Das erste Training (7.11.) des Grand Prix von Brasilien war gerade einmal sechseinhalb Minuten alt und schon hatte Yuki Tsunoda für Stirnrunzeln bei seinem Team gesorgt. Der Japaner hatte ausgangs der vierten Kurve die Kontrolle über seinen Red Bull verloren. Tsunoda war mit den Rädern zu weit auf dem Randstein gekommen, der Wagen übersteuerte und der 25-Jährige konnte den Gegenpendler nicht mehr abfangen. Er krachte mit dem linken Vorderrad in die Wand und beschädigte sich den Frontflügel.
Immerhin konnte er den RB21 aus eigener Kraft zurück an die Box schleppen. Was auf den ersten Blick nach einer kleineren Reparatur aussah, entpuppte sich als längerer Werkstatt-Aufenthalt. Am Ende der 60-minütigen Session wurde Tsunoda Letzter und kam auf 19 Runden, die wenigsten aller Fahrer. Noch schmerzhafter als die Reparaturkosten war der Verlust der Trainingszeit. Bei einem Sprint-Wochenende das Auto nach wenigen Minuten wegzuschmeißen ist eine Hypothek, für die man länger bezahlt als beim gewöhnlichen Grand-Prix-Format.
Red Bull braucht seinen zweiten Mann, um wichtige Setup-Tests zu absolvieren. Das Team aus Milton Keynes fokussiert sich voll auf Max Verstappen, der im Gegensatz zu seinem Teamkollegen um Siege und Podien kämpft. Tsunoda ist unter anderem dafür da, riskante Setups zu verifizieren, damit der sich der Superstar damit nicht rumschlagen muss.
Doppeltes Aus in Q1
In Brasilien hatte Red Bull bis zum Sonntag Probleme, das richtige Abstimmungsfenster zu treffen. Die Schuld dafür Tsunoda zuzuschieben, würde zu weit greifen. Dennoch half er seinem Rennstall mit dem Abflug nicht. Im Sprint-Qualifying, wenige Stunden nach dem Training, war für den kleinsten Formel-1-Fahrer schon nach dem ersten Segment Schluss. Sein Team änderte das Auto unter Parc-fermé-Bedingungen, weshalb er den Sprint aus der Box startete und immerhin 13. wurde.
Dann ging es im Qualifying wieder einen Schritt nach hinten. Tsunoda wurde Vorletzter, war aber de facto der Langsamste, weil Gabriel Bortoleto keine gezeitete Runde setzte. Zur Ehrenrettung sei gesagt, dass auch Verstappen nur Rang 16 erreichte. Aber wieder enttäuschte der Honda-Schützling und landete auf dem 19. Platz. Es war bereits das 15. Mal, dass Tsunoda in Q1 mit dem Red Bull scheiterte – bei 19 Anläufen. Das ist eine niederschmetternde Quote.
Sündiger Tsunoda im Rennen
In den 71 Runden im Rennen hatte die Nummer 2 von Red Bull ebenfalls kaum Spaß. Er kam als Letzter ins Ziel. Dabei war er zwischenzeitlich bis in die Top-10 nach vorne gespült worden. Doch eine Zehn-Sekunden-Strafe warf ihn wieder weit zurück. Tsunoda hatte vor Kurve 8 das Heck verloren, wich gerade noch Franco Colapinto (Alpine) aus, traf aber Lance Stroll. Für den Kontakt mit dem Aston Martin setzte es die Zeitstrafe.
Zu allem Überfluss patzte dann noch sein Team. Als er die Box ansteuerte, hielt sich ein Mechaniker nicht an die zehn Strafsekunden, die Tsunoda absitzen wollte, bevor seine Reifen gewechselt werden sollte. Der Red-Bull-Schrauber löste vor Ablauf des Countdowns die Mutter des linken Hinterrads. Dafür kassierte Tsunoda nochmal zehn Strafsekunden. "Zuerst hat er sich die Strafe eingehandelt und dann haben wir noch einen Fehler von unserer Seite aus gemacht", entschuldigte sich Teamchef Laurent Mekies nach dem Rennen halbherzig. "Das war eines der schlechtesten Wochenenden. Und ich weiß nicht mal warum", war Tsunoda verzweifelt.
"Es läuft einfach nicht für uns. Sein letzter Stint unter freier Fahrt war gut. Ohne die Strafen hätte er um Punkte kämpfen können. Nur 'hätte, wäre, wenn' gewinnt keine Rennen", erklärte Mekies. Von einem Sieg ist der bereits 108-malige Grand-Prix-Teilnehmer weit entfernt. Und nur in die Punkte zu fahren, genügt weder dem Anspruch Tsunodas noch Red Bull. Zum Vergleich: Verstappen sammelte seit der Beförderung Tsunodas 305 Punkte, sein Teamkollege unterwältigende 25.

Yuki Tsunoda (links) oder Liam Lawson (rechts) kämpfen um das letzte Cockpit im Red-Bull-Kosmos für 2026.
Lawson oder Tsunoda?
Die Leistungen und Ergebnisse rechtfertigen eine Weiterbeschäftigung weder bei Red Bull noch beim B-Team Toro Rosso. Nach vier soliden Saisons bei den Junioren durfte er sich ab dem Japan-GP neben Max Verstappen bei Red Bull beweisen. Liam Lawson rückte nach zwei schlechten Wochenenden wieder ins zweite Glied. Mit dem Wechsel hat man bei Red Bull letztendlich nur Lawson einen Gefallen getan. Im einfacher zu fahrenden Toro Rosso und mit Isack Hadjar als Teamkollegen, kann sich der Neuseeländer außerhalb des großen Rampenlichts für ein Cockpit empfehlen.
Es gilt als offenes Geheimnis, dass nächstes Jahr Arvid Lindblad in die Formel 1 aufsteigen soll und Red Bull ihn beim B-Team platzieren will. Hadjar dürfte zum Top-Team wechseln und sich neben Verstappen versuchen. Somit bleibt nur ein Sitz bei Toro Rosso. Der wird entweder an Tsunoda oder Lawson gehen. Für Letzteren spricht, dass er 2025 seine erste volle Saison absolviert und noch Entwicklungspotenzial besitzt. Sein Konkurrent hingegen verliert 2026 auch noch die Unterstützung aus seinem Heimatland. Honda ist 2026 nicht mehr Motorenpartner von den beiden Red-Bull-Teams. Der Autohersteller schoss in dieser Saison noch Geld dazu, um den Liebling endlich beim Top-Rennstall fahren zu sehen.

Red Bulls Sportchef Helmut Marko will sich bei der Fahrerwahl erst nach dem letzten Rennen in Abu Dhabi äußern.
Entscheidung nach Abu Dhabi
Red Bull wollte vor wenigen Wochen bis zum Grand Prix von Mexiko (26.10.) eine Entscheidung zur Fahrerwahl fällen. In der Mega-City hieß es dann aber, erst nach dem letzten Rennen würde man die Piloten verkünden: "Wir warten jetzt erstmal ab, wie sich die letzten Rennen entwickeln und nach Abu Dhabi wird dann mitgeteilt, wer für uns fahren wird", hatte Sportchef und Nachwuchsförderer Helmut Marko verlautbart.
Somit hat Tsunoda noch drei Rennen Zeit, die Entscheider von sich zu überzeugen. Nochmal so ein Wochenende wie in Brasilien darf er sich nicht leisten – außer hinter verschlossenen Türen ist die Entscheidung gegen den ehemaligen Formel-2-Piloten schon gefallen. Verwundern dürfte es angesichts seiner Leistungen nicht.












