Hätte Red Bull bei Max Verstappen zocken sollen oder war die Taktik in São Paulo richtig?

Red Bull verzichtet auf Strategie-Poker
Verstappen-Sieg ohne dritten Stopp?

GP Brasilien 2025
ArtikeldatumVeröffentlicht am 11.11.2025
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Der GP Brasilien war ein klassisches Zweistopp-Rennen. Nur Liam Lawson und Nico Hülkenberg kamen mit einem Reifenwechsel über die Distanz. Die beiden Red-Bull-Piloten Max Verstappen und Yuki Tsunoda machten je drei Mal Halt bei ihrer Boxen-Crew. Große Unterschiede gab es bei der Reifenwahl. Acht Piloten starteten auf Soft-Reifen, sieben auf dem Medium und fünf auf der harten C2-Mischung.

Schon im ersten Renndrittel wurde klar, dass der harte Reifen eine schlechte Wahl war. Die beiden Aston Martin stürzten ab und nahmen sich im ersten Stint alle Chancen auf Punkte. Der Traum vom Einstopp-Rennen war ausgeträumt, als Fernando Alonso schon in der 28. Runde an die Boxen kam. Eigentlich hätte ihn Pirellis Betonmischung bis Runde 50 tragen müssen.

Auch Max Verstappen ging aus der Boxengasse mit harten Reifen ins Rennen. Red Bull plante von Anfang an mit einer Sequenz hart-medium-medium. Wer aggressiv fahren wollte, braucht zwei Stopps. Verstappen war dafür mit zwei frischen Satz Medium und drei neuen Garnituren Soft optimal gerüstet. Der harte Reifen am Anfang sollte Verstappen nur mehr Flexibilität beim Timing der Boxenstopp geben.

Reifenschaden war ein Glück

Der Weltmeister fand nie heraus, wie schlecht der harte Reifen wirklich war. Die ersten fünf Runden fanden hinter dem Safety-Car statt, und in der siebten Runde rollte Verstappen mit einem Reifenschaden an die Box. Das vermeintliche Pech war sein Glück. Erstens verlor der Niederländer wegen einer VSC-Phase zehn Sekunden weniger Zeit als unter Renntempo in der Box. Zweitens blieb ihm ein harter Weg bis zum ersten Einsatz der Medium-Reifen erspart.

Verstappen hätte auf den harten Reifen mehr Zeit verloren als ihn der zusätzliche Stopp gekostet hat. Und er wäre nie so gut durch den Verkehr gekommen. Bis zu seinem zweiten Boxenstopp arbeitete sich der spätere Dritte auf den vierten Platz vor. Auf den harten Reifen wäre er im Pulk viel mehr gerutscht, hätte dabei im kurvenreichen Sektor 2die Reifen überhitzt und vor der Zielgerade das Überhol-Delta von einer halben Sekunde viel seltener geschafft.

Zu Beginn des dritten Stints musste Verstappen auf dem elften Platz wieder von vorn anfangen. Jetzt aber waren seine Gegner weiter versprengt, was das Überholen einfacher machte als in einem DRS-Zug. Innerhalb von 20 Runden auf dem zweiten Satz Medium lag Verstappen an der Spitze. Begünstigt dadurch, dass die beiden McLaren und beiden Mercedes in den Runden 47 bis 51 ihren finalen Reifenwechsel abwickelten.

Dritter Stopp sicherte Podium ab

In der 53. Runde führte Verstappen mit 7,0 Sekunden vor Norris, 12,8 Sekunden vor Norris, 15,0 Sekunden vor Russell und 20,8 Sekunden vor Piastri. Und trotzdem holte ihn Red Bull eine Runde später für einen Satz Soft an die Box. Das Strategieprogramm von Mercedes prognostizierte zu diesem Zeitpunkt Verstappen als Sieger.

War der Stopp überflüssig? Red-Bull-Teamchef Laurent Mekies sagt nein. "Wir hätten nie gegen Norris gewonnen. Mit dem dritten Stopp haben wir unser Podium abgesichert." Technikdirektor Pierre Waché wirft ein. "Wir konnten beim zweiten Satz Medium-Reifen schon Abnutzungserscheinungen erkennen. Er wäre uns zum Schluss eingebrochen und wir wären noch hinter Piastri gefallen."

Verstappen gewann bei seinem Schlussspurt noch eine Position gegen George Russell. Für Andrea Kimi Antonelli reichte es nicht mehr. "Der Zweikampf mit George hat den Reifen schon Leben gekostet. Als ich dann in der verwirbelten Luft hinter Antonelli fahren musste, wurden die Reifen schnell zu heiß." Antonelli teilte sich die Energie immer so ein, dass zu Beginn der Zielgeraden die Batterie voll war. Damit war Verstappen schachmatt.

Kimi Antonelli - Mercedes - Formel  1 - GP Brasilien 2025
Sam Bloxham via Getty Images

Im Hinterkopf eine Einstopp-Strategie

Die Mercedes-Piloten konnten das Tempo von Lando Norris nicht mitgehen, hielten aber Oscar Piastri nach dessen Strafe in Schach. Verstappen sprengte das Mercedes-Duo, was auch daran lag, dass er bessere Reifen als seine Gegner hatte und ab dem dritten Stint relativ ungestört fahren konnte.

Aus Sicht von Mercedes musste klar sein, dass Norris nur mit einer alternativen Strategie zu schlagen gewesen wäre. Tatsächlich aber kamen die vier Fahrer beider Teams mit der Reifenfolge medium-soft-medium über die Runden. "Für uns ging es in diesem Rennen darum, die Stopps von George und Kimi an Piastri und Verstappen auszurichten", erklärten die Ingenieure.

Ein Start auf Soft-Reifen kam nicht in Frage. Der harte Reifen war schnell tabu. "Ganz im Hinterkopf hatten wir einen Stopp mit der Sequenz medium-hart. Das wäre mit einem Start auf Soft-Reifen nicht mehr möglich gewesen. Deshalb auch kein Taktik-Split bei uns. So wie das Rennen lief, wäre ein Stopp nur für George eine Alternative gewesen, aber das hätte zu sehr auf die Rundenzeiten gedrückt. Wer das ganze Rennen lang angreifen wollte, musste zwei Mal stoppen. Die Abnutzung war einfach zu hoch."

Alex Albon & Nico Hülkenberg - Formel 1 - GP Brasilien 2025
Andy Hone via Getty Images

Lawson auf einem Survival-Trip

Dass es Liam Lawson und Nico Hülkenberg trotz der Minimallösung in die Punkte geschafft haben, liegt daran, dass sich das Mittelfeld mit einer langsameren Gangart begnügte. Sauber-Teamchef Jonathan Wheatley gab zu, dass man sich von Anfang an auf ein Einstopp-Rennen festgelegt hatte.

Auf dem Medium-Reifen kam Hülkenberg 36 Runden weit. Das war ambitioniert, denn damit standen lange 35 Runden mit dem Soft-Reifen auf dem Restprogramm. Doch Sauber konnte nicht länger mit dem Reifenwechsel warten. Sonst wäre der Deutsche noch weiter ins Feld zurückgefallen als es am Ende der Fall war.

Hülkenberg nahm auf Rang 14 das Rennen wieder auf. Sechs Runden später fielen die ganzen Zweistopper wieder hinter ihn. Lawson dagegen fuhr 9,5 Sekunden vor dem Sauber her. Toro Rosso hatte den Neuseeländer beim Start auf Soft-Reifen gesetzt und ihm nach nur 19 Runden Medium-Gummis mitgegeben. Für Lawson wurde der zweite Stint zum Survival-Trip.

Liam Lawson vs. Isack Hadjar  - Formel 1 - GP Brasilien 2025
Andy Hone via Getty Images

Albon verdirbt Hülkenberg den Tag

In der 62. Runde hatte Hülkenberg den Toro Rosso eingeholt. Doch jetzt drängelten die ganzen Zweistopper mit dem längeren Atem von hinten. Nur Oliver Bearman hatte es vor dem Zusammenschluss der Gruppe an allen vorbeigeschafft. Haas belohnte sich für eine kluge Strategie, die Bearman mit den Stopps in den Runden 17 und 42 fast immer freie Fahrt verschaffte.

Hinter Lawson stauten sich bis zum Ziel acht Fahrer. Der ganze Pulk war nur durch 5,6 Sekunden getrennt. Hülkenberg war schneller als Lawson, kam aber nicht vorbei. "Wir waren mit ein bisschen zu viel Abtrieb unterwegs." Zwei Runden vor Schluss überraschte ihn dann der andere Toro-Rosso-Fahrer Isack Hadjar. "Er hat den doppelten Windschatten genutzt und ist an mir außen vorbei", lobte Hülkenberg das Manöver.

Die Einstopp-Taktik war trotzdem richtig. Hülkenberg verlor das Rennen im ersten Abschnitt. "Ich hing zu lange hinter Alonso und Albon fest. Das hat mir die Rundenzeiten versaut und die Reifen zu viel strapaziert. Wenn ich es früher an Albon vorbei geschafft hätte, wäre ich mit Bearman um Platz sechs gefahren."

Fazit