Auch die cleversten Menschen müssen manchmal vor sich selbst geschützt werden. Schon seit einigen Jahren schicken die Formel-1-Teams deshalb ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sommer und im Winter in obligatorische Betriebsferien. Die Auflage kommt von ganz oben: Durch sie will die FIA den notorischen Workaholics der Königsklasse eine Auszeit gönnen und eine Möglichkeit zum Kostensparen liefern.
Während die Winterpause klar definiert ist und aus neun Kalendertagen ab dem 24. Dezember besteht, bringt der Sommer etwas mehr Freiraum. Ganz grundsätzlich schreibt die FIA zwei zusammenhängende Wochen im Juli und/oder August vor. Wann diese 14 Tage starten, entscheiden die Teams. Am meisten Sinn ergibt, den Slot in die Mitte der Pause zu legen. So kann man den letzten Grand Prix ordentlich nachbereiten und zügig die Vorbereitung des nächsten starten.
Der Klassenprimus McLaren trat den Shutdown dieses Jahr zum Beispiel am 11. August an. Damit geht es ab dem kommenden Montag wieder rund in Woking. Für die Papaya-Truppe gab es genug gute Gründe, um entspannt die Sommerpause anzutreten. Dank des Allround-Talents MCL39 ist die Titelverteidigung in der Konstrukteurs-WM nur noch Formsache. Hinsichtlich der Fahrer-Krone gilt es, die Egos von Oscar Piastri unter Lando Norris unter Kontrolle zu halten. Aber haben die Rivalen tatsächlich keinen Spielraum, um die Lücke zu schließen?
Reguläre Arbeiten komplett verboten
Das Regelwerk zieht die Grenzen deutlich. Die Nutzung eines Windtunnels, von Computer-Simulationen und der Produktionsbereiche ist nicht erlaubt. Auch in den Werkstätten darf weder an den bestehenden Autos noch an einzelnen Komponenten gewerkelt werden. Dasselbe gilt für Tätigkeiten, die einen unmittelbaren Bezug zu diesen Maschinen haben. Ein mögliches Auslagern an Berater und Dienstleister ist wenig überraschend eingeschlossen. Keine Vorgaben haben wirtschaftlich lebenswichtige Bereiche wie die Finanzen und das Recht.
Zulieferer müssen rechtzeitig über den Zeitraum informiert werden und dürfen keine Verträge erhalten, welche die Auflagen austricksen. Ähnlich wie beim Budget-Cap überwacht die FIA mit strenger Hand. Mercedes-Technikdirektor James Allison schmunzelt: "Wir dürfen nicht arbeiten, denken und etwas tun, das ein Formel-1-Auto schneller machen könnte. Heruntergebrochen werden wir nach Hause geschickt und sollen 14 Tage Urlaub machen."
Sein Chief Operating Officer Rob Thomas resümiert es etwas positiver: "Während der Saison hängen wir im Hamsterrad harter Arbeit. Wenn sich der Shutdown nähert, fängt das Team damit an, über die Pause nachzudenken. Dann fällt allen erst auf, wie anstrengend die 14 Rennen bisher waren. Nach dem Ende merkt man wirklich, wie gut sich die Truppe erholt hat."
Überschaubare Ausnahmen
Allerdings schlafen die Fabriken nicht völlig ein. Alle Teams nutzen die Zeit, um ihre Anlagen auf Vordermann zu bringen – sowohl bei der analogen als auch der digitalen Infrastruktur. Außerdem dürfen die Logistiker weiter arbeiten, wenn sie die Finger von den aktuellen Autos lassen. Ausgeklammert ist das Arbeiten mit Show-Cars, solange kein Bezug hinsichtlich der neuesten Renner-Generation besteht.
Gewisse Grauzonen gibt es bei den Windtunneln und Computer-Simulationen. Eigene Projekte, die keine Verbindung zur Formel 1 haben, oder Kooperationen mit anderen F1-Mannschaften, die sich nicht im Shutdown-Fenster befinden, stellen die Regelhüter hier frei. Da sie eh die Nutzungszeiten für den Budget-Cap beispielsweise über Kameras überwachen, wird die Kontrolle erleichtert. Vergleichbare Regeln werden im Übrigen den Motorfabriken der Königsklasse auferlegt.
Trotzdem ist mit den Betriebsferien eine größere Vorbereitung verbunden. Mercedes-Mann Rob Thomas erklärt: "Schon Monate vorher beginnt die Planung. Denn man will weder das Aufarbeiten des vorherigen Rennens noch die Präparation für des folgenden gefährden. Zudem haben wir die einzigartige Chance, ungestört unsere Maschinen und das Equipment zu warten." Stillstand bleibt also entgegen der Natur der Formel 1. Obwohl doch ein gewisser Kostenaufwand mit der zweiwöchigen Umstellung verbunden bleibt, überwiegen die lobenden Worte. Alle unterstreichen das Fazit: Die größten Sieger sind die vielen Familien.
Gibt es wirklich keine Schlupflöcher?
Dennoch lässt einige Beobachter das Gefühl nicht los, dass manche Teams besser aus der Zwangspause zurückkommen. Vor allem Red Bull wird nachgesagt, häufig nach dem Sommer einen Sprung zu machen. Insider sehen jedoch kein Potenzial für Tricksereien oder Lücken im Reglement. Natürlich können Teammitglieder auch ohne Mails, Telefonate, WhatsApp und Co. im Austausch bleiben und Ideen weiterentwickeln. Bis diese tatsächlich Erfolg bringen würden, dauert es aber.
Der Aerodynamik-Experte und rechnet vor: "Die Entwicklung eines Frontflügels dauert zum Beispiel sechs bis acht Wochen. Die Pause verzögert den Prozess nochmal um die entsprechende Zeit." Selbst wenn beim Pub-Gespräch also ein Geistesblitz kommt, sind seine Folgen nicht derart schnell erkennbar. Vielmehr spricht eine gute "Rückrunden-Form" für eine durchdachte Vorarbeit.
Weitaus dramatischer findet Elliott die kürzere Pause im Winter: "Der zweite Shutdown ist herausfordernder. Im Sommer verbessern sich Teams von Rennen zu Rennen, es wird also ein Prozess verzögert. Im Winter hingegen verschiebt es die Timeline einer ganzen Auto-Produktion." Angesichts der kommenden neuen F1-Generation sind die Auswirkungen dementsprechend riesig.












