Wann die E-Mobilität bei uns in ihre Rolle findet? Wissen wir auf den Tag genau: am Samstag, 11. Juli 1925. Damals rollt sie im Kölner Kaufhaus Tietz los – die erste Rolltreppe des Landes. Eine, so heißen sie korrekt, Fahrtreppe, angetrieben von einem E-Motor, 2 bis 5 kW stark, auf dass die Passagiere mit 1,8 km/h auf- oder abwärts stehen. Immer mal auf- und abwärts – damit springen wir in den Vergleich wie auf die erste Stufe einer Rolltreppe – geht es ja länger schon mit der Karriere der Elektromobilität. Wobei die nun bei den Vollformat-SUV eine, tja, größere Rolle spielt. So strömen mit Kia EV9 , Polestar 3 und Volvo EX90 drei neue Autos an, BMW hat den iX aufgefrischt. Wir testen, was da auf uns zurollt.
BMW iX: mit jeder Faser BMW
München macht mehr Tempo. Ja, einerseits die Münchener Verkehrsgesellschaft, die zum Oktoberfest die Geschwindigkeit der Rolltreppen an der Haltestelle Theresienwiese wegen des hohen Andrangs auf 2,2 km/h erhöht. Andererseits und hier relevanter: Zur Modellpflege steigerte BMW die Leistung des iX 45 um 60 kW, was die Sprintdauer von null auf 100 um 1,0 auf 5,1 Sekunden verkürzen soll. Dass es im Test 5,3 s dauert? Gewiss unerheblicher als die weiteren Änderungen, welche die Effizienz des Antriebs steigern sollen.
Bei dem verkabeln die Techniker den nun 94,8 kWh großen Akku mit zwei von seltenen Erden freien stromerregten Synchros – vorn der U 220 SF (190 kW/365 Nm), hinten der M 220 SR (200 kW/400 Nm). Die finden zu einer Systemstärke von 300 kW/700 Nm. Klingt nach einer wuchtigeren Menge, als zum Ausdruck kommt – wegen 2.519 kg Gewicht. Dabei findet in der Bemühung, die Massen zu mindern, Kohlefaser Verwendung an der Karosserie. Im elegant möblierten Reiseabteil sind fünf Erwachsene nicht ausufernd untergebracht. Richtig viel Gepäck kann auch nicht mit.
Liegt auch daran, was neben dem E-Werk alles in den Katakomben verräumt werden muss: die flauschige, nie wankige adaptive Luftfederung (2.100 Euro) etwa und die präzise, rückmeldungstreue, variabel übersetzte Allradlenkung (1.450 Euro). Doch verschafft die dem iX eine für seine Gestalt erstaunlich behände Agilität, souveränisiert zudem die Stabilität in schnellen Autobahnkurven bis fast zur Unerschütterlichkeit. Dazu assistiert der iX bis hin zum Blick ausgelösten Spurwechsel auf Autobahnen. Könnte also alles bestens sein, wegen der cleveren Sprachassistenz muss man sich gar nicht auf die Touch-sortierte Bedienung einlassen. Doch dann bremst der iX matt: 37,4 m mit kalter Anlage aus 100 km/h sind zu lahm für das Tempo, das der Antrieb veranstaltet.

Es geht wieder rund! Nein, nicht bei den Digitalanzeigen, die haben weiter doofe Balken. Aber das Lenkrad war zuletzt angeeckt.
Und das mit der höchsten Effizienz (Testschnitt 24,1 kWh/100 km, Eco-Runde 19,5), was Distanzen von 443 bis 549 km an Reichweite bringt. Außerhalb jeder Reichweite dürfte für viele der Testwagenpreis des iX liegen: 110.560 Euro – da kann man schon mal mit den Augen rollen.
Kia EV9: nach Lust & Lounge
Die kürzeste Rolltreppe der Welt hat übrigens fünf Stufen, die im japanischen Kawasaki eine Distanz von 83 cm überbrücken. Das sind nur 4,0 cm mehr als die Weite, auf die der Normsitzraum für die Passagiere auf den Lounge-Sesseln in Reihe zwei des Kia ausufert. Auch auf dem kleineren, elektrisch emporklappbaren Doppelsofa beherbergt der EV9 Erwachsene ungedrängt – Pilot und Co vorn ohnehin. Und selbst bei voller Möblierung packt der Kofferraum noch 333 l. Solch immense Platzfülle verschafft Kia dem EV9 durch die Raumeffizienz der Elektro-Plattform E-GMP und durch eine Länge, die nur der Volvo hier noch überreckt.

17 Minuten lang hängt der Kia nur an der Gleichstrom-Säule, um Energie für 200 km zu laden. Die anderen holen ihn bei der Ladezeit für 300 km wieder ein – EX90 und 3 mit 250 kW Ladeleistung.
So richtet man sich also ein in der Bequemlichkeit des EV9 wie auch darauf, dass ihm der Sinn stets nach Reiserei, nie nach Raserei steht. Kurven versteht er als Notwendigkeit, um über die in Präzision und Rückmeldung fad gestimmte Lenkung die Richtung an den Verlauf der Reise anzupassen, nicht aber, um Dynamik zu verschaffen. Was an sich nicht stört; an die Entspanntheit, mit der der EV9 die Gegend durchschlendert, passt man sich gern an. Doch müsste das ESP nicht so bärbeißig regeln, das Fahrwerk so schaukelig straucheln bei den Fahrdynamiktests. Geschickter versteht sich das Set-up auf Komfortbelange, spricht mit einfacheren, frequenzabhängigen Dämpfern sorgsam an, wahrt aber Straffheit und Reserven für die Zuladung (563 kg).

Alle Rücksitze klappen auf Knopfdruck plan um. Alternativ: Dreierbank für Reihe zwei.
Zu den 3.190 zulässigen Gesamtkilos des Wagens könnten die beiden je 141 kW starken E-Motoren auch noch 2,5 Tonnen schwere Anhänger herumzerren. An Vehemenz mangelt es dem Antrieb nicht, und dass er sie nicht überbordend inszeniert wie Polestar und Volvo, zählt zu seinen Vorzügen – wie die hohe Schnellladeleistung der 800-V-Architektur. Anlass, sie zu nutzen, gibt es reichlich, denn der Verbrauch (27,3 kWh/100 km im Test, 22,7 kWh auf der Eco-Runde) liegt deutlich über dem des BMW, die Reichweite mit 380 bis 458 km erheblich darunter.

Klasse organisierte Bedienung mit wohlsortierten Tasten, verständiger Sprachassistenz und cleverer Touchscreen-Struktur. Gute Verarbeitung.
Doch erweist sich der clever assistierte, sieben Jahre garantiegesicherte und vergleichsweise günstige EV9 als stimmiges Auto. Ein raumreicher, solider, entspannter und – abgesehen vom sperrigen Wendekreis – alltagspraktischer SUV für alle Tage. Und laue Nächte: So verfügt die Interieur-Beleuchtung über einen Camping-Modus für alle, die den Lounge-Salon als Schlafgemach nutzen wollen.
Polestar 3: Polar-Energie
Gemach? Nicht so die Sache des Polestar, der sich mit 380 kW – 180 kW vom vorderen, 200 kW vom hinteren Permanentmagnet-Synchro – zu einer Rasanz beschleunigt, der er nicht recht hinterherkommt. Kommen wir aber gleich noch dazu. Vorher noch gehen wir dem Wagen auf den Grund – und da es derselbe ist wie bei seinem Geely-Konzern-Cousin EX90, gilt das Folgende auch für den.

23,7 kWh zieht der Polestar auf der Eco-Runde alle 100 km aus seinem 107 kWh großen Akku – mit dem Volvo der mit der größten Kapazität im Test. Die reicht wegen des hohen Verbrauchs für maximal 490 km.
Das Fundament namens SPA II ist – man ahnte es – eine Weiterentwicklung der ab 2014 verwendeten skalierbaren Produktarchitektur, aber 2023 für Elektros optimiert. Beim Fahrwerk bleibt es bei den Doppelquerlenkern vorn und der Integrallenker-Hinterachse. Rundum gibt es eine adaptive Zweikammer-Luftfederung, beim Polestar serienmäßig, beim EX90 (wie am Testwagen) optional. Zwischen den Achsen sitzen die 204 in 17 Modulen gruppierten prismatischen Zellen des 107-kWh-Akkus. Trotz 400-V-Basis lädt der im Test fast mit derselben durchschnittlichen Gleichstromleistung wie der Kia mit 800 V (141 zu 142 kW). Für höhere Effizienz lässt sich der Heckmotor vom Antriebsgeschehen abkoppeln, was den 3 nicht daran hindert, die höchsten Verbrauchswerte zu erlangen: 27,5 kWh/100 km im Schnitt, 23,7 kWh auf der Eco-Runde. Womit er die ganze schöne Kapazität des Akkus auf 421 bis 490 km aufbraucht. Beim Volvo (27,0 und 22,9 kWh/100 km) reicht sie mit 433 bis 511 km etwas weiter.
Weitreichend statten sich beide SUV mit Assistenzsystemen aus. Beim Polestar kostet das Pilot-Paket samt Lidar für teilautonomes Fahren extra, der Volvo packt es serienmäßig dazu. So kommt er auf acht Kameras, fünf Radarsysteme sowie zwölf Ultraschallsensoren, kann auf Autobahnen bis 150 km/h Tempo und Abstand einpegeln, hält die Spur und hilft beim Wechsel. Um die Steuerung der vielen Elektronik kümmern sich bei beiden Autos Nvidia-Prozessoren. Wobei – so was hatten wir auch noch nicht – Polestar allen Bestandskunden eines 3 den ab Modelljahr 2026 verlöteten, leistungsstärkeren Prozessor kostenlos nachrüstet.

Gold besattelte Brembos bremsen bestrangig. Kein goldener Kompromiss: das Fahrwerk.
So herrscht gewiss kein Mangel an Bits und Bytes, wohl aber an solcherlei Hardware, die nicht programmiert, sondern konstruiert und abgestimmt werden muss. Wenngleich der chinesische Kunde an sich wohl gelernt hat, es dufte zu finden, einen Kraftwagen schalterminimiert per Großtouchscreen und fitzeligen Tastflächen zu bedienen. Das ist: Mist. Denn Außenspiegel und Lenkrad, Klima und Rekuperation per Herumtapsen statt mit Hebeln, Griffen, Reglern und Wippen zu betätigen, lenkt enorm ab. Das merkt der Wagen auch, mahnt sein Aufmerksamkeitswarner doch ständig, den Blick vom Touchscreen auf die Straße zu lenken.
Schließlich gibt es da ja auch jede Menge zu lenken. Zuvörderst: den 3 in die richtigen Bahnen. Auf der ebenen Teststrecke mag sein Fahrwerks-Set-up stabil funktionieren. Doch auf der Landstraße waren wir lange nicht mehr derart unerquicklich unterwegs. Trifft der 3 da in einer Kurve auf eine Unebenheit – so was soll ja durchaus mal vorkommen –, rempelt er sie mit der harten Federung direkt an die Passagiere weiter, um ihnen gleich darauf wegen der zu schwachen Dämpfung mit ausuferndem Nachschwingen einen schwindelerregenden Ausklang zu verschaffen.

Schlüssel? Fehlanzeige – sind altmodisch, funktionieren aber, anders als die Schließkarte.
Den Piloten schwindelig beschleunigen? Das kann der 3 auch. Die Wucht des Antriebs fällt über den Wagen her, zerrt in der Lenkung, was neben Stößigkeit ziemlich das Einzige ist, was ihr an Rückmeldung einfällt. Das Beste am Fahrwerk? Die vehemente Verzögerung, wobei man wegen der überbordenden, schlecht dosierbaren Leistungsentfaltung und des zappeligen Fahrverhaltens ja auch dauernd am Bremsen ist.
Gebremst fällt so die Begeisterung für den unharmonischen, passagier- und gepäckraumknappen 3 aus. Umso mehr, da Polestar für den Testwagen 112.090 Euro verlangt. Dafür, heißt es, könnte man sich daheim zwei Rolltreppen einbauen lassen.
Volvo EX90: das Trutzfahrzeug
Beenden wir unsere kleinen Rollen-Wortspiele nun beim EX90 mit dem bekannten Hinweis, dass Volvo "Ich rolle" heißt. Wobei so ein Volvo noch nie so anrollte – oder aber: an den Erwartungen vorbei. Mag man sich bei einem Polestar die Abstrusitäten und Absonderlichkeiten der Bedienung noch als trendige Neuzeitlichkeit schöntasten, liegen sie hier weit von jener Bedienfertigkeit und Funktionalität entfernt, die Volvo immer ausgezeichnet hat. Nun treibt einen das Auto mit der Weigerung, sich per Schlüsselkarte zu entriegeln, schon draußen in die Verzweiflung, bevor das der Bedienung drinnen gelingen kann. Dort gilt es, tief verschachtelte Menüs aufzurufen, um dann Außenspiegel, Head-up-Display oder das Lenkrad mit den unbeschrifteten Steuerflächen ruckend und zuckend zurechtzupositionieren.

2.782 kg wiegt der EX90 leer – selbst in diesem hochgewichtigen Quartett 155, 175 und 263 kg mehr als Kia, Polestar und BMW. EX90 mit höchster Zuladung (608 kg). EV9 und iX mit bester Anhängelast (750/2.500 kg).
Der Antrieb, mit 380 kW und 910 Nm genauso pompös wie im Polestar, vermag ebenso zu überfordern – und zwar das Fahrwerk. Denn auch der Lenkung mangelt es recht grundsätzlich an Akkuratesse, Rückmeldung, Verlässlichkeit. So fährt der Volvo auf der Autobahn seltsam unstet, bei den Fahrsicherheitstests aber immerhin stabil. Zudem hetzt er nicht so zur Eile wie der 3 – schon wegen der erhabenen Sitzposition und der großen Zahl an Mitfahrern. Bis zu sieben Erwachsene bringt der EX90 auf separat klappbaren Einzelsitzen unter. Aus einem, Reihe zwei, Mitte, entspringt eine Sitzerhöhung. Die gibt es bei Volvo seit dem 940 von 1990, und in all der Neumoderei, die der EX90 nun für sich entdeckt hat, kann einem diese Tradition die 310 Euro extra wert sein. Auf die kommt es bei den Preisen (Testwagen: 120.340 Euro) und Kosten auch nicht an.

Auf derselben Plattform, wie der Polestar aufgebaut, hat auch der EX90 ein Kabelkabäuschen.
Für das viele Geld immerhin stattet Volvo den Wagen festlich aus, vor allem an Sicherheit von digitalem Pixel-Matrix-LED-Licht bis zur Assistenzabteilung mit dem 250 Meter weit reichenden Lidar-System vor dem Panorama-Glasdach. Stimmt, früher haben sich Volvo nicht so reich eingeräumt, dafür aber in einer trutzigen Solidität und Wertfülle, welche der EX90 mit seiner nur mehr oberflächlichen Galanterie verpasst.
Ansonsten verpasst er es noch, besser zu bremsen, vor allem aber, die großen Stärken aus Volvos stolzer 98-jähriger Geschichte wirklich überzeugend in die neue elektrische Ära zu transformieren. Und so rollt der EX90 hier nur auf die – Sie ahnen es – untere Stufe des Siegertreppchens.
| BMW iX xDrive45 | Kia EV9 AWD (99,8 kWh) GT-Line | Volvo EX90 Twin Performance AWD (6-Sitzer) Ultra | Polestar 3 Long Range Dual Motor Performance | |
| Außenmaße | 4953 x 1970 x 1695 mm | 5015 x 1980 x 1780 mm | 5037 x 1964 x 1744 mm | 4900 x 1968 x 1614 mm |
| Kofferraumvolumen | 500 bis 1750 l | 385 bis 2370 l | 324 bis 2082 l | 394 bis 1411 l |
| Höchstgeschwindigkeit | 200 km/h | 200 km/h | 180 km/h | 210 km/h |
| 0-100 km/h | 5,3 s | 5,3 s | 4,8 s | 4,6 s |
| Verbrauch | 0,0 kWh/100 km | 0,0 kWh/100 km | 0,0 kWh/100 km | 21,9 kWh/100 km |
| Testverbrauch | 24,1 kWh/100 km | 27,3 kWh/100 km | 27,0 kWh/100 km | 27,5 kWh/100 km |







