Dürfen wir Sie noch einmal auf eine Reise zurück zum Grand Prix von Aserbaidschan mitnehmen? Liam Lawson hatte seinen Toro Rosso im Qualifying sensationell auf den dritten Startplatz gestellt. Da war dem Neuseeländer wohl schon klar, dass ihm im Rennen eine Verteidigungsschlacht bevorstehen würde.
Durch das Streckenlayout mit der 2,2 Kilometer langen Vollgaspassage im letzten Sektor sprach vieles dagegen, dass der Youngster seine Position dauerhaft halten kann. Doch dann erwies sich Lawson für seine Verfolger doch als eine härtere Nuss. Am Ende schafften es nur die beiden Mercedes vorbei an dem weißen Honda-Renner. Mit dem fünften Platz feierte der Kiwi seine beste Formel-1-Platzierung.
Später erklärte Lawson, wie er dem Dauerdruck seiner Gegner standhalten konnte: "Ich musste während des Rennens erst einmal lernen, wie ich die schnellen Autos hinter mir halten kann, wie ich die Reifen managen und meine Energie richtig einsetzen muss. Dabei war es besonders wichtig sicherzustellen, dass ich immer einen starken dritten Sektor habe und ausreichend Energie für die lange Gerade übrig ist."
Viel Arbeit am Lenkrad
Die Fahrer haben die Möglichkeit, das einprogrammierte Energiemanagement am Lenkrad zu überstimmen und auf Knopfdruck maximale Power abzurufen. Genauso lässt sich die Batterie dann auch manuell in den Passagen laden, wo es dem Piloten am besten passt. Normalerweise ist die Software auf die effizienteste Ladestrategie abgestimmt, sodass am Ende die schnellste Rundenzeit herauskommt.
Doch im Fall von Lawson ging es nicht vorrangig um schnelle Runden, sondern darum, den Gegnern keine Angriffsmöglichkeit zu bieten. "Dort, wo sie mich nicht überholen konnten, habe ich geladen. Dort, wo es nötig war, habe ich die Energie dann abgerufen. Dazu musste ich noch auf die Reifentemperaturen aufpassen, um gut aus der letzten Kurve zu kommen. So ging das dann 30 Runden lang", erinnert sich der 23-Jährige.
Die Verfolger versuchten ihrerseits, die Hybrid-Energie an verschiedenen Stellen einzusetzen, um Lawson aus der Reserve zu locken. Doch der Rookie reagierte clever und abgebrüht: "Über die normalen Rückspiegel ist es schwer, den Abstand nach hinten genau einzuschätzen. Aber zum Glück haben wir noch den virtuellen Rückspiegel, auf dem ich sehen kann, wie weit das Auto hinter mir entfernt ist."

Liam Lawson hatte in Baku praktisch ständig schnelle Autos im Nacken.
Live-Timing auf dem Lenkrad-Display
Virtueller Rückspiegel? Davon haben die meisten Fans wahrscheinlich noch nie etwas gehört. Also haben wir bei Toro-Rosso-Teamchef Alan Permane nachgefragt, was es damit auf sich hat: "Der Fahrer kann sich auf dem Lenkrad-Display anzeigen lassen, wer hinter ihm fährt. Das wird dann als Namenskürzel oder Startnummer angezeigt. Und er sieht, wie groß der Abstand gerade ist. Die Zeiten werden in jedem Mini-Sektor aktualisiert, quasi wie bei einem Live-Timing."
Laut Permane gibt es das System schon länger in der Formel 1. Die meisten Hobby-Rennfahrer werden es von der Playstation kennen, dass die Abstände der direkten Gegner irgendwo auf dem Bildschirm angezeigt werden. Der Formel-1-Fahrer hat jedoch keinen großen Bildschirm, sondern nur ein 4,3 Zoll kleines Display (9,6 x 5,5 Zentimeter) auf dem Lenkrad, das sich während der Fahrt auch noch bewegt.
Trotzdem wurde der virtuelle Rückspiegel für Lawson zu einem wichtigen Tool: "Wenn ich gesehen habe, dass der Vorsprung nach Kurve 16 nur noch sieben Zehntel beträgt, dann wusste ich, dass ich bis Kurve 1 meine komplette Energie abrufen muss. Bei mehr als acht Zehnteln Vorsprung konnte ich am Ende der Geraden noch etwas laden, weil das Auto hinter mir nicht nah genug dran war."












