Mercedes-Ingenieur erklärt: Deshalb gab es keine Titel in der Groundeffect-Ära

Keine Mercedes-Titel in der Groundeffect-Ära
„Unsere Tools waren nicht gut genug“

ArtikeldatumVeröffentlicht am 26.09.2025
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In der Saison 2022 herrschte in der Formel 1 eine große Aufbruchstimmung. Mit den Groundeffect-Rennwagen ging eine ganz neue Autogeneration an den Start. Plötzlich wurde ein großer Teil des Abtriebs nicht mehr über die Flügel, sondern über den Unterboden produziert. Es handelte sich um eine ganz neue Aerodynamik-Philosophie. Für die Designer in den Fabriken bedeutete es den Schritt in eine unbekannte Welt.

Bei Mercedes sah man sich eigentlich gut vorbereitet auf die neue Ära. Das radikale Zero-Pod-Konzept, bei dem ein Auto praktisch ohne Seitenkästen gebaut wurde, sollte die Serie von zuvor acht Konstrukteurspokalen in Folge fortsetzen. Die Daten im Windkanal versprachen wahnsinnige Abtriebswerte. Doch auf der Strecke kämpften die Fahrer und die Ingenieure schnell mit Problemen.

Das Reizwort in dieser frühen Phase der Entwicklung hieß "Porpoising". Wurde das Fahrwerk so tief abgestimmt, wie es das Aerodynamik-Fenster verlangte, fing das Auto bei höheren Geschwindigkeiten an, sich aufzuschaukeln. Um dieses Bouncing zu verhindern, musste die Fahrzeughöhe angehoben werden. Doch dann ging jede Menge Abtrieb verloren. Es musste eine aufwendige Neukonstruktion her.

Ärger über zu späte Erkenntnisse

Chefingenieur Andrew Shovlin blick mit gemischten Gefühlen auf die Anfangsphase zurück: "Wir haben irgendwann gemerkt, dass es bei der Aerodynamik-Entwicklung viele Bereiche gab, die unsere Tools einfach nicht gut genug abgebildet haben. Die Strömung unter dem Auto war zum Beispiel viel komplizierter als das, was wir vorher gesehen haben."

Bei Mercedes wurde im Laufe der Jahre mehrmals das aerodynamische Konzept über den Haufen geworfen. Vor allem bei der Form der Seitenkästen gab es immer wieder Änderungen. Und auch an der Hinterradaufhängung legten die Ingenieure regelmäßig Hand an. "Die Autos produzieren vor allem am Ende der Geraden extrem viel Abtrieb. Früher gab es deutlich mehr Abtrieb in langsamen Kurven. Man konnte die Autos höher und weicher fahren, weil sie den Abtrieb weiter weg von der Straße produziert haben", erklärt Shovlin.

Kurzzeitig kam bei Mercedes immer mal wieder das Gefühl auf, dass die Ingenieure das Rätsel doch noch lösen. Es wurden überlegene Rennsiege gefeiert, wie 2024 in Las Vegas oder 2025 in Montreal. Doch insgesamt waren die Leistungen zu schwankend. Vom Titelgewinn blieb man stets ein gutes Stück entfernt. Etwas zerknirscht muss der Mercedes-Chefingenieur zugeben: "Je mehr man lernt, desto mehr blickt man zurück und ärgert sich darüber, warum man nicht früher an bestimmte Dinge gedacht hat."

Mercedes W13 - Bahrain-Test  -  2022
Mercedes

Autos fahren 2026 wieder höher

Auch für die Piloten wurde der Wechsel zu den Groundeffect-Autos zu einer schmerzhaften Erfahrung. Vor allem in den ersten Jahren schlugen die Unterböden immer wieder auf die Fahrbahn durch, bis die FIA schließlich eingeschritten ist. "Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem die Autos sehr tief und hart gefahren werden. Unsere Lösung jetzt ist für die Fahrer akzeptabel. Aber das Fahrgefühl wird mit diesen Autos nie besonders angenehm sein", erklärt Shovlin.

Das Ende der Groundeffect-Ära 2026 wird bei Mercedes aber nicht nur vom Personal im Cockpit herbeigesehnt: "Die Fahrer werden sich nächstes Jahr freuen, wenn sie wieder in Autos sitzen, die die Bodenwellen etwas besser absorbieren. Aber auch für die Ingenieure ist es eine interessante Herausforderung, wenn man wieder anders arbeiten muss. Die Aufhängung macht endlich wieder den Job, für den sie eigentlich vorgesehen ist. Sie ist nicht mehr nur dazu da, eine unfassbar große Menge an Abtrieb in den Griff zu bekommen."

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