Ferrari bringt frischen Wind in die Welt der Hochleistungsmotoren – mit einem V12, der gleich an mehreren Stellen gegen Konventionen verstößt. Statt klassischer Rundkolben setzt Maranello auf eine langgezogene Kolbenform. Was zunächst wie ein Kuriosum klingt, könnte sich als cleverer Schachzug für die Zukunft erweisen – vor allem, wenn es um kompakte Bauweise und Hybridintegration geht.
Ein technischer Rückgriff mit neuer Perspektive
Langloch-Kolben, auch Ovalkolben genannt, haben eine bewegte Vergangenheit: Honda experimentierte bereits 1979 mit dieser Form in der NR 500, einem Rennmotorrad mit acht Ventilen pro Zylinder. Die Idee: Mehr Ventilfläche, bessere Zylinderfüllung, höhere Drehzahlen. Das Ergebnis war jedoch technisch anspruchsvoll, teuer und in der Serienfertigung kaum durchzusetzen.
Ferraris neues Patent greift den Grundgedanken wieder auf, aber mit völlig anderer Ausrichtung: Die Kolben sind um 90 Grad gedreht, verlaufen also quer zur Kurbelwelle. Das erlaubt einen kürzeren Motor – ein Vorteil gerade bei Mittelmotor-Sportwagen, wo jeder Zentimeter Bauraum zählt.
Ein Pleuel für zwei Kolben? Nicht bei Ferrari
Anders als Honda braucht Ferrari für seinen Langlochkolben nur ein Pleuel pro Zylinder – das senkt Komplexität und Gewicht. Um zusätzlich Platz zu sparen, nutzt Ferrari sogenannte Anlenkpleuel: Hier teilen sich zwei Pleuel ein Lager an der Kurbelwelle. Das vermeidet den üblichen Versatz der Zylinderbänke und sorgt für eine besonders kompakte Bauform. Diese Technik ist nicht neu, sie wurde bereits 1932 vom Schweizer Arnold Zoller patentiert und findet sich in Flugzeug-Sternmotoren. Ferrari greift dieses Prinzip nun auf, um den V12 so kurz wie möglich zu bauen.
Kompakter V12 = perfekter Hybrid-Partner?
Ein kleinerer V12 könnte perfekt zu modernen Hybridantrieben passen. Der Verbrenner bleibt leistungsstark, braucht aber weniger Platz und lässt so mehr Raum für Batterie und E-Motor. Besonders bei Mittelmotor-Konzepten, wie Ferrari sie bevorzugt, wäre das ein klarer Vorteil.
Ob der Sportwagenhersteller aus Maranello den Langloch-V12 jemals in Serie baut, ist unklar. Die Fertigung der speziellen Kolben wäre teuer und aufwendig. Doch als Entwicklungsplattform für neue Motorkonzepte macht das Patent deutlich: Ferrari denkt den Verbrenner weiter und zwar jenseits der klassischen Norm.
Warum sind Kolben eigentlich rund?
Die zylindrische Form von Motorkolben ist kein Zufall. Runde Kolben dichten gleichmäßig ab, lassen sich leicht fertigen und sind mechanisch stabil. Die Kräfte im Motor wirken radial – also nach außen – und werden bei runden Kolben optimal verteilt. Grundsätzlich wäre es aber kein Problem, einen ovalen Kolben zu bauen. Es gäbe keine speziellen Herausforderungen im Vergleich zum Rundkolben. Allerdings hat sich diese Form schlichtweg nicht durchgesetzt. Seit über 100 Jahren ist der Rundkolben Standard – aber Ferrari zeigt: Es geht auch anders.