Auswertung der Longrun-Zeiten: Deshalb braucht Verstappen jetzt ein Wunder

Rückstand bei Longrun-Zeiten
Verstappen braucht jetzt ein Wunder

GP Abu Dhabi 2025
ArtikeldatumVeröffentlicht am 05.12.2025
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Wenn der Freitag (5.12.) ein Maßstab war, dann geht McLaren als haushoher Favorit in das WM-Finale. Und Lando Norris mit klar besseren Karten als Oscar Piastri. Der Australier musste das erste Training auslassen und sucht noch den schnellsten Weg um die Strecke. Doch Max Verstappen darf man nie abschreiben. Red Bull hat in dieser Saison schon oft das Wunder geschafft und sein Auto noch in das richtige Fenster gebracht.

Momentan fehlen Verstappen zwischen drei und vier Zehntel auf Norris. Er klagt über Bouncing und Untersteuern. Im Longrun sieht es etwas weniger dramatisch aus. Verstappen legte die doppelte Distanz von Norris zurück. Das drückt natürlich auf die Rundenzeit.

Viele Teams wurden durch überraschend viel Graining am rechten Vorderreifen überrascht. Deshalb rückt plötzlich auch wieder ein Zweistopp-Rennen ins Blickfeld. Aber auch da hat McLaren die besten Karten. Nur Norris, Piastri und Fernando Alonso haben sich zwei Sätze harte Reifen aufgehoben.

Mercedes und Ferrari machen im Moment nicht den Eindruck, als könnten sie in den Titelkampf störend eingreifen. Im Mittelfeld liefern sich Haas und Sauber ein enges Rennen um die Vorherrschaft. Oliver Bearman war besser auf eine schnelle Runde, die Sauber-Piloten im Longrun.

Lando Norris - Formel 1 - GP Abu Dhabi 2025
Zak Mauger via Getty Images

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Ist McLaren nur auf dem Papier Favorit?

McLaren versucht, das Rennen des Jahres als "Business as Usual" zu verkaufen. "Ist es natürlich nicht", gibt selbst Teamchef Zak Brown zu. Im ersten Training musste Oscar Piastri für Rookie Patricio O'Ward pausieren. Deshalb kam der Australier nur mühsam in Schwung.

Lando Norris dagegen löste mit einer klaren Bestzeit seine Vorschusslorbeeren ein. McLaren galt schon nach dem Vorjahresergebnis als Favorit. Die beiden Papaya-Renner gingen 2024 aus der ersten Startreihe ins Rennen. Und Norris gewann mit sechs Sekunden Vorsprung auf Carlos Sainz im Ferrari. Max Verstappen hatte inklusive Zeitstrafe 50 Sekunden Rückstand.

Red Bull-Technikchef Pierre Waché sieht McLaren auch wegen des Streckenlayouts im Vorteil: "Es gibt hier im Gegensatz zu Katar mehr mittelschnelle Kurven. Das ist die Stärke der McLaren." Lando Norris drehte wie zum Beweis mit 1.23,083 Minuten die schnellste Runde des Tages. Oscar Piastri fehlten sechs Zehntel auf den Teamkollegen. Der Australier musste im ersten Versuch Slalom durch den Verkehr fahren. Im zweiten auf schon angefahrenen Softs verbremste er sich.

"Oscar ist stärker als es der elfte Platz vermuten lässt", hieß es im Team. Der Australier sieht bei der Fahrzeugbalance noch Verbesserungsbedarf. Ihm fehlen im Vergleich zu Norris 28 Trainingsrunden. Hinderlich war auch, dass die Strecke überraschend wenig Grip aufwies. Mit mehr Gummi auf der Straße sollte auch Piastri besser in Schwung kommen.

Max Verstappen - Formel 1 - GP Abu Dhabi 2025
Mark Sutton via Getty Images

Kann Verstappen die McLaren schlagen?

Red Bull muss wieder mal über Nacht ein Wunder schaffen. So wird Max Verstappen nicht Weltmeister. "Wir sind weder auf eine Runde noch im Longrun konkurrenzfähig", bilanziert Sportchef Helmut Marko den ersten Trainingstag. In den schnellen Kurven am Anfang der Runde klagte Verstappen über Bouncing, im dritten Sektor über massives Untersteuern. Etwas, was er gar nicht mag. Der Titelverteidiger ist mit seinen Problemen nicht allein. Viele Fahrer rapportierten Graining an den Reifen rechts vorne. Doch das ist kein Trost, wenn McLaren offenbar keine Probleme hat.

Der Yas Marina Circuit zählt zu den Strecken, auf denen man mit der Fahrzeugabstimmung leicht danebenliegen kann. Technikchef Pierre Waché erklärt, warum das Setup nur ein Kompromiss sein kann: "Auf eine Runde ist es schwierig, Grip auf der Vorderachse zu finden. Über die Distanz musst du die Hinterreifen schonen." Im Moment fehlen Verstappen noch 0,363 Sekunden auf seinen WM-Gegner. Das ist eine Menge Holz. Die Red Bull haben ihre Autos wie Ferrari auf guten Topspeed getrimmt. Dafür büßen sie im Vergleich zu McLaren in den Kurven.

Im Longrun steht Verstappen etwas besser da. Der Niederländer verlor zwar im Schnitt vier Zehntel auf Norris, doch er drehte auch 15 Runden auf den Medium. Norris brach den Dauerlauf schon nach acht Runden ab. Yuki Tsunoda wird Verstappen nicht helfen können. Der Japaner landete nur auf Platz 17, neun Zehntel hinter seinem Teamkapitän. Schützenhilfe könnte höchstens von Isack Hadjar kommen, der die siebtschnellste Zeit auf die Bahn legte.

Kimi Antonelli - Formel 1 - GP Abu Dhabi 2025
Guido de Bortoli via Getty Images

Kann sich Mercedes ins WM-Duell einmischen?

George Russell hält sich im Dunstkreis der McLaren und der Red Bull. Er kann im Moment aber eher Verstappen in die Suppe spucken als Norris. Der Mercedes-Pilot war auf eine Runde praktisch gleich schnell wie der Titelverteidiger. Dafür ging in der Rennsimulation nicht viel. George Russell lieferte nach zehn Runden einen rechten Vorderreifen mit minimaler Gummiauflage ab.

Gleichzeitig hatten die Mercedes-Piloten alle Hände voll zu tun die Hinterreifen im Temperaturfenster zu halten. Wie Verstappen klagten auch Russell und Andrea Kimi Antonelli über Hochgeschwindigkeits-Bouncing. Chefingenieur Andrew Shovlin versprach noch einige Setup-Änderungen für den Samstag und hofft: "Je mehr Gummi auf die Fahrbahn kommt, desto geringer wird das Körnen."

Charles Leclerc - Formel 1 - GP Abu Dhabi 2025
Sam Bagnall via Getty Images

Warum läuft es bei Ferrari wieder besser?

Nach dem dritten Platz von Charles Leclerc im ersten Training entspannten sich die Gesichter in der Ferrari-Garage zunächst einmal. Man war zurück in der Normalität. Pirelli verordnete im Gegensatz zu Katar mit 23,5 und 21,5 PSI wieder normale Reifendrücke. Doch Teamchef Frédéric Vasseur will die Ballonreifen von Pirelli beim letzten Rennen nicht als Ausrede gelten lassen. "Es ist unsere Aufgabe, auf jede Herausforderung eine Antwort zu finden." Kann Ferrari in den Titelkampf eingreifen? "Das wird schwer", befürchtet Vasseur.

In den Abendstunden ging es für Ferrari wieder rückwärts. Im gleichen Takt verdüsterte sich der Gesichtsausdruck der Ferrari-Leute. Leclerc fehlte über eine Runde eine halbe Sekunde auf den Tagesbesten Norris. Im Longrun war er langsamer als die Williams und die Sauber. Lewis Hamilton tauchte auf Platz 14 ab und fand sich immer wieder in den großzügigen Auslaufzonen der Strecke wieder. "Da liegt noch viel Arbeit für uns", kündigte der Rekordsieger an, der unter allen Umständen vermeiden will, wieder im Q1 auszuscheiden.

Gabriel Bortoleto - Formel 1 - GP Abu Dhabi 2025
Guido de Bortoli via Getty Images

Wer hat die besten Karten im Kampf um Platz 7?

Im Moment macht Haas die beste Figur im Mittelfeld. Aber nur mit einem Fahrer. Während Oliver Bearman auf dem vierten Platz rangiert, kam Esteban Ocon nicht über Platz 16 hinaus. "Egal, was ich tue, mir fehlt eine halbe Sekunde", verzweifelte der Franzose. Fünf Stellen, an denen die Traktion gefragt ist, helfen Haas. Sauber trat dagegen mit Nico Hülkenberg und Gabriel Bortoleto auf den Plätzen 5 und 6 geschlossen auf. Und sie waren auch in den Longruns stabiler. "Wir brauchen nur noch Feintuning", bestätigte Hülkenberg den guten Gesamteindruck.

Aston Martin hinterließ den schlechtesten Eindruck der drei Teams. Fernando Alonso schaffte es gerade so in die Top Ten. Im Dauerlauf war er langsamer als die direkten Konkurrenten im Kampf um Platz 7 in der Teamwertung. Alonso ist neben den McLaren-Piloten jedoch der einzige Fahrer, der sich zwei Sätze harte Reifen aufgehoben hat. Und das könnte am Sonntag ein Matchwinner werden.

Liam Lawson - Formel 1 - GP Abu Dhabi 2025
Peter Fox via Getty Images

Kann die Taktik den Titelkampf entscheiden?

Ein oder zwei Stopps? Im letzten Jahr haben sich nur sechs Fahrer für zwei Boxenstopps entschieden. Kann die Taktik am Sonntag eine Rolle spielen? Die Topteams gingen mit der Erwartung eines Einstopp-Rennens mit den Mischungen Medium und Hart in das Wochenende. Doch das könnte sich ändern. "Im Moment steuern wir eher auf ein Zweistopp-Rennen zu", verrät Toro-Rosso-Teamchef Alan Permane.

Pirelli und die Teams wurden vom starken Graining des rechten Vorderreifens überrascht. "Die Strecke bot unerwartet wenig Grip", erklärte Pirelli-Sportchef Mario Isola. Mehr Körnen bedeutet mehr Abnutzung. Das bringt einige Teams noch an ihre Grenzen. Deshalb wird das Zweistopp-Rennen zur Option. "Zu Beginn hielten sich ein und zwei Stopps in Bezug auf die Rennzeit ungefähr die Waage. Jetzt sieht es so aus, als wäre ein Zweistopp-Rennen schneller."

Isola bestätigt, dass der harte Reifen die bevorzugte Option sein wird. Nur Norris, Piastri und Alonso haben ihn bis jetzt noch nicht angefasst. Wozu braucht man zwei Garnituren der harten Reifen am Sonntag? Nur wenn man zwei Reifenwechsel als Option ins Auge fasst.