Das Autodromo Hermanos Rodriguez lieferte eine der verrücktesten Startaufstellungen des Jahres. Und dabei gab es nicht einmal einen Unfall, der das ungewöhnliche Trainingsergebnis erklären könnte, so wie in Baku. Mit Lando Norris auf der Pole-Position musste man rechnen. Er war von seiner ersten FP2-Runde an der schnellste Mann im Ring. Vielleicht nicht mit dem Vorsprung von 0,262 Sekunden, was bei der kurzen Rundenzeit fast doppelt zählt.
Aber schon die beiden Ferrari im Rücken des McLaren sind eine faustdicke Überraschung. Und noch mehr, dass sich Charles Leclerc und Lewis Hamilton mit einem Zehntel Vorsprung relativ sicher vor beiden Mercedes, Max Verstappen und Oscar Piastri qualifizierten. Die Ferrari-Fahrer können so zu einem Faktor im WM-Kampf werden. Zum Nutzen von Norris, aber auch zu seinem Schaden.
Bei 798 Metern Anlauf in die erste Kurve zählt der erste Startplatz in Mexiko nicht gerade zu den beliebtesten Pole-Positions im Feld. In den letzten vier Jahren gab der Erstplatzierte drei Mal die Führung an seine Verfolger ab. Der Windschatten wirkt beim Spurt in die erste Kurve Wunder. Wenigstens in einem Punkt kann Norris aufatmen. Seine direkten WM-Gegner Verstappen und Piastri werden ihn nicht schon in der ersten Kurve bedrängen.
Ferrari im Doppelpack gegen Norris
Aber die Ferrari können ihm den Sonntag verderben. Weil sich Leclerc und Hamilton wie der Engländer je einen Satz Soft für das Rennen aufgehoben haben. Weil sie ihn im Doppelpack angreifen und mit unterschiedlichen Strategien aus dem Konzept bringen können. Weil der Topspeed der Ferrari einen Hauch besser ist als der von McLaren. Und weil die Longrun-Zeiten vom Freitag, wo Norris auch dominiert hat, nicht viel wert sind.
Das liegt an der Höhe. Wer hinterherfährt, muss managen. Die Reifen, die Motortemperaturen, die Bremsen. Ein Überholversuch muss im ersten Anlauf funktionieren. Wenn nicht, helfen nur in paar Runden Lift & Coast, um die Temperaturen wieder in den grünen Bereich zu bringen. Das trifft auch für das schnellste Auto zu. McLaren ließ deshalb seine Fahrer bei den Rennsimulationen am Freitag teilweise im Verkehr fahren, um herauszufinden, wie stark die Auswirkungen im Verkehr sind.
McLaren-Teamchef Andrea Stella gibt sich trotzdem optimistisch: "Auch wenn wir nicht gleich in Führung liegen, werden wir von den Vorteilen unseres Autos profitieren. Speziell in den Phasen, in denen die Reifen stark abbauen."

Charles Leclerc wurde mal wieder seinem Ruf als Top-Qualifier gerecht und startet in Mexiko von P2.
Jeder Fehler zählt doppelt
Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur fühlte sich in seiner Meinung bestätigt, die er seit ein paar Rennen predigt: "Die vier Topautos liegen innerhalb von drei Zehntel. Alles hängt davon ab, wie du deine Reifen ins Fenster bringst. Das kann Schwankungen von sieben Zehntel in die ein oder andere Richtung bedeuten." Ferrari hilft auch, dass man in Mexiko tiefer fahren kann als in Austin. Die Gefahr, dass sich die Bodenplatte zu stark abnutzt, ist geringer.
Die Strecke von Mexico-City zählt zu den größten Herausforderungen für die Reifenvorbereitung. Weil der Grip so niedrig ist, rutschen die Autos, wenn man nur einen Hauch über dem Limit ist. Besonders kritisch sind dabei die schnellen Kurven im Mittelsektor. Ein Rutscher kann die Oberfläche der Reifen auf 140 Grad aufheizen. Wenn das passiert, fehlt im letzten Abschnitt durch das Stadium der Grip. Und dort verliert man die meiste Zeit. Leclerc fasst zusammen: "Jeder kleine Fehler zählt doppelt."
Lando Norris war in allen drei Sektoren der schnellste Mann auf der Strecke. Was zeigt, dass er am besten das Limit für die Reifen gefunden hat. "Er geht auf eine ganz natürliche Weise mit dem geringen Grip um", bestätigte Stella. Die Ferrari lagen in den ersten beiden Streckenabschnitten direkt hinter Norris und mussten im Schluss-Sektor nur Oliver Bearman den Vortritt lassen.

Die Ferrari hängen beim Start Norris im Nacken. Sowohl Leclerc und auch Hamilton wollen in Mexiko den ersten Saisonsieg.
Ferrari traditionell stark in Mexiko
Ferrari profitierte von seinen Erfahrungen aus der Vergangenheit. Schon in den letzten beiden Jahren ging die Pole-Position nach Maranello. Ingenieure und Fahrer haben offensichtlich den Dreh raus, ihre Reifen für die entscheidende Runde zu konditionieren. "Das ist etwas einfacher geworden", räumt Vasseur ein. "Seit es Regeln gibt, dass die Fahrer in den Aufwärmrunden gewisse Abstände einhalten müssen, fällt man nicht mehr so einfach in den Verkehr und kann sich besser auf die Reifenvorbereitung konzentrieren."
Ferrari ließ sich mit seinen Q3-Versuchen lange Zeit. Nur Mercedes schickte seine Fahrer noch später auf die Strecke. Leclerc legte mit 1.15,991 Minuten eine Zeit vor, die selbst McLaren beeindruckte. Norris brauchte danach schon eine perfekte Runde, Leclerc noch vom besten Startplatz zu verdrängen. Auch der Ferrari-Pilot legte noch einmal nach, gab aber zu: "Die Pole-Zeit hätte ich nicht geschafft."
Jetzt will Ferrari den ersten Saisonsieg. Es ist die bislang beste Chance auf einen Sieg in Rot. Leclerc und Hamilton lassen Norris schon einmal wissen, dass sie nichts zu verlieren haben. "Wir werden aggressiv in der ersten Kurve sein." Der 25-Jährige dagegen fährt um die WM und kann mit einem Sieg sogar die Führung im Gesamtklassement übernehmen, wenn Oscar Piastri nicht über den fünften Platz hinauskommt. Stella gibt zu: "Lando braucht eine saubere erste Runde, auch wenn er dabei die Führung verliert."












