Warum ließ McLaren die Autos in der SC-Phase draußen?
Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur konnte nach dem Rennen nur ungläubig mit dem Kopf schütteln: "Wir haben im Strategie-Meeting vor dem Rennen gesagt, dass ein Safety-Car in der siebten Runde der Worst Case wäre. Und dann kommt es genau in Runde sieben." Auslöser für die Neutralisation war eine Kollision zwischen Nico Hülkenberg und Pierre Gasly. Beim Angriff des Rheinländers verhakte sich sein rechtes Hinterrad mit dem linken Vorderrad des Alpine. Dabei zog der Sauber den Kürzeren und blieb auf der Strecke.
Das Timing des Safety-Cars war deshalb so unglücklich, weil es allen Piloten die erstbeste Möglichkeit zum Boxenstopp ohne Zeitverlust gab. Die Restdistanz betrug genau 50 Runden, was sich perfekt in zwei Stints über das maximal erlaubte Reifenlimit von 25 Umläufen teilen ließ. Als Bernd Mayländer mit seinem Aston Martin rausgeschickt wurde, war die Befürchtung groß, dass alle Teams das Geschenk annehmen, was wohl zu einem furchtbar langweiligen Rennen auf dem überholfeindlichen Wüstenkurs geführt hätte. Doch McLaren schlug die Einladung aus.
"Wir hatten Angst, nach dem Boxenstopp in den Verkehr zurückzufallen. Aber alle anderen Teams hatten eine andere Meinung und sind zum Reifenwechsel abgebogen", erklärte Andrea Stella den Gedanken hinter der Taktik. "Weil Verstappen so stark und der Reifenverschleiß so niedrig war, haben wir uns damit selbst ins Knie geschossen. Wir haben einem schnellen Gegner einen Boxenstopp Vorsprung gegeben. Oscar hatte bis dahin alles unter Kontrolle und er hätte den Sieg verdient gehabt. Und mit Lando haben wir dadurch ein Podium verloren."

Die beiden McLaren blieben während der Safety-Car-Phase als einzige draußen.
Auch die teaminternen Fairness-Regeln spielten in die Entscheidung mit rein. Bei einem Abstand von 4,3 Sekunden zwischen den beiden Autos wäre ein Doppelstopp zwar möglich gewesen. Die Position von McLaren ganz am Anfang der Boxengasse hätte Norris aber eventuell benachteiligen können, wenn die Freigabe durch die dichte Kolonne gestockt hätte. "Das war Teil der Überlegungen. Aber es war nicht der Hauptgrund, warum wir nicht mit beiden Autos gestoppt haben", stellte Stella klar.
Nach der Disqualifikation von Las Vegas ließ McLaren seine Fahrer damit schon wieder im Stich. Der Teamchef betonte, dass die beiden Fälle nicht vergleichbar seien. Man werde aber aus den Fehlern lernen und stärker zurückkommen. Beim Finale in Abu Dhabi werde man wie eine Einheit auftreten.
Red-Bull-Teamchef Laurent Mekies glaubt, dass die Papaya-Konkurrenz langsam Nerven zeigt: "Wenn man Max zum Gegner hat, dann weiß man, dass er keine Fehler macht. Am Start, in Kurve 1, beim Reifenmanagement – es holt immer alles raus. Das erhöht natürlich den Druck. Dazu scheut sich unser Team nicht, mutige Entscheidungen zu treffen. Auch wenn mal etwas nicht klappt, gehen wir weiter volles Risiko. Es ist ganz natürlich, dass das einen psychologischen Effekt haben kann."

Kimi Antonelli konnte Norris nur bis zur vorletzten Runde hinter sich halten. Dann unterlief dem Italiener ein kleiner Fehler.
Hat Kimi Antonelli McLaren geholfen?
Im Siegesjubel sorgte eine Szene bei Red Bull für Verstimmung. In der vorletzten Runde gelang es Norris noch, Antonelli zu überholen, was ihm zwei zusätzliche Punkte einbrachte. Sportchef Helmut Marko grantelte an den TV-Mikrofonen, dass der Italiener den McLaren praktisch vorbeigewunken hatte. Ein ähnlicher Funkspruch von Verstappen-Ingenieur Gianpiero "GP" Lambiase an seinen Schützling löste einen kleinen Shitstorm gegen den Silberpfeil-Rookie in den sozialen Kanälen aus.
Mercedes-Teamchef Toto Wolff reagierte angesäuert auf die Vorwürfe: "Das ist wirklich kompletter Blödsinn. Wir kämpfen noch um den zweiten Platz in der Meisterschaft. Für Kimi geht es um ein mögliches Podium. Wie hirnlos muss man sein, so etwas überhaupt zu sagen? Warum sollten wir so etwas machen? Da sieht einer Gespenster. Ich habe nach dem Rennen mit GP gesprochen. Da haben wir die Sache ausgeräumt. Er hat mir gesagt, dass er die Situation gar nicht richtig gesehen hat. Und er hat sich entschuldigt für die Reaktionen, die er damit ausgelöst hat."
In der Onboard-Kamera von Norris war zu erkennen, dass der vorausfahrende Antonelli beim Beschleunigen aus Kurve 9 etwas das Heck verliert und neben die Strecke rutscht. Das öffnete die Tür für seinen Verfolger. Marko ärgerte aber nicht nur die Situation mit Norris, sondern auch ein sehr leichtes Überholmanöver von Piastri an Antonelli nach dem ersten Boxenstopp: "Wenn er zwei Mal so zur Seite fährt, dann kann man das doch erwähnen, oder?", fragte der Österreicher in die Runde. Die Aussagen von Wolff nahm der Grazer locker: "Das kann ich gerne kontern. Man muss sich die Szenen ja einfach nur mal anschauen."

Esteban Ocon hätte Verstappen das Leben schwer machen können, wenn die Fehlstart-Strafe nicht gewesen wäre.
Hätte Haas McLaren helfen können?
Auf den ersten Blick sah es so aus, als wäre McLaren das einzige Team gewesen, das seine Fahrer in der Safety-Car-Phase auf der Strecke ließ. Es gab aber noch ein weiteres Auto, das diese Taktik verfolgte: "Wir wollten Esteban freie Fahrt geben, weil er hinten im Verkehr steckte", verriet Haas-Teamchef Ayao Komatsu. "Erst die Strafe für seinen Fehlstart hat dazu geführt, dass wir ihn doch noch in der zweiten Runde hinter dem Safety-Car reingeholt haben."
Ocon war ganz leicht angerollt, als die Lichter der Startampel ausgingen. Dafür setzte es fünf Strafsekunden, die der Franzose beim ersten Stopp absitzen konnte. Komatsu konnte die Entscheidung nicht nachvollziehen: "Auf der Onboard-Aufnahme lässt sich höchstens eine winzige Bewegung erkennen. Die Strafe finde ich nicht richtig. Der Fahrer hat es gar nicht gespürt und war komplett überrascht. Es war keine Absicht und es hat auch keinen Vorteil gebracht. Wir werden darüber noch einmal mit der FIA sprechen. Da müsste es eine höhere Toleranz geben."
Hätte es die Strafe nicht gegeben, wäre Ocon beim Restart im Sandwich zwischen Norris und Verstappen gelandet. Die McLaren wären dann sicher vorne weggefahren. Aber Komatsu vermutet, dass der Red Bull seinen Piloten nicht so leicht passiert hätte. Die kurze DRS-Zone und die Auswirkungen der Dirty-Air in den vielen schnellen Kurven sorgten in Katar praktisch für ein Überholverbot. Ocon als Störenfried hätte für etwas Würze sorgen können. Er ist nicht als der beste Freund von Verstappen bekannt und hätte dem Weltmeister das Leben sicher so schwer wie möglich gemacht.
Auch Ollie Bearman im zweiten Haas erlebte keinen erfolgreichen Nachmittag. Der Brite lag auf Rang zehn, als es beim zweiten Stopp zu einem verhängnisvollen Fehler kam. Weil fast das ganze Feld in Runde 32 gleichzeitig abbog, versuchte der Haas-Mann an der Boxen-Ampel das Auto so früh wie möglich loszuschicken. Doch leider war das linke Hinterrad noch nicht komplett montiert, als der Knopf zur manuellen Freigabe gedrückt wurde. Komatsu nahm seinen Mitarbeiter wegen der extremen Stresssituation in Schutz. Solche Fehler können passieren.

Ferrari sammelte in Sprint und Rennen nur vier WM-Punkte.
Warum kam Ferrari in Katar nicht auf Touren?
In den letzten Rennen ging es für Ferrari rauf und runter – mal gut für Podiumsplätze, mal nur vierte Kraft. Doch in Katar kämpften Lewis Hamilton und Charles Leclerc komplett auf verlorenem Posten. Im Sprint lieferte die Scuderia eine peinliche Nullnummer ab. Im Rennen sammelte Leclerc auf Rang acht magere vier Pünktchen, die im Kampf der Konstrukteure gegen Mercedes und Red Bull auch nicht viel weiterhelfen.
"Wir haben einfach kein gutes Setup gefunden", entschuldigte sich Vasseur bei den Tifosi. "Das hatte wohl auch etwas mit den hohen Reifendrücken zu tun, die vorgeschrieben waren. Von der ersten Runde hier in Katar waren wir in einer schwierigen Situation." Dazu kämpften die Fahrer im Freitagstraining auch noch mit einer falschen Einstellung der Servolenkung: "Das hat das Setup-Problem wohl noch etwas überdeckt", ärgerte sich der Franzose.
Vasseur berichtet, wie seine Ingenieure versucht haben, das Ruder am Samstag noch einmal rumzureißen. "Wir haben das Auto vor dem Qualifying komplett umgebaut. Es wurde dann auch etwas besser. Aber da war nicht mehr viel zu machen, wenn die anderen nur noch Feintuning betreiben mussten. Die engen Abstände im Qualifying haben uns nicht geholfen. Und durch den geringen Reifenverschleiß, ging es auch im Rennen nicht mehr nach vorne."












