Nach schwierigen Trainingssessions sah es für Charles Leclerc im Rennen von Zandvoort lange nach erfolgreicher Schadensbegrenzung aus. Der Monegasse hatte sich dabei einige heiße Duelle mit George Russell geliefert. Gleich zwei Mal schaffte es der 27-Jährige vorbei am Silberpfeil – erst in der Startrunde in Kurve 3, dann noch einmal mit einem kompromisslosen Manöver in Runde 31 in Kurve 12.
Ein unglückliches Boxenstopp-Timing hatte zwischendurch dafür gesorgt, dass sich Russell wieder vor den Ferrari schieben konnte. Beim zweiten Duell kam es dann jedoch zum Kontakt, bei dem der Mercedes-Akteur den Kürzeren zog. Mit angeschlagener Technik wurde Russell im Rückspiegel des Ferrari immer kleiner. Es sah alles danach aus, als würde Leclerc locker hinter Hadjar ins Ziel rollen und fette Punkte einfahren.
Doch dann brachten die Ferrari-Strategen unnötigerweise Würze ins Spiel. Nach den erwähnten Problemen von Russell hatte Mercedes seinen Youngster per Stallregie am Teamkapitän vorbeigelotst. In Runde 51 versuchte der Italiener dann per Undercut auch noch Leclerc zu attackieren. Der Ferrari-Kommandostand reagierte sofort und rief den Piloten zum zweiten Stopp.
Unnötige Reaktion auf Undercut
Eine kleine Verzögerung beim Reifenwechsel gab Antonelli die Chance zum Angriff in der dritten Kurve. Doch der Rookie verschätzte sich bei seinem Manöver und traf den Ferrari heftig am linken Hinterrad. Leclerc musste seinen beschädigten Ferrari direkt am Unfallort abstellen. Antonelli humpelte zurück an die Box und konnte die Fahrt nach einem weiteren Reifenwechsel fortsetzen.
Für die fehlgeschlagene Attacke gab es eine Zehn-Sekundenstrafe und viel Kritik. Sky-Experte Jacques Villeneuve fand deutliche Worte: "Das war schwach. So was sieht man vielleicht von einem unerfahrenen Piloten in der Formel 4 oder Formel 3. Das hat er einfach nicht gut berechnet. Das hätte er nicht machen sollen. Und dann war er auch noch in der Boxengasse zu schnell. Vielleicht ist die Formel 1 etwas zu viel für ihn."
Leclerc konnte sich nichts dafür kaufen, dass Antonelli durch seine Strafen am Ende komplett aus den Punkten fiel. Mehr als über seinen Unfallgegner ärgerte er sich aber über die Strategie. Nach Ansicht des Piloten wäre der zweite Stopp gar nicht notwendig gewesen. Die Reaktion auf den Undercut-Versuch hätte sich Ferrari also sparen können. Leclerc wäre mit dem harten Reifen locker bis ins Ziel gekommen.

Kimi Antonelli bugsierte Leclerc unsanft in die Bande. Es war der zweite Nuller in den letzten vier Rennen.
Leclerc-Frust in den Dünen
Statt direkt ins Fahrerlager zurückzukehren, setzte sich der gefrustete Scuderia-Pilot in die Dünen, von wo er den Rest des Rennens verfolgte. Als sein Auto schon längst geborgen war, fingen die TV-Kameras eine etwas kuriose Szene ein. Man konnte gut erkennen, wie Leclerc auf seinem unfreiwilligen Zuschauerplatz plötzlich mit einem Handy herumhantierte.
Formel-1-Piloten dürfen natürlich während der Fahrt keine Mobiltelefone mitnehmen. Die Frage lautete also, woher das Gerät plötzlich auftauchte. Mit einem Tag Abstand sorgte Ferrari für die Auflösung. Es war ein befreundeter Fotograf, der dem Fahrer in der misslichen Situation aushalf. Nicht überliefert ist allerdings, wen Leclerc so dringend aus den Dünen anrufen wollte und wo er die Nummer herhatte.
Nach der Rückkehr ins Fahrerlager wartete dann noch eine Anhörung bei den FIA-Stewards auf den Ferrari-Piloten. Die Schiedsrichter schauten sich das zweite Duell mit Russell noch einmal ganz genau an. Weil man Leclerc nicht nachweisen konnte, dass er bei dem Manöver die Strecke verlassen hatte, verzichteten die Kommissare auf eine Strafe für das nächste Rennen in Monza. Das wäre wohl auch etwas zu viel des Guten gewesen.












