Plötzliche Steigerung im Saisonendspurt: Das Geheimnis der beiden Red-Bull-Teams

Plötzliche Steigerung im Saisonendspurt
Das Geheimnis der beiden Red-Bull-Teams

ArtikeldatumVeröffentlicht am 30.09.2025
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Stillstand? Nicht bei Red Bull und Toro Rosso. Während die Konkurrenz ihr Entwicklungsprogramm an den aktuellen Autos mit der Sommerpause praktisch eingestellt hat, packten die beiden Red-Bull-Teams beim 16. WM-Lauf in Italien noch einmal kräftig aus. Beide hatten Upgrades im Gepäck, die weit über Spezialflügel für Monza hinausgingen.

Red Bull fährt bereits seit dem GP Österreich eine Technikoffensive. In den letzten sieben Rennen kamen im Bereich der Aerodynamik 16 neue Teile ans Auto. Die Ingenieure tasteten sich in kleinen Schritten an die optimale Lösung heran. Vier Mal änderte sich der Frontflügel. Zuletzt in Zandvoort. Je zwei Mal die vorderen Venturi-Kanäle, der Unterboden und die Unterbodenkante. Zuletzt in Monza. Die vorderen Bremsbelüftungen in Budapest, die hinteren in Baku.

Die Vorbedingung, dass die jüngsten Modifikationen am Frontflügel und Unterboden Wirkung zeigen können, wurde beim GP Belgien mit neuen Kühleinlässen, Seitenkästen und Verkleidungen der Vorderradaufhängungs-Querlenker geschaffen. Zwei separate Einlässe verschmolzen zu einem und verbesserten nicht nur die Kühlung, sondern auch die Strömung über und unter den flügelförmigen Seitenkästen. Dazu gab es Eingriffe an der Geometrie der Aufhängungen, die nicht genau spezifiziert werden. Anpassungen bei Anti-Dive und Anti-Lift stabilisierten die aerodynamische Plattform.

Red Bulls Philosophie: Nichts verschenken

Auch Toro Rosso fährt im Vergleich zu seinem Umfeld eine aggressive Entwicklungspolitik. Allein zwischen Imola und Silverstone packte Red Bulls Schwesterteam zwei große und vier kleinere Upgrades aus. Dann wurde im Juni noch einmal der Windkanal für zwei Schritte in Spa und Monza angeworfen.

Beim GP Belgien konzentrierten sich die Ingenieure auf das Heck. Diffusor und hintere Bremsbelüftungen waren neu. In Monza folgte der Rest. Unterboden, Seitenkästen und Rückspiegelanordnung wurden noch einmal optimiert. In Baku schob der derzeit WM-Sechste ein weiteres Mal modifizierte Bremsbelüftungen vorne und hinten nach.

Die Gegner hatten außer Monza-Flügeln nicht mehr viel zu bieten. Und die waren schon früh in der Saison konzipiert worden, um den Windkanal so früh wie möglich für das 2026er Auto zu reservieren. Red Bull fährt grundsätzlich eine andere Strategie als die meisten Teams im Feld. Das zeigte sich schon 2021 im WM-Kampf mit Mercedes.

Technikchef Pierre Waché erklärt, warum selbst eine große Regelreform Red Bull nicht davon abhält, das aktuelle Auto zu verbessern, wenn neue Ideen Erfolg versprechen: "Wenn wir die Möglichkeit erkennen, eine Weltmeisterschaft zu gewinnen und es sind noch Entwicklungsschritte dafür notwendig, dann tun wir das. Wir schenken nichts her."

Max Verstappen & Liam Lawson - GP Aserbaidschan 2025
Bryn Lennon via Getty Images

Der König nach der Sommerpause

Der kompromisslose Ansatz, im Heute zu leben und nicht bedingungslos an das Morgen zu denken, zeigt Erfolg. In den drei Rennen seit der Sommerpause war Red Bull mit 78 Punkten klar das erfolgreichste Team. Dabei hat Yuki Tsunoda nur zehn Punkte dazu beigetragen. Max Verstappen räumte mit zwei Siegen und einem zweiten Platz fast die Maximalpunktzahl ab. McLaren kam im gleichen Zeitraum nur auf 64 Zähler, Mercedes auf 54 und Ferrari auf 26.

Die schnellen Strecken von Monza und Baku spielten Red Bull sicher in die Karten, doch der RB21 ist heute ein deutlich besseres Auto, als er es vor der Sommerpause war. Das zeigte Zandvoort. Auf der McLaren-Strecke war Verstappen näher an den Papaya-Rennern dran als vor dem Sommerschlaf auf einer ähnlichen Streckencharakteristik in Budapest.

Red Bull hat Mercedes und Ferrari überholt und ist dem Branchenprimus McLaren nähergekommen. Das Auto hat nicht mehr Abtrieb als früher, doch dieser Anpressdruck ist stabiler geworden. Das Abstimmungsfenster hat sich vergrößert. Die Autos sind einfacher auszubalancieren und zu fahren. Das schont die Reifen und stärkt das Vertrauen der Fahrer ins Auto.

Laurent Mekies, Helmut Marko & Max Verstappen - Red Bull - Formel 1 - 2025
Red Bull

Welche Rolle spielt das Toro-Rosso-Wissen?

Die Abkehr von der sturen Suche nach immer mehr Abtrieb, der aber auf der Strecke nicht ankommt, kam plötzlich und ist erstaunlich schnell gelungen. Immerhin hatte man seit dem GP Spanien 2023 in diese Richtung entwickelt und war bei fast jedem Korrekturversuch auf die Nase gefallen. Das Auto wurde immer spitzer und war am Ende nur noch in den Händen von Max Verstappen schnell.

Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass die technische Wende ausgerechnet in dem Moment eingeläutet wurde, in dem Red Bull den Teamchef auswechselte. Laurent Mekies kam quasi aus der Nachbarschaft. Der Franzose brachte vom B-Team Wissen in Bezug auf die generelle Entwicklungs-Philosophie mit, das dem A-Team jetzt helfen kann. Der RB21 zeigt neuerdings Eigenschaften, die man schon vom Schwesterauto kennt.

Der Toro Rosso VCARB02 war von Anfang an das glatte Gegenteil des Red Bull. Er wurde mit Bedacht auf Gutmütigkeit getrimmt und zählte zu den wenigen Autos im Feld, die auf allen Rennstrecken in die Punkte fahren konnten. Das Technikteam unter Jody Egginton und Tim Goss setzte mit Bedacht auf gute Fahrbarkeit. Man wollte die Rookies im Cockpit nicht überfordern.

Seit der Sommerpause hat sich der Rennstall aus Faenza zum aussichtsreichsten Williams-Jäger etabliert. Williams hat zwar mit 31 Zählern aus den letzten drei Rennen seinen Anspruch auf Platz fünf zementiert, doch Toro Rosso wahrte mit 27 Punkten seine Chance. Für die Flaute in Monza gibt es eine Erklärung. Man war in der Qualifikation mit der Vorbereitung der Reifen in die falsche Richtung gelaufen.

Fazit