Schmidts Formel-1-Blog zur FIA, TD039 & Bouncing

Schmidts F1-Blog zu FIA-TD039
Upgrade einer schlechten Regel

GP Großbritannien 2022
Veröffentlicht am 01.07.2022

Der neue FIA-Präsident Mohammed bin Sulayem hat sich offenbar in den Kopf gesetzt, sich als Freund der Fahrer zu profilieren. Nachdem er sie mit seinem Schmuck- und Piercingverbot ausreichend geärgert hat. Dafür sprang er jetzt nach Baku den Piloten bei, die auf der Rüttelpiste über zu harte Schläge geklagt hatten und von der FIA Maßnahmen forderten.

Es stimmt, dass jeder Bodenkontakt heute mehr schmerzt als früher. Was hat man erwartet, wenn die Autos tiefer über Grund fahren und härter gefedert sind? Das war schon vor 40 Jahren so. Ob das nun das aerodynamisch erzeugte Bouncing oder das rein mechanische Bottoming auf Bodenwellen zur Ursache hat, ist dabei völlig egal. Für den Fahrer fühlt es sich gleich unangenehm an. Ihm kann es egal sein, woher die Stöße kommen. Sich allein auf das Bouncing zu konzentrieren, bringt gar nichts. Das ist weitgehend unter Kontrolle. Das Bottoming nicht.

Max Verstappen - Red Bull - GP Aserbaidschan 2022 - Baku - Rennen
Wilhelm

Linienwahl der Fahrer entscheidet

Nachdem die Urfassung der Technischen Direktive TD039 eine versteckte Regeländerung war, die nicht einmal unter dem Deckmantel der Sicherheit Konsequenzen haben konnte, versucht man es jetzt mit einer abgespeckten Version. Im Moment ist es nur ein Vorschlag ohne Konsequenzen. Die FIA will zwei Rennenb lang beobachten und dann ihre Schlüsse ziehen. Doch die Strafen sind schon an die Wand gemalt. Sie könnten ab dem GP Frankreich ausgesprochen werden.

Die Technischen Kommissare wollen die Stöße messen und einen Mittelwert als obere Grenze definieren. Dabei sollen die vertikalen Kräfte nur an bestimmten Stellen der Strecke gemessen werden und dürfen nicht öfter als drei Mal mehr als 20 Prozent über dem Grenzwert liegen, der bei 10 g liegen könnte. Dann könnten die Sportkommissare das Auto als gefährlich einstufen und aus dem Verkehr ziehen. Ganz so einfach ist es aber nicht wie es sich anhört. Die FIA-Techniker haben eine Formel entwickelt, die die Stöße von der Fahrbahn übereinen gewissen Zeitraum in ein metrisches Maß übersetzt, das in Joule pro Kilogramm pro 100 Kilometer gemessen Wert.

Um Ihnen mal zu zeigen, welcher Wahnsinn da dahintersteckt, hier ohne Erklärung die technische Formel, woraus sich dieser AOM-Wert berechnet: AOM=100/(2*Daom [Δt*Σ9.81*(ΙgvertSDRExtCoGΙ-3)*rect³g(gvertSDRExtCoG)*rect loop(Nloop)]. Was bitte soll denn das? Wenn ein Fahrer drei Mal zu hoch über einen Randstein fährt, ist er fällig. Der andere, der den Randstein nur halb mitnimmt, kommt davon. Dabei springt sein Auto vielleicht genauso stark wie das andere, es merkt nur keiner, weil er eine sanftere Linie fährt.

Das Bottoming erledigt sich sowieso von selbst. Wer zu hart auf der Strecke aufsetzt wie die Mercedes in Baku, quält nicht nur seine Fahrer, er verliert auch Rundenzeit. Die Teams werden von ganz allein die Bodenfreiheit erhöhen und die Federung anpassen. Mercedes hat es in Montreal so gemacht, und es lief gleich viel besser. Das ist ein Lernprozess, durch den Teams und Fahrer jetzt eben mal durchmüssen. Bis zum Ende der Saison ist das kein Thema mehr. Mit zu viel Schüttelei schaden sich die Teams nur selbst.

Alpine - Formel 1 - GP England  - Silverstone - 30. Juni 2022
xpb

Eingriff ins Fahrwerk zur Besserung

Auch der zweite Aufguss der TD039 hat seine Schwächen. Die Unfallsensoren messen gar nicht so genau, dass man daraus juristisch belastbare Messwerte herauslesen könnte. Die ADR schlägt erst bei Kräften jenseits von 15 g Alarm. Da geht es um viel höhere Kräfte. Doch bei 120 Prozent von 10 g macht es für das Urteil der Sportkommissare schon etwas aus, ob einer bei 11,9 oder 12,1 g liegt.

Außerdem sind die Forderungen der FIA an die Teams viel zu kompliziert. Erklären Sie das mal einem Fan im Detail. Solange es nur beim Messen und beim erhobenen Zeigefinger bleibt, ist das ja in Ordnung. Wenn aber ein Auto disqualifiziert wird, will der Zuschauer aber wissen, warum genau der eine weiterfahren darf und der andere nicht. Und jetzt stellen Sie sich mal vor, der Disqualifikationsgrund lautet so: Das Auto X hat in der 44. Runde in Kurve 3, auf Gerade 2 und in der Bremszone 5 mit 12,1, 12,2 und 12,4 g aufgesetzt. Außerdem war die Bodenplatte links vorne und rechts hinten zu stark abgenutzt. Wiegen vorher und nachher wäre viel einfacher. Ist die Platte zu leicht, erfüllt das den Tatbestand der zu starken Abnutzung.

Ähnlich konfus ist der Plan, das Problem langfristig aerodynamisch zu lösen. Wenn die FIA in Zukunft verlangt, dass an bestimmten Stellen des Unterbodens Löcher geschnitten werden müssen, verwässert man irgendwann das Prinzip des Groundeffects und kann gleich wieder zu den alten Autos zurückkehren. Dann funktioniert das Hinterherfahren nur nicht mehr so gut. Die Lösung der Problematik kann nur über das Fahrwerk erfolgen. Wen stört ein Massedämpfer oder eine aktive Aufhängung? Dann kann die Aerodynamik so bleiben, wie sie ist.