Audis Fahrplan zum WM-Titel: Wie die Ingolstädter die Formel 1 erobern wollen

Unter „Audi One“ zur Nummer eins
Das ist Audis Fahrplan zum WM-Titel

ArtikeldatumVeröffentlicht am 14.11.2025
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Drei Jahre lang war es nur Kopf-Kino. Da durften wir uns aus einem Sauber-Ferrari einen Audi denken. Am 12. November bekannte Audi erstmals Farbe. Das Projekt, das noch vor seiner Präsentation in München Mittelpunkt vieler Spekulationen war, bekam endlich ein Gesicht. Der Rahmen der Vorstellung ließ ahnen, wo die Reise hingeht. Audi denkt groß. Das lässt auch der ehrgeizige Projektname "Audi One" vermuten.

Die Vokalen "One" und "New" hatten an diesem Abend Konjunktur. Bevor die Bühne Audis erstem Formel 1-Auto gehörte, hatte die Firma noch eine Rückschau auf die eigene Motorsport-Historie gesetzt. Ehemalige Audi-Werksfahrer fuhren in den Museum-Schmuckstücken vor das Audi Brand Experience Center am Münchener Flughafen vor. Vom Auto Union 16-Zylinder bis zum Audi quattro S2, vom IMSA GTO bis zum Audi R10 TDI.

Und dann tauchte Audi aus dem selbst gewählten Untergrund auf. Die Führungsriege stellte in München das Konzept ihres Formel-1-Auftritts vor. Sogar Formel-1-Chef Stefano Domenicali gab sich die Ehre, um zu unterstreichen, wie wichtig ihm der Einstieg des deutschen Premium-Herstellers ist. "Wir haben eine Bühne geschaffen, die für Autokonzerne relevant ist. Audi hat uns klargemacht, was für sie technisch unverhandelbar war: Hybrid-Technologie, Energiemanagement und nachhaltiger Kraftstoff. Das deckte sich mit unseren eigenen Zielen."

Zugeständnisse an Audi

Audi ist nächstes Jahr nicht der einzige neue Hersteller, der die Formel 1 als Selbstdarstellungs-Plattform benutzt. Cadillac und Ford stoßen dazu, Honda kehrt zurück. Dazu die Platzhirsche Mercedes und Ferrari. Domenicali stellte zufrieden fest: "Wir haben nächstes Jahr mehr Hersteller in der Formel 1 als es je der Fall war. Und das in turbulenten Zeiten für die Autoindustrie. Es gäbe viele gute Gründe, es nicht zu machen. Aber wir bieten für die Autokonzerne ein relevantes Produkt und für die Zuschauer ein attraktives Paket an. Das ist unser Erfolgsrezept."

Diese Chance erkennt auch Audi-Vorstandschef Gernot Döllner. Er zählte die fünf Gründe auf, warum sich der Ingolstädter Konzern überhaupt auf das Abenteuer eingelassen hat und warum er glaubt davon profitieren zu können. Die globale Sportplattform, Vorsprung durch Technik als eigener Anspruch, der Budgetdeckel als Kostenbremse, perfektes Timing mit einem neuen Reglement als Neustart für alle und die Formel 1 als Testlabor für Mensch und Maschine.

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Farbideologie mit hartem Schnitt

Audis Zukunft kam als Show Car daher. Wie schon vor der letzten großen Regelreform 2022 stellt die Formel 1 den Teams Autos bereit, die das nächste Reglement abbilden, um so dem Betrachter einen Vorgeschmack zu geben, was ihn erwartet. Die Teams dürfen diese Ausstellungsstücke dann in ihren Farben lackieren.

Bei dem in München präsentierten Auto handelt es sich um die Version "Fangio V13", was dem vorletzten Stand des Reglements für 2026 entspricht. Audi-Projektleiter Mattia Binotto warnte davor, das Modell schon als den neuen Audi R26 zu verkaufen: "Die grobe Geometrie der einzelnen Legalitäts-Boxen stimmt, aber unser 2026er-Auto wird sich deutlich von dem unterscheiden, was da auf der Bühne stand."

Echt dagegen war die Lackierung. Vorne Titan-Silber, hinten das neue grelle Audi-Rot und die schwarze Carbon-Haut. Viele fanden den vertikalen Farbwechsel als zu abrupt, hätten sich lieber einen fließenden Übergang gewünscht, weil so der Eindruck entstehen kann, dass es sich nur um ein halb lackiertes Auto handelt. Der harte Schnitt, wurden wir von den Designern belehrt, stehe bewusst im Kontrast zu den fließenden Linien des Autos.

Audi R26 - Formel-1-Concept - 2025 - Vorstellung
Alexandra Beier via Getty Images

Zwei Silberpfeile aus Deutschland

Es dürfte Mercedes nicht allzu sehr stören, dass ab nächstem Jahr ein zweiter Silberpfeil in der Startaufstellung stehen wird. Das war in den Vorkriegsjahren auch schon so und ist deshalb historisch korrekt. Audis neuen Farben sind Ausdruck eines Neuanfangs, den die Marke unter dem Slogan "Radical new" auch für ihre Serienprodukte verkauft. Das Formel-1-Projekt ist dabei Teil von etwas Größerem, das die ganze Firma infizieren soll. Döllner umschreibt es mit den Worten schneller, schlanker, effizienter umschreiben.

Es war ein Abend der Schlagworte, mit denen Audi für sein bislang mutigstes Motorsport-Engagement warb. Die Verantwortlichen kamen ohne Umschweife zur Sache und sprachen Klartext. Da war viel von Perfektion, Präzision, Teamwork und Mindset die Rede. Alle in Neustadt, Hinwil und der neuen Außenstelle Bicester sollen als "One Team" zusammenwachsen und die DNA der Sieger verinnerlichen.

Vorstandschef Gernot Döllner lebte das in seiner knappen Eröffnungsrede vor. Er begann sie 115 Tage, neun Stunden, 15 Minuten und 18 Sekunden vor dem Saisonstart 2026 in Melbourne. Und er war nur 6:33 Minuten später wieder fertig. Döllner hat dieses Projekt zwar von seinen Vorgängern geerbt, jetzt aber schätzen gelernt. So ist derzeit seine größte Sorge fast banal. "Ich hoffe, dass es mir mein Terminkalender erlaubt, nächstes Jahr in Melbourne vor Ort zu sein."

Jonathan Wheatley - Mattia Binotto - Sauber - GP Österreich 2025 - Spielberg - Formel 1
Andy Hone via Getty Images

Druck kommt von den Ambitionen

Formel-1-Projektleiter Mattia Binotto und Teamchef Jonathan Wheatley passten sich dem forschen Auftritt an. Sie kamen von Teams, die seit einer Ewigkeit an der Spitze fahren und wissen, was Audi braucht, um einmal dorthin zu kommen. Bedenken vor der Größe der Aufgabe sind verboten. Wheatley beteuert: "Wir machen uns keine Sorgen. Uns werden jeden Tag neue Aufgaben gestellt, und wir versuchen, sie zu lösen. Dieses Team ist schon in diesem Jahr an der Aufgabe gewachsen. Vor einem Jahr wären wir nicht in der Lage gewesen, das Unfallauto von Bortoleto in Brasilien so schnell wieder aufzubauen. Das hat nichts mit besserer Technik zu tun, sondern mit den Menschen."

Mattia Binotto skizziert einen klaren Dreistufen-Plan: "In den ersten zwei Jahren sind wir Herausforderer, mit dem Ziel zu wachsen. Dann ein Wettbewerber mit ersten Erfolgen, und ab 2030 wollen wir Titel gewinnen. Druck kommt von Ambitionen. Wir wissen, wie schwierig es ist, wie lange es dauert. Deshalb lassen wir Fehler zu. Nur so können wir lernen."

Der Aufbruchstimmung schließen sich auch die Fahrer an. Nico Hülkenberg spürt, dass hier etwas Besonderes entsteht: "Der Einstieg von Audi in die Königsklasse ist ein echtes Statement und für mich als Deutscher auch ein Privileg, so eine große Marke repräsentieren zu dürfen." Gabriel Bortoleto verbindet mit Audi Brasiliens Renngott Ayrton Senna. Der dreimalige Weltmeister war vor über 30 Jahren Audi-Markenbotschafter. "Teil von Audi zu sein, ist für mich wie ein wahr gewordener Traum."

Audi R26 - Formel-1-Concept - 2025 - Vorstellung
Alexandra Beier via Getty Images

Der echte R26 kommt im Januar

2026 steht für Audi erst einmal eine Saison der Fragezeichen vor der Tür. Der Reset für alle, wie es Hülkenberg ausdrückt, ist Chance und Risiko zugleich. Für Binotto gibt es keinerlei Anhaltspunkte, wo man steht: "Normalerweise richten sich deine Ziele am Vorjahresauto. Das geht diesmal nicht. Wir hören von der Konkurrenz nur Gerüchte über PS-Zahlen des Verbrenners, wissen aber nicht wie belastbar die sind. Dann schwirren noch ein paar Aussagen durch den Raum, um wie viel besser einzelne Autos als das aktuelle Fangio V12-Modell der FIA sein sollen. Wir hören von vier bis sechs Sekunden. Auch das ist alles sehr vage."

Gernot Döllner lässt keinen Zweifel offen, was er von seinen Frontkämpfern erwartet: "Audi ist nicht dabei, nur um dabei zu sein. Egal in welcher Rennserie wir angetreten sind, wir hatten Erfolg. Wir wollen auch diesmal wieder Technologieführer werden. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder du machst es richtig oder gar nicht."

Vorsprung durch Technik heißt, so der ranghöchste Audi-Mitarbeiter, nicht unbedingt ein spektakuläres Detail wie einst der Vierradantrieb oder der Diesel-Direkteinspritzer. "Es reicht, wenn wir das Reglement besser interpretieren als andere."

Und wie geht es weiter? Im Januar wird Audi den echten, neuen R26 präsentieren. Und so fährt er auch beim ersten Test in Barcelona. Im Audi-Look, statt in Tarnfarben.

Fazit