Pirelli wollte für den GP USA die Karten neu mischen. Und zwar so, dass die Teams zwei Boxenstopps den Vorzug vor einem geben. Es hat natürlich nicht funktioniert. Am Ende kamen 17 der 20 Fahrer mit einem Reifenwechsel über die Distanz. Pirelli stellte neben der harten C1-Mischung die Reifentypen C3 und C4 ins Angebot.
Das stiftete zunächst tatsächlich etwas Verwirrung, aber anders als vom Reifenhersteller geplant. Der harte Reifen machte im Freien Training nicht den besten Eindruck. Er war zwar langlebig, aber auch langsam. Den Soft-Gummi reservierten sich die meisten Teams für die Qualifikationsrunden. Über seine Dauerlaufeigenschaften war wenig bekannt. Vom Medium dagegen wusste man: Das ist der beste Kompromiss. Deshalb nahmen ihn auch alle Piloten für die 19 Runden des Sprints.
Pirelli schlug den Teams für das Hauptrennen mehrere Möglichkeiten vor. Als schnellste Variante sahen die Italiener vor dem Rennen eine Einstopp-Strategie mit Medium am Start und einem Wechsel auf die harten Mischung. Ein Einstopper mit Start auf Soft-Reifen war bei den besten Taktiken nicht dabei. Zu groß schien das Risiko, dass die weiche C4-Mischung in den schnellen Kurven bei großer Hitze und viel Wind und vollem Tank schnell in die Knie gehen würde. Trotzdem hatten genau drei Teams den Mut dazu.
Ferrari überrascht die Konkurrenz
Als bei Charles Leclerc kurz vor dem Start die Heizdecken gelüftet wurden, rieben sich die Nachbarn in der Startaufstellung die Augen. Der Ferrari stand doch tatsächlich auf den roten Reifen. Dito Lance Stroll und Gabriel Bortoleto. Doch die hatten auf den Startplätzen 19 und 16 wenig zu verlieren. Leclerc dagegen war immerhin Dritter am Start.
Ferrari splittete das Risiko. Lewis Hamilton bekam wie alle Fahrer um ihn herum Medium-Reifen mit auf die Reise. Teamchef Frédéric Vasseur erklärte Ferraris mutige Reifenwahl. "Der Plan war, dass Charles den Start gewinnt und von Platz 1 das Tempo kontrolliert. Leider hat der Plan nur zu 50 Prozent funktioniert." Immerhin schob sich Leclerc zwischen Max Verstappen und Lando Norris, was dem McLaren-Fahrer alle Hoffnungen raubte, Verstappen aus der Reserve zu locken."
Auch bei Aston Martin splittete man die Taktik. Lance Stroll ging auf Soft-Reifen ins Rennen, der besser platzierte Fernando Alonso auf Medium-Gummis. Chefingenieur Mike Krack erklärt, was dahintersteckte: "Wir waren uns schon in den Vorbesprechungen vor dem ersten Training sicher, dass der harte Reifen zu hart sein würde. Damit blieben nur noch zwei Optionen. Soft-Medium oder Medium-Soft. Dort wo Lance gestartet ist, machte ein Start auf Soft-Reifen Sinn. Vor allem, weil er sehr gut im Reifenmanagement ist." Stroll hielt dann auch 28 Runden durch. Sechs mehr als Leclerc.

Ferrari splittete die Strategie. Leclerc ging mit den Softs ins Rennen, Hamilton mit den Mediums.
Soft-Reifen nicht auf dem Zettel
Für die meisten anderen Teams im Feld war das eine große Überraschung, wie der Mercedes-Chefstratege zugab: "Wir gingen von einer Reifenfolge Medium-Hart aus. Nach zehn Runden haben wir gesehen, dass der harte Reifen nicht in Frage kommt. Drei Fahrer hatten ihn gewählt, und sie verloren speziell in den langsamen Kurven zu viel Zeit. Dafür war Leclerc erstaunlich schnell und erstaunlich lange unterwegs."
Auch McLaren-Teamchef Andrea Stella gab zu, dass ihn Ferrari überraschte: "Wir hatten den Soft-Reifen für den Start nicht auf dem Schirm. Selbst die Variante Medium-Soft schien uns zunächst als zu riskant. Doch dann hat Leclerc gezeigt, dass der weiche Reifen besser war als gedacht." Das war kein Trost für McLaren. Norris kam zwei Mal viel zu spät an Leclerc vorbei, um den Rückstand auf Verstappen noch aufzuholen.
Leclerc und Stroll gaben dem Rest des Feldes eine Lehrstunde. Alle anderen sattelten nach dem Medium-Stint auf die weichen Reifen um. Dabei handelte es sich in den meisten Fällen auch noch um gebrauchte Garnituren. "Bei uns war Lance ein bisschen auch Versuchskaninchen für Fernando. Nach seinen Erfahrungen sahen wir uns darin bestätigt, dass für Fernandos zweiten Stint nur der Soft-Reifen in Frage kam", erzählte Krack.

Beim Angriff auf Leclerc musste Norris aufpassen, die Reifen nicht zu überhitzen.
Soft-Reifen verlangt Abkühlphasen
Ganz bedenkenlos konnten die Teams Pirellis weichste Gummimischung jedoch nicht fahren. "Da war schon kluges Management gefragt", hieß es bei Mercedes. "Wenn du den Soft-Reifen zu hart gefordert hast, ist die Oberflächentemperatur sofort in die Höhe geschossen. Das hat eine Sekunde pro Runde gekostet. Dann hat es zwei bis drei Runden gebraucht, um die Reifen wieder abzukühlen."
Deshalb ließ sich Norris am Schluss mal kurz hinter Leclerc zurückfallen. Jeder Angriff auf den Ferrari überhitzte die Reifen. "Der erste Überholversuch musste funktionieren. Sonst hast du mit den Soft-Reifen bezahlt. Das hat mir das Leben schwerer gemacht als erwünscht", berichtete Norris. Dazu kam: Die Turbulenzen waren diesmal so stark, dass die Autos innerhalb der Zweisekunden-Grenze zu Rutschen begannen, was die Temperaturen zusätzlich nach oben getrieben hat. Deshalb gab es kaum Zweikämpfe im Feld.
Im Rückblick hätten sich viele Teams beim Start doch eher für den weichen C4-Reifen entschieden. Besonders McLaren. "Hätten wir den zweiten Platz beim Start gehalten, wäre es ein anderes Rennen geworden", versprach Stella. "Wir waren trotz einer nicht optimalen Abstimmung so schnell wie Verstappen."












