Verstappen gibt Norris die Schuld: Wird das Titelrennen zum Psycho-Krieg?

Verstappen gibt Norris die Schuld
Wird das Titelrennen zum Psycho-Krieg?

GP Singapur 2025
ArtikeldatumVeröffentlicht am 04.10.2025
Als Favorit speichern

Noch hat Max Verstappen in der Weltmeisterschaft nur eine Außenseiterchance. Doch 69 Punkte Rückstand auf Oscar Piastri und 44 Zähler auf Lando Norris sind nur scheinbar ein Ruhekissen für die Rivalen. Weil Verstappen die letzten beiden Rennen gewonnen hat. Weil er seit der Sommerpause der erfolgreichste Fahrer ist. Und weil sein Red Bull ein besseres Auto geworden ist. Auch in Singapur.

Jetzt kommt die Psychologie ins Spiel. McLaren ist klar, dass Verstappen nichts und seine Fahrer alles zu verlieren haben. Man merkt langsam, dass die technische Überlegenheit schwindet, und das auch auf Streckentypen, die bislang das Revier der Papaya-Renner waren. Man weiß, dass dieser Verstappen jede Chance nutzt, die sich ihm bietet. Und man hat sich mit seinem Fairness-Schwur den Klotz ans Bein gebunden, so dass sich Piastri und Norris die Punkte gegenseitig wegnehmen.

Verstappen spürt die Verunsicherung bei seinen Gegnern und nutzt sie eiskalt zu seinem Vorteil. Der Weltmeister spielt ganz subtil seine Psychospielchen, in der Hoffnung sie erzielen im anderen Lager die beabsichtigte Wirkung. So lobt er bei jeder Gelegenheit seinen wiedererstarkten Red Bull, nennt die gute Vorstellung auf einer McLaren-Strecke "vielversprechend", demonstriert Gelassenheit, schätzt seine WM-Chancen auf "Fifty-fifty" ein und macht auch ganz klar, warum es in Singapur nicht zur Pole Position gereicht hat.

Norris stand Verstappen im Weg

Die Bestzeit ging überraschend an George Russell. Ob Verstappen sich im letzten Versuch sich um die fehlenden 0,182 Sekunden verbessert hätte, ist fraglich. Zwei Zehntel sind eine Menge Holz. Aber man musste es dem Niederländer zumindest zutrauen. Doch da stand einer im Weg, der dort nicht hingehörte.

"Zwei Sekunden vor mir ist ein Auto langsam gefahren. Das ist nicht in Ordnung. In Singapur brauchst du für eine optimale Runde sechs bis sieben Sekunden Luft vor dir. Weil ich zu dicht dran war, habe ich Abtrieb verloren, bin in einer Kurve geradeaus gefahren und habe die Runde abgebrochen", ärgerte sich der Zweite des Trainings.

Verstappen nannte zunächst keine Namen, doch es war schnell klar, dass es sich um Lando Norris gehandelt hatte. Der war sich keiner Schuld bewusst. "Ich hatte einen großen Abstand zu Max. Da muss ich mir nichts vorwerfen." Auf die Kritik von Red Bull angesprochen, meinte Norris mürrisch: "Red Bull beschwert sich immer." Offen blieb, ob man Norris im Red-Bull-Lager Absicht unterstellte. Norris ging 70 Sekunden vor Piastri und Verstappen auf die Strecke. Es musste allen klar sein, dass ihn die beiden auf seiner Auslaufrunde irgendwann treffen würden.

Verstappen schickte seinem Kumpel gleich noch eine Warnung hinterher. "Der Vorfall ist notiert." Soll heißen: Die Revanche folgt auf dem Fuß. Zum letzten Mal hatte der Weltmeister eine solche Drohung an George Russell letztes Jahr beim GP Katar gerichtet, als ihn der Engländer wegen eines ähnlichen Vorfalls bei den Sportkommissaren verpfiffen hatte. Verstappen ließ Russell gleich beim Start spüren, was er von der Aktion hielt. Er lenkte ohne Rücksicht auf Verluste in die erste Kurve ein. Russell zog zurück.

Yuki Tsunoda - Red Bull - Formel 1 - GP Singapur 2025
xpb

McLaren wundert sich über Red Bulls Stärke

So weit wird es beim GP Singapur nicht kommen. Erstens braucht Verstappen jeden Punkt, und ein Privatkrieg mit Norris würde nur Piastri nutzen. Zweitens liegt Norris als Fünfter zu weit zurück, um Verstappen beim Start gefährlich zu werden. Der Engländer hat auch mehr mit sich selbst zu tun. "Das Auto fühlte sich gut an. Ich bin nicht gut genug gefahren."

Red Bulls Auferstehung macht McLaren zu schaffen. Piastri gab zu: "Ich hatte saubere Runden und wunderte mich, dass ich nicht schneller war. Auf die Pole Position fehlten mir vier Zehntel. Die lagen nicht drin. Ehrlich gesagt, sind wir überrascht, dass wir auf dieser Strecke nicht weiter vorne stehen. Wir waren zuversichtlich, dass wir um die Pole kämpfen würden." Der Australier sah es aber auch pragmatisch. "Aus meiner Sicht war es nach zwei schwierigen Wochenenden eine Konsolidierung."

McLaren-Teamchef Andrea Stella dagegen war eine gewisse Ernüchterung anzumerken, als er das Trainingsergebnis kommentieren sollte. Die Dominanz vom Vorjahr war wie weggeblasen. Nicht nur Red Bull macht McLaren Konkurrenz, sondern völlig unerwartet auch Mercedes. "Einige Autos sind auf bestimmten Strecken sehr stark", spielte Stella auf die Silberpfeile an. "Das haben wir in Montreal und in Baku gesehen. Da konnten sie ihre guten Trainingsergebnisse wegen der geringen Abnutzung der Reifen auch im Rennen umsetzen."

Verstappen, Russell & Piastri - Formel 1 - GP Singapur 2025
xpb

Alles spielt gegen McLaren

Genau das macht Stella jetzt am meisten Sorgen. Obwohl der Marina Bay Circuit traditionell eine Strecke mit starker Reifenabnutzung ist, kann sich McLaren nicht mehr so sicher sein, ob man seine große Trumpfkarte am Sonntag ausspielen kann. Red Bull und Mercedes sind in dieser Disziplin besser geworden.

Doch es kommt noch etwas dazu, was gegen McLaren spricht. Immer mehr Rennstrecken werden ganz oder teilweise neu asphaltiert. Stadtkurse wie Baku oder Singapur werden neuerdings mit einem Spezialhochdruck-Reiniger gewissermaßen sandgestrahlt. Das erhöht dramatisch den Grip und reduziert damit automatisch die thermische Abnutzung. Was wiederum den Autos zugutekommt, die in dieser Disziplin nicht so gut sind wie McLaren.

Das Freitagstraining gab auch keinen Aufschluss darüber, was die Fahrer im Rennen erwartet. Es gab kaum Longruns. Und die, die es gab, fanden zu unterschiedlichen Zeiten mit unterschiedlicher Spritladung und Motorleistung statt. "Die Rennsimulationen am Freitag sind schwer zu deuten. Es ist noch nicht klar, wie stark sich die Reifen abnutzen werden. Wir sind in Reichweite des Podiums, vielleicht sogar eines Sieges", kündigte Stella an. Echte Zuversicht hört sich anders an.

Fazit