisen. Jetzt gibt es keine Ausflüchte mehr.

Auch der Name Christian Horner fällt. Der dementiert zwar, doch der Ferrari-Job könnte interessant werden, wenn er bei Red Bull gehen müsste. Andererseits weiß Horner auch, dass der Rennleiter-Posten bei Ferrari ein Schleudersitz ist. Seit der Todt-Ära wurden in Maranello fünf Teamchefs und sechs Technikdirektoren verschlissen.

Ein Blick in die 75-jährige Formel-1-Geschichte des Rennstalls zeigt, dass Ferrari immer dann am besten war, wenn das Team über einen längeren Zeitraum stabil blieb. Zwischen 1975 und 1979 stellte das Team der Herzen drei Weltmeister. Zwei Mal Niki Lauda, ein Mal Jody Scheckter. Enzo Ferrari führte das Zepter. Technikchef Mauro Forghieri wurde nach 1973 acht Jahre in Folge nicht ins Exil geschickt. Jean Todt regierte als Rennleiter von 1993 bis 2007. Die leitenden Ingenieure Ross Brawn und Rory Byrne stießen 1997 dazu. Nie war Ferrari erfolgreicher. Aus der Ära stammen sechs Fahrer-Titel (fünf Mal Michael Schumacher und ein Mal Kimi Räikkönen) und sieben Marken-Weltmeisterschaften.

Benedetto Vigna - John Elkann - Ferrari - Formel 1
Bloomberg via Getty Images

Wende eingeleitet?

Einen Hersteller-Titel feierte Ferrari noch im Jahr 2008. Seitdem rennt die Marke mit dem springenden Pferd den glorreichen Tage der 2000er-Jahre hinterher. Zweite Plätze zählen nicht. In der Formel-1-Saison 2024 scheiterte die Scuderia knapp an McLaren. Die Hoffnung für dieses Jahr war riesig, endlich wieder Weltmeisterschaften einzufahren. Dieses Ziel wird man bei der aktuellen Überlegenheit bei McLaren nicht erreichen. Es geht um Schadensbegrenzung, ehe 2026 die Technik-Revolution ansteht.

Immerhin ist man dem GP Österreich ist Ferrari wieder Zweiter in der WM. Der neue Unterboden war ein Schritt in die richtige Richtung, weil er das Fahrverhalten berechenbarer machte und auch eine Spur mehr Abtrieb brachte. Für McLaren reichte es nicht. Max Verstappen hätte sich auch ohne den Unfall in der dritten Kurve gegen Charles Leclerc schwer getan. Die Mercedes hatte Ferrari jederzeit im Griff. Sicher auch, weil der Asphalt und die große Hitze den roten Autos in die Karten spielte. Ihre Reifen streicheln können die Ferrari noch immer.

Den endgültigen Durchbruch aber könnte die neue Hinterachse bringen, die in Spa debütieren soll. "Mit ihr können wir die Fahrzeughöhe besser kontrollieren und in dem Bereich halten, in dem unsere aerodynamische Plattform am besten funktioniert", verrät Vasseur.