Es ist, als stünden die deutschen Autofahrer der Luxusklasse rund um S-Klasse und Co. mit Verlegenheit oder gar Ehrfurcht gegenüber. Als würde man plötzlich zum Kaffeekränzchen beim Papst eingeladen sein. Wer im A8 , 7er oder dem Luxus-Urgestein S-Klasse fährt (oder gefahren wird), der ist fürstlich unterwegs – logisch. Auch, dass viele technische Errungenschaften, die heute Teil der meisten Serienautos sind, ihr Debüt in der S-Klasse feierten, ist inzwischen eine Binse. Wenn das wirklich die besten Autos der Welt sind, warum fährt nicht jeder von uns eines davon? Stattdessen verschwinden die Luxus-Liner nach ihrer ersten Amtszeit oft schnell von der Bildfläche, nur um dann einige Jahre später tiefergelegt und mit fragwürdigen Felgen vor der Spielothek am Bahnhof wieder aufzutauchen. Ganz offensichtlich schlägt hier heftiger Wertverlust zu. Lässt sich davon als Käufer profitieren?
Diesel wählen hält den Verbrauch im Zaum
Wer sich diese Fragen schon einmal selbst gestellt hat, der ist hier goldrichtig. Stecken wir also mal unser Suchszenario ab. Angenommen, Sie interessieren sich als Autofan für das Beste, was die deutschen Premiumhersteller zu bieten haben: Audi A8, BMW 7er, Mercedes S-Klasse, kurzum: die klassische Großwagen-Trias. Weil man mitunter viel fährt und an der Tankstelle nicht arm werden möchte, beschränken wir uns auf Diesel, weil wir die vielen modernen Features dieser Wagenklasse noch ausnutzen möchten, setzen wir eine Baujahresgrenze bei 15 Jahren, sprich im Jahr 2010. Damit die Ware noch schön frisch wirkt, limitieren wir die Laufleistung auf 150.000 Kilometer. Unser Budget legen wir recht großzügig zwischen 20.000 und 30.000 Euro an. Noch ein Häkchen beim Suchgebiet "Deutschland" und wir landen bei rund 90 Angeboten, relativ homogen auf die drei Hersteller aufgeteilt. Bei den auftauchenden Kandidaten handelt es sich um den Audi A8 D4, den BMW 7er F01 und die Mercedes S-Klasse W221, bzw. bereits vereinzelt um den Nachfolger W222. Alle drei bieten dann mindestens fünf Meter Außenlänge, sowie zu allermeist einen Sechszylinder-Dieselmotor mit drei Litern Hubraum und ungefähr 250 PS. Viel Drehmoment und höchster Fahrkomfort (zumeist mit Luftfederung) bewirken eine Langstreckentauglichkeit, die auch den heutigen Äquivalenten in kaum etwas nachsteht. Nicht selten ist zudem bereits ein gewisses Niveau an Fahrassistenz geboten, die für einen ungebrochen modernen Fahreindruck sorgt. Wer da hinterfragt, wozu man so komplexe und große Autos benötigt, dem sei der Vergleich von einer Jugendherberge und einem Wellnesshotel nahegelegt. Schlafen kann man hier wie dort, aber mit Rückenmassage und fein gedämmter Akustik lebt es sich einfach etwas schöner. Nun zu den Kandidaten im Detail.

Direktoren, Präsidenten und andere Potentaten sind meist in einem dieser drei Wagen anzutreffen. Nicht ohne Grund, denn besser lässt sich kaum fahren und gefahren werden.
Audi A8 D4, (2010 bis 2017)
In diesem Artikel soll es ja darum gehen, ein so vollumfänglich hochwertiges Auto zu finden, wie es zum gebotenen Budget eben möglich ist. Die Voraussetzungen dafür stehen für den A8 gut. Schließlich begann seine Entwicklung zum Höhepunkt der Piëch-Ära im VW-Konzern, die Größen wie VW Phaeton und Touareg, Bentley Continental oder gar den Bugatti Veyron hervorgebracht hat. Der Abgasskandal war noch fünf Jahre entfernt, als der A8 der dritten Generation (der A8 geht generationsmäßig auf den Audi V8 von 1988 zurück) das Licht der Welt erblickte. Baureihentypisch setzt der A8 auf eine hochfein verarbeitete Alukarosserie und (bis auf ganz wenige Basis-Fronttriebler) die markentypische Allrad-Antriebsarchitektur. Designmäßig war der A8 seiner klaren Kante stets linientreu. Mit der hier gezeigten Generation manifestierte man außerdem das bis heute übliche Licht-Design mit LED-Rähmchen und Tagfahrlicht-Zacken. Statt nur für Helligkeit zu sorgen, war Lichtdesign plötzlich sexy. Wie schon sein Vorgänger setzte der A8 D4 außerdem wieder Maßstäbe in Sachen Innenraumqualität. Damit ist nicht simpler Material-Pomp gemeint, sondern die Art von technoidem Luxus, die bis heute en vogue ist. Feines Leder trifft auf feines Holz und feines Metall, aber selbstverständlich nur mit allerfeinsten Fugen. Drehregler klicken taktil wie Ironmans Rüstung und hübsch anzusehende Displays erscheinen genau da, wo sie gebraucht werden – und verschwinden sogleich auf Tastendruck. Im Vergleich zum Heute, welches geprägt ist von Fingerfett-Tapsern auf Displaylandschaften, lässt sich feststellen: Das war zweifellos luxuriöser.

Eine kantige Erscheinung war der A8, getreu der Audi-Designphilosophie, schon immer. Er war es jedoch, der maßgeblich zum Durchbruch von Leuchtsignaturen beigetragen hat.
In typischem Piëch-Überschwang gab es den A8 mit Sechsliter-W12, dem Vierliter-V8, der heute noch aus dem RS6 bekannt ist, oder auch mit V8-Diesel, der satte 850 Newtonmeter in den Quattro-Antrieb stemmt. Je wilder die Motorisierung, desto runzliger wird die Stirn Ihres Werkstattmeisters, wenn mal was in die Binsen geht. Da ist der "Massenmotor", den wir hier in den Fokus rücken, zumindest etwas ziviler. Die Rede ist vom altbekannten 3.0 V6 TDI. Zu haben in verschiedenen Leistungsstufen von 204 bis 262 PS (400 bis 580 Newtonmeter) sorgt er stets für sahnig-satte Laufkultur mit wuchtigem Drehmoment und erfreulich niedrigem Verbrauch. Durchschnitte von acht Litern reichen fast immer aus, selbst weniger ist gut zu schaffen. Serienmäßig ist immer eine Achtgang-Wandlerautomatik die sehr sanft und zielsicher arbeitet. Grundsätzlich ist der Motor bekannt für seine Langlebigkeit, die mit der richtigen Pflege locker für mehrere Hunderttausend Kilometer reicht. Gleichzeitig birgt er eine gewisse Kostenfalle, weil seine hochkomplex geführten Steuerketten auf der Rückseite des Motors liegen, was einen möglichen Wechsel mühsam macht. Wichtig ist also, beim Händler auf Rasseln von der Motorrückseite zu achten, wenn sich der Öldruck beim Kaltstart aufbaut. Das Credo "haltbar aber komplex" gilt beim A8 auch für Fahrwerkskomponenten. Hier ist ab Werk beste Qualität verbaut, die allerdings im Austausch nicht immer günstig ist und mit einem gewissen Arbeitsaufwand einhergeht. Luftfederung ist hier serienmäßig. Ansonsten muss die Karosserie auf potenziell verpfuschte Unfallschäden hin überprüft werden. Sind Reparaturen vorhanden, ist eine seriöse Durchführung und die papierene Dokumentation elementar. Wie bei jeder Luxuskarosse zählen ein seriöser Vorbesitz und die minutiöse Wartungshistorie.

Man möchte alles anfassen. Höchstwertige Verarbeitung trifft im A8 auf edle Materialien. Fast nichts ist dabei überflüssig: Sinnvoll platzierte Tasten und Drehregler tragen zur Bedienfreundlichkeit bei.
BMW 7er F01, (2008 bis 2015)
Im hier besprochenen Trio nimmt der 7er der fünften Generation eine faszinierende Rolle ein. Dabei wirkt er im direkten Vergleich am wenigsten auffällig oder opulent. Wie kommt das? Er ist der Grundstein für die damals neu eingeführte BMW-Ära der jungen Neuzeit. Sprechen wir mal vage und pseudo-historisch von der klassischen Phase des 7ers, die in etwa bis zum James-Bond-Dienstwagen E38 reicht. Dann kam der extrem individuelle (und somit oft kritisch beäugte) E65 mit dem polarisierenden Chris-Bangle-Design und der etwas wirren frühen iDrive-Bedienung, und schließlich der hier gezeigte F01. Er war der erste BMW, dessen Typenkürzel nicht mehr mit "E" wie "Entwicklung" beginnt. Seine Formsprache mit zurückhaltend-dynamischen Linien außen und dem schnörkellos gezeichneten Cockpit innen lebte bis zur heutzutage eher exaltiert wirkenden aktuellen BMW-Mode. Anders ausgedrückt: Der "Look and Feel" des F01-7er ist verblüffend nah an den 5er-Generationen der letzten Jahre. So zurückhaltend wirkte BMWs Luxusklasse einst. Dabei sind sämtliche Vorzüge an Bord: ein fantastisch sämig laufender Reihensechszylinder, ein dezent fahrerorientiertes Cockpit mit ideal einfacher Bedienbarkeit, sowie eine brillante Abstimmung von Antrieb und Fahrwerk. Als Einziger hier, fährt er ab Werk mit Stahlfedern vor. Das funktioniert beileibe nicht unkomfortabel, bietet aber das typische BMW-Fahrerlebnis, was man seinerzeit noch mit dem blau-weißen Logo verband. Kurz: Er wirkt wie ein BMW-Best-of-Album und verzichtet weitgehend auf Protz.

Unaufdringlich, staatstragend und elegant: So sah vor 15 Jahren ein 7er aus. Auf technischer Seite servierte BMW ergreifende Fahrkultur mit extrahaltbaren Antrieben.
Seine Unauffälligkeit bringt ihm im Alter auch einen gewissen Vorsprung durch Technik – pardon: durch haltbare Technik. Der N57-Diesel ist nicht selten, weil er auch in unzähligen anderen BMW-Modellen seinen Dienst tat. Das war jeweils bei Audi und Mercedes nicht viel anders, doch besitzt der Reihensechszylinder durch sein Format eine etwas größere Wartungsfreundlichkeit als die sehr kompakten V-Motoren der Konkurrenz. Neben der sinnlichen Laufruhe und dem sehr günstigen Verbrauch (um die 7,5 Liter braucht ein 730d im Schnitt) besitzt das Triebwerk auch eine unumstrittene Langlebigkeit, wenn man von Dichtigkeitsproblemen der Abgasrückführungskühler absieht. Derlei Operationen sind zwar nicht ganz günstig, gehören aber zum Alltag für viele Werkstätten. Den Unterschied zwischen 730, 740 und 750d besorgt allein die Zahl der Turbolader (1, 2 oder 3), die für Leistungen von 245 bis 381 PS sorgen. Kenner schätzen die mittlere Ausbaustufe am meisten. Ebenfalls wenig Sorgen bereitet sein Fahrwerk, speziell wenn auf potenzielle Kostentreiber wie Luftfederung, aktiver Wankausgleich oder Allrad verzichtet wird. So ist es möglich, in Form eines moderat konfigurierten 730d den wohl vernünftigsten Luxuswagen in diesem Trio zu erhalten.

Besonders im Innenraum lag der F01 nah an der eng verwandten 5er-Baureihe F10. Ergonomie und Bedienbarkeit sind hier allererste Güte.
Mercedes S-Klasse W221 und W222 (2005 bis 2013, bzw. 2013 bis 2020)
Dass wir hier gleich zwei Baumuster der S-Klasse anführen, liegt nicht nur daran, dass beide Generationen in unserem Suchraster auftauchen. Mercedes behielt zum Modellwechsel nämlich die Bodengruppe des W221 bei, sodass man streng genommen von einem XXL-Facelift sprechen könnte. So ließ sich ein zulassungsrechtliches Schnippchen schlagen, weil das ab 2011 zu verwendende Klima-Kältemittel R1234yf, dessen Handhabung seinerzeit noch nicht als ganz ausgereift galt, im W222 nicht verwendet werden musste. Aus heutiger Sicht wichtiger: Die Bodengruppe des W221 war im Vergleich zum verhältnismäßig günstig entwickelten Vorgänger aufwendig, zukunftsweisend und somit teuer konstruiert. Und mit diesem Rückgrat ist auch der Charakter der modernen S-Klasse-Ära gut erklärt. Wie es sich einst für diese Baureihe geziemte, wirkte die S-Klasse in der Neuwagenausstellung futuristischer als alles andere, was seinerzeit mit Stern unterwegs war. Hochmoderne LED-Leuchten, ein digitales Kombiinstrument, ein Zentralbildschirm, der erstmals beim Daimler Teil des Cockpits war und nicht nur als Radiobildschirm durchging, sowie unzählige Feinheiten in der Fahrassistenz setzten Maßstäbe. Dazu kam ein fürstliches Niveau an flauschigem Sitzkomfort, Schalldämmung und Feinfühligkeit seitens der serienmäßigen Luftfederung. Wer am opulentesten im Luxus schwelgen möchte, ist in der S-Klasse am besten untergebracht. Auch wenn es dem W222 kaum gerecht wird, lassen sich seine Neuerungen in aller Kürze darauf zusammenköcheln, dass er mit durchgehender Displayoberfläche und noch modernerer Fahrassistenz annähernd in der noch aktuellen Mercedes-Designlandschaft unterwegs ist. Außerdem war er der erste Pkw überhaupt, der komplett mit LED-Leuchtmitteln arbeitet.

Die S-Klasse ist stets umweht von einer gewissen Souveränität. Wer hier mit präpotenten Tuningmaßnahmen hineinpfuscht, nimmt ihr die Würde.
Weil der Technikbaukasten von W221 und W222 grundsätzlich nur geringe Unterschiede aufweist, ähnelt sich auch die Motorenpalette, die ganz standesgemäß bis in 12-Zylinder-Sphären reicht. Wer einmal elektronisch begrenzte 1000 Newtonmeter Drehmoment erleben möchte, braucht nur in einem S 65 AMG Platz zu nehmen. Deutlich bezahlbarer ist der häufig anzutreffende S 350d. Der leistet 235 bzw. 258 PS und 540 bzw. 620 Newtonmeter. Lassen Sie sich nicht von den Kürzeln "CDI", "Bluetec" oder "d" beirren: An Bord ist zumindest bis 2017 immer der ausgesprochen solide OM642, ein Dreiliter-V6-Diesel mit Turbo im Zylindertal. Dessen einzige teure Achillesferse besteht bis etwa Dezember 2011 in einer alternden Ölkühlerdichtung. Sie ist in 99 Prozent der Fälle schuld, wenn unterm Auto plötzlich Ölflecken auftauchen. Der Pfennigartikel ist aufwendig und teuer im Austausch und wurde in der Produktion rasch verbessert, sodass dieser Fall nicht mehr eintritt. Ganz daimlertypisch ist außerdem mit einem gewissen Verschleiß an Fahrwerksgelenken zu rechnen, der im Einzelfall jedoch im überschaubaren Kostenrahmen bleibt.

Ein fest ins Cockpit integriertes Infotainment-Display? Ein Zentralcontroller? Heute ganz normal, früher progressiv. Alles ist in hochwohlgeborenem Ambiente untergebracht.











