Mercedes-Comeback: Birgt der Frontflügel ein Geheimnis?

Überraschendes Comeback von Mercedes
Birgt der Frontflügel ein Geheimnis?

GP Singapur 2025
ArtikeldatumVeröffentlicht am 08.10.2025
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Singapur-Sieger George Russell hatte keine Erklärung für die Wiedergeburt seines Silberpfeils parat: "Fragt mich nicht, warum wir hier so stark waren. Wir verstehen es selbst nicht und müssen uns in den nächsten Tagen zusammensetzen, um rauszufinden, was hier so gut gelaufen ist."

Der Engländer ging noch einen Schritt weiter: "Auf meiner Liste von Rennen die wir gewinnen könnten, stand Singapur eigentlich ganz unten. Es liegt jetzt an uns, die richtigen Antworten für diese schöne Überraschung zu finden und die Erkenntnisse daraus mit in die nächsten Rennen zu übertragen."

Aus Mercedes wird man einfach nicht schlau. Bei keinem Team ist der Jojo-Effekt zwischen Siegen aus eigener Kraft und dem Fall in die Bedeutungslosigkeit so groß. Diese Irrfahrt zwischen Gut und Böse zieht sich durch die ganze Ära der Groundeffect-Autos. Und sie hat dieses Team auch im Jahr 2025 nicht losgelassen.

W16-Entwicklung auf Schmalspur

In diese Saison ist Mercedes mit einem Auto gestartet, das stabiler, berechenbarer und effizienter war als seine Vorgänger. George Russell stand in den ersten zehn Rennen fünf Mal auf dem Podium, und er gewann in Montreal mit einer Überlegenheit, wie man sie sonst nur von McLaren kannte.

Doch nur ein Rennen später spielten die Silberpfeile keine Rolle mehr, hamsterten sich 21 Punkte in drei Rennen zusammen. Bis die Ingenieure die schwere Entscheidung trafen, die mit so viel Hoffnung in Imola eingeführte neue Hinterachse nach insgesamt nur fünf Einsätzen zu beerdigen und beim GP Ungarn zu der bewährten Version zurückzukehren.

Gleichzeitig lief die Entwicklung am W16 längst auf Schmalspur. Das 2026er-Auto ist wichtiger. Das Technikbüro beschränkte sich in diesem Jahr auf zwei große Upgrades in Imola und Barcelona. Beide zielten darauf ab, die Temperaturen der Hinterreifen besser in den Griff zu bekommen und die Fahrzeugbalance dem steiferen Frontflügel anzupassen, den das Reglement ab dem GP Spanien verlangte.

George Russell - Mercedes - Formel 1 - GP Singapur 2025
Mark Sutton via Getty Images

Ein generell besseres Auto

Der Prozess wurde durch die Probleme mit der neuen Hinterradaufhängung erschwert. Es war lange nicht klar, welches Problem welche Ursachen hatte. Die Sternstunde beim GP Kanada führte die Ingenieure auf die falsche Fährte. In den drei Rennen danach trauten die Fahrer ihrem Auto nicht mehr. Beim Einlenken führte das Heck ein seltsames Eigenleben. Das traf Rookie Andrea Kimi Antonelli härter als den Routiner George Russell.

Erst die Rückkehr zur alten Version beruhigte das Fahrverhalten wieder. Russell schaffte es als Dritter in Budapest wieder auf das Podium. Seit der Sommerpause waren die Ingenieure hauptsächlich damit beschäftigt, das Paket, das sie haben, optimal zu nutzen. "Irgendwie scheint uns das zu helfen, wenn wir nicht dauernd das Auto verändern müssen", mutmaßt Teamchef Toto Wolff.

Mit 89 Punkten aus den letzten vier Rennen hat Mercedes sogar wieder die Führung im Kampf um die Vize-Weltmeisterschaft in der Konstrukteurs-Wertung übernommen. Das hat nicht nur mit der glücklichen Fügung zu tun, dass die letzten drei Strecken dem Mercedes entgegenkamen. Ähnlich wie der Red Bull RB21 ist auch der Mercedes W16 generell ein besseres Auto geworden.

George Russell - Mercedes - Formel 1 - GP Singapur 2025
Sam Bloxham via Getty Images

Die Zutaten für eine Mercedes-Strecke

Man merkt es daran, dass es nicht mehr so lange dauert, bis das richtige Setup gefunden wird. Dass man auf Strecken plötzlich gut ist, wo man letztes Jahr schlecht abschnitt. Und dass die Silberpfeile zuletzt sowohl mit viel als auch mit wenig Abtrieb bei der Musik waren. Trotz der Steigerung überraschte sich Mercedes mit der Pole-Position und dem Sieg von Russell in Singapur selbst. Es hätte noch besser laufen können. Antonelli beteuerte: "Wenn ich es im Q3 nicht zu aggressiv probiert hätte, hätte auch ich auf die Pole-Position fahren können." Der Italiener wurde Fünfter.

Intern hatte man sich eher Siegchancen für Baku und Las Vegas ausgerechnet. Strecken, die dem Profil von Montreal ähneln. Der neue WM-Zweite ist überall dort besonders gut, wo McLaren seine Mühe hat. In Kurven, wo man zuerst bremst und dann einlenkt und nicht beides gleichzeitig tun muss. Die kurze Radien haben. Strecken, auf denen das Auto nicht so stark aufsetzt, damit man tief fahren kann. Ein Asphalt, der viel Grip bietet, so dass die Autos wenig rutschen und damit die thermische Abnutzung der Reifen gering ist. Stabile Asphalttemperaturen im mittleren bis niedrigen Bereich.

Singapur bot fast alles. Vor allem einen Streckenbelag, der zum Teil erneuert und mit einem Hochdruckreiniger von losen Steinchen befreit wurde. Das verbesserte den Grip und reduzierte die Reifenabnutzung. "Einige Kurven hatten einen neuen Asphalt. Das hat uns geholfen, das Überhitzen der Reifen in den Griff zu bekommen", gab Russell zu.

Mercedes - Frontflügel - GP Singapur 2025
Simon Galloway via Getty Images

Viel Arbeit am Frontflügel

Nur vor der Anforderung von maximalem Abtrieb hatte man Bauchweh. Da ist der W16 nicht besonders effizient. Es zeigte sich in den schlechten Topspeed-Werten. Russell gab auch zu, dass der klare Sieg nicht darüber hinwegtäuschen darf, wer am Sonntag das schnellste Auto hatte. "Wenn Lando das halbe Rennen direkt hinter Max herfahren konnte, dann war der McLaren das beste Auto. Und wenn mich Max in die erste Kurve schlägt, gewinnt er das Rennen."

Möglicherweise liegt die Erklärung doch ein bisschen in der Technik. Nach dem Upgrade-Stopp im Juni hat Mercedes noch vier Mal den Frontflügel bearbeitet. Es waren kleine Änderungen am Flap, einige wie in Spa oder Monza sicher streckenspezifisch. Doch die in Baku und Singapur zielten ganz klar auf eine Verbesserung der Fahrzeugbalance ab.

Das war mit der neuen Frontflügel-Regel ab dem GP Spanien schwieriger geworden, weil sich die Flügel beim statischen Test nicht mehr so stark verbiegen und verdrehen dürfen wie vorher. In Barcelona lieferten die Teams noch einen Schnellschuss ab, um den Test anstandslos zu bestehen. Einige wenige, darunter Mercedes, Red Bull, Aston Martin und Toro Rosso haben aber seitdem verdächtig viel Arbeit in dieses Detail gesteckt. Red Bull änderte seitdem sechs Mal das Design.

Mehr gezielte Verbiegung heißt eine bessere Balance zwischen schnellen und langsamen Passagen. Die scheint bei Red Bull und Mercedes plötzlich im Griff. Ein Mercedes-Ingenieur gab sich auf Nachfrage schmallippig. "Das mit dem Frontflügel wird überbewertet. Die Regeln sind klar, und die FIA hat seitdem nichts beanstandet."