Anhänger von Porsche erlebten das größte Drama zuletzt abseits der Rennstrecken. Schon vor der Jahresmitte tauchten erstmals Gerüchte zu einem möglichen Prototypen-Schlussstrich der Schwaben auf, die sich immer mehr verstärkten. Nach einigem Hin und Her ist Anfang Oktober die offizielle Bestätigung erfolgt: Im Anschluss an die mittlerweile abgelaufene Saison 2025 war in der Langstrecken-WM Feierabend.
Der vorrangige Grund sind wirtschaftliche Zwänge. Massive Einbußen der Profitabilität und eine verrutschte Elektro-Transformation in der Serienproduktion setzten den Hersteller stark unter Druck. Bis 2029 sollen 1.900 Stellen wegfallen, obendrauf kommen weitere harte Sparmaßnahmen, die am Selbstbild des Konzerns rütteln. Das nahm ebenfalls die Rennabteilung in die Verantwortung, Geld zu sparen.
Letztlich landete die World Endurance Championship samt ihres 24-Stunden-Highlights auf der Streichliste. Die nordamerikanische IMSA-Sportwagenmeisterschaft bekommt vorerst bis Ende 2027 Aufschub – dank des wichtigen US-Markts. Gar keine Sorgen muss sich die Formel E machen. Ähnliches gilt für den Kundensport. Thomas Laudenbach, Leiter Porsche Motorsport, hielt fest: "Mit dem Porsche 963 in der IMSA und dem Porsche 99X Electric in der Formel-E-Weltmeisterschaft wollen wir auch zukünftig um Gesamtsiege kämpfen. Das ist unsere Tradition und unser Fokus."
Eine sportliche Retourkutsche?
Für viele Traditionalisten war diese neue Strategie schon Grund genug, sich zu ärgern. Immer wieder kam die Frage auf, warum nicht lieber die Elektro-WM auf dem Spar-Altar geopfert werde. Porsche hätte doch mittlerweile alle Titel gewonnen. Das stimmt zwar seit dem Ende der elften Saison, aber die Rechnung ist viel komplizierter. Ganz grundsätzlich gilt, dass die Formel E dank einer Budgetobergrenze klar unter den Kosten der WEC liegt. Während die Sportwagen-Zahlen nur geschätzt werden können, sind bei der Formel E 25 Millionen Euro durch das FIA-Reglement nachvollziehbar.
Gleich mehrere Gründe hätten einen vorzeitigen Porsche-Abschied zu einem Millionengrab gemacht. Zum einen ging Porsche diesen Dezember mit dem besten Technikpaket in die letzte Saison der dritten Auto-Generation ("Gen3"). Weitere Titel sind beim großen Finale in London Mitte August 2026 sehr wahrscheinlich. Zum anderen haben die Weissacher Ingenieure bereits extrem viel Wissen und Zeit in die Gen4 gesteckt.
Die Aussichten der WEC sehen vergleichsweise trüb aus. Porsche konnte die 2024 gewonnene Fahrer-WM nicht verteidigen. In Le Mans war man zweitstärkste Kraft, allerdings blieb Ferrari trotz mehrerer Fehler locker enteilt. Da die Italiener hinsichtlich ihres überlegenen LMH-Autos – Porsche wählte aus Kostengründen das LMDh-Konzept – wieder nicht eingebremst wurden, wird der Ausstieg ebenfalls als sportpolitische Retourkutsche interpretiert.

Trotz schwieriger Zeiten hat Porsche-Sportchef Thomas Laudenbach größtenteils den Konzern im Rücken. Der Le-Mans-Rückzug und das jüngst gescheiterte Privat-Engagement bereiteten in Weissach sicher niemand Freude.
Formel E unabhängig von WEC
Diese Argumentationen gerieten durch eine weitere Ankündigung im November unter Feuer. Ab der 13. Saison will Porsche gleich vier Gen4-Rennwagen über zwei Teams in Eigenregie einsetzen. Die Weissacher folgen damit der Logik der Rivalen von Stellantis, die durch die Marken DS und neuerdings Citroën die Hoheit über ihre Daten behalten.
Sportchef Thomas Laudenbach erklärte damals: "Die Fahrzeiten der Formel E sind sehr beschränkt, jeder Kilometer zählt. Durch unsere Kunden sehen wir, wie wichtig Datenaustausch ist. Vier Fahrzeuge einzusetzen, vereinfacht es allgemein. Da Kunden ihre eigenen Ansätze einbringen, wollen wir den Aspekt nicht aufgeben." Fans fragten sich hingegen direkt, wie das zum WEC-Aus passen würde.
Auf die Frage nach der Wahrnehmung, dass Porsche Le Mans für die Formel E geopfert hat, entgegnet der Gesamtprojektleiter Florian Modlinger jetzt klar: "Es bleibt bei sechs Porsche im Feld, aber die Ressourcen werden umverteilt. Für die Änderung des Einsatzkonzepts musste der Vorstand keinen zusätzlichen Euro und keine zusätzliche Stelle freigeben. Wir beziehen externe Gelder. Die Entscheidung verlief auch zeitlich unabhängig von anderen Motorsport-Programmen." Details stehen im Moment aus.
Formel-E-Rivalen murren
Auch im Elektro-Paddock traf Porsches Konzept zunächst auf wenig Gegenliebe. Nissan-Teamchef Tommaso Volpe wunderte sich gegenüber auto motor und sport: "Wir sollten als Szene ganz genau über die Folgen für den Sport nachdenken. Noch ist es eine junge Meisterschaft, die sich sehr dynamisch entwickelt. Stellantis' Ansatz wurde schließlich von allen akzeptiert, Porsche bringt jetzt einen neuen Parameter hinein. Unter einem Dach werden zwei Teams starten."
Auch wegen wirtschaftlicher Zwänge wird Nissan diese Strategie nicht kopieren. Volpe sieht ebenso keine Notwendigkeit. Um nicht missverstanden zu werden, führt der Boss des amtierenden Fahrer-Champions Oliver Rowland aus: "Alle müssen kollektiv über die Zukunft des Sports nachdenken. Womöglich könnte es durch einen anderen Akteur sogar noch stärker ausgereizt werden. Wir haben ein Jahr Zeit, eine gemeinsame Ebene zu finden."
Porsche selbst sieht und entkräftet den Vorwurf einer "Blockbildung". Sportchef Thomas Laudenbach erwiderte schon während der Erstvorstellung gegenüber auto motor und sport: "Ich hoffe auf eine Markenvielfalt. Wir werden weiterhin nicht mehr als sechs Autos auf dem Grid haben, zwei davon gehen explizit in Kundenhand. Dies ist uns sehr wichtig."

Von der Formel-E-Saison 2026/2027 an wird Porsche durch zwei Teams in der Elektro-WM vertreten sein. Hierbei sollen keine internen Zusatzkosten entstehen. Das große Ziel: bestmöglicher Datentausch als Performance-Vorteil.
Stabilität vor erhofftem Gen4-Hype
Der CEO der Serie, Jeff Dodds, sieht es – allein jobbedingt – sehr positiv. Er verkaufte dem zweiten Porsche-Team eine freie Startlizenz. Die Vermutung liegt nahe: Große Investitionen auf Seiten des Herstellers waren dafür nicht nötig. Mangels weiterer großer Interessenten und angesichts ein paar freier Plätze scheint der Deal nur logisch. Spricht man Dodds darauf an, ob ihm der Ansatz zweier getrennter Konzernvertreter, wie von Stellantis, besser gefallen hätte, wird er diplomatisch.
"Porsche ist eine massive Motorsport-Marke. Niemand sollte sich eigentlich beschweren, eine gute Sache in doppelter Ausführung zu haben. Porsche bringt mehr Fans, mehr Zuschauer. In der Folge liegt die Verantwortung bei der FIA, ein faires sportliches Feld zu schaffen. Aber das ist deren Daily Business. Ich verstehe eine gewisse Nervosität, wie sie beispielsweise Nissan zugeschrieben wird. Sie wollen Fairness in Aktion sehen."
Durch das von Porsche angeschobene Wachstum erhält die Elektro-WM außerdem die dringend nötige Stabilität vor dem Debüt der Gen4 in einem Jahr. Die bis zu 600 Kilowatt (circa 816 PS) starken Renner müssen die Formel E endlich massenkompatibel machen. Sollten wie erhofft neue Hersteller Interesse daran finden, werden sie sich zukünftig mit bestehenden Teams zusammentun oder Lizenzen kaufen. Das steigert den Wert. "Ein volles Grid bringt uns auf das nächste Level. Es ist nicht lange her, dass eine F1-Truppe für ein britisches Pfund verkauft wurde. Wo liegt sie jetzt?"







