Singapur ist fast wie Monte Carlo. Der Startplatz ist hier die halbe Miete. Deshalb konnten die Teams damit leben, dass ihnen im zweiten Training 24 Minuten Zeit wegen der roten Flaggen nach Unfällen von George Russell und Liam Lawson gestohlen wurden. "Es ist nicht so schlimm wie anderswo, dass Renndaten fehlen. Hier ist es wichtiger, dass du am Start weit vorne stehst. Im Rennen hast du immer noch Zeit, auf Probleme zu reagieren, wenn welche auftreten", meinte der Freitags-König Oscar Piastri.
Den Australier durfte man trotz seiner Baku-Pleite vorne erwarten. Doch Isack Hadjar war eine Sensation. Der Franzose ließ sogar Max Verstappen um 11 Tausendstel hinter sich. Red Bulls B-Team konzentrierte sich darauf, dass Hadjar die Strecke möglichst unter Qualifikationsbedingungen lernt. In den Longruns im ersten Training konnten die Toro Rosso nicht überzeugen.
Max Verstappen darf mit dem ersten Trainingstag zufrieden sein. Ihm fehlen auf einer McLaren-Strecke nur eineinhalb Zehntel auf die Bestzeit. Das ist mit dem Verstappen-Faktor in der Qualifikation aufholbar. Einen Platz hinter dem Weltmeister klopft Fernando Alonso an die Tür zum Podium. Im ersten Training war der Oldie noch die Nummer eins. Der Spanier ist ein Singapur-Spezialist. Und die Strecke passt seinem Aston Martin. Red-Bull-Sportchef Helmut Marko warnt: "Auf den müssen wir aufpassen. Der war den ganzen Tag konstant schnell."
Ferrari und Mercedes sind noch nicht in Fahrt gekommen. Bei Ferrari lief es gut an, doch im Nacht-Training landeten Charles Leclerc und Lewis Hamilton nur im Mittelfeld. Sie wurden unter Wert geschlagen. Mercedes dagegen kämpft noch mit dem Auto. Die Fahrer hatten Mühe, in die Top Ten zu fahren.
Andrea Kimi Antonelli musste seine schnellste Runden wegen einer roten Flagge abbrechen. Die Zwischenzeit ließ ahnen, dass der Italiener am Ende besser dagestanden wäre als nur auf dem 18. Platz. Nach dem Grünlicht am Ende des Trainings schickte Mercedes Antonelli gegen den Trend mit Medium-Reifen auf einen Vierrunden-Stint. Das Team ließ weitgehend die Finger von den Soft-Reifen. Man will sich das maximale Kontingent für die Qualifikation sichern.

Verstappen und Ferrari liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen - auch um den Sieg?
Sechs Dinge, die Sie wissen müssen:
Muss McLaren Verstappen fürchten?
McLaren ist nicht mehr allein auf weiter Flur. Trotz der Bestzeit von Oscar Piastri sowohl auf Soft- wie auf Medium-Reifen. Obwohl Red Bull neuerdings am Freitag mit mehr Power fährt als früher. Doch Max Verstappen ist näher an den McLaren dran, als es Oscar Piastri und Lando Norris recht sein kann.
Im ersten Training klagten die McLaren-Fahrer noch über Untersteuern. Am Abend lief es bei Piastri besser. "Die Longruns sind nicht repräsentativ, aber ich war im zweiten Training mit dem Auto auf beiden Reifentypen zufrieden." Norris lamentierte über ein störrisches Auto und kam über den vierten Platz, vier Zehntel hinter seinem Teamkollegen, nicht hinaus. "Ein schlechter Tag. Ich fand nie eine gute Balance. Das gute Gefühl, das ich letztes Jahr hier hatte, ist noch weit weg. Wir haben viel Arbeit vor uns."
Piastri nahm Verstappen 0,143 Sekunden ab. Nicht viel für eine Rennstrecke, die eigentlich McLaren favorisiert. Und auf der Red Bull im Vorjahr von Norris an die Wand gefahren wurde. Doch Red Bull ist auch auf diesem Typ Strecke besser geworden. Die Ingenieure packten noch einmal einen neuen Frontflügel aus.
"Wir haben bei der vorletzten Variante gesehen, dass da noch Raum für Verbesserung ist. Als die Simulationen schnellere Rundenzeiten versprochen haben, haben wir den Flügel gebaut. Unsere Produktionsabteilung hat gerade noch Luft, bevor es mit dem 2026er Auto losgeht", erklärt Chefingenieur Paul Monaghan. Dieses Entwicklungstempo geht kein anderer mit. Der Rest ist schon längst im 2026er-Modus.
Helmut Marko sprach vom "besten Freitag seit Jahren in Singapur". Und ja, Verstappen kann auch auf der einstigen Problemstrecke gegen die McLaren gewinnen. "Die Autos springen nicht mehr über die Bodenwellen. Das Untersteuern ist weg. Und Max hat sich zum ersten Mal nicht beklagt", freute sich der Grazer. Das sind ganz neue Töne. Der Weltmeister selbst war auch zufrieden: "Wir waren schnell auf einem guten Weg. Im zweiten Training haben wir einige Dinge probiert. Ein paar waren gut, andere weniger. Jetzt geht es darum, alles noch ein bisschen mehr zu optimieren."

Bei Ferrari läuft es wieder besser als zuletzt.
War die Ferrari-Show im ersten Training ein Strohfeuer?
Ferrari war ein Rätsel. Im ersten Training machten Charles Leclerc und Lewis Hamilton mit den Plätzen zwei und vier den Tifosi Hoffnungen. Die Fahrer kamen schnell auf ansprechende Rundenzeiten. Umso bescheidener verlief die zweite Trainingssitzung. Leclerc und Hamilton landeten nur auf den Plätzen neun und zehn. Was weniger am Speed der Autos als am schlechten Timing der schnellen Runden, an Fehlern der Fahrer und am Verkehr lag. Da ist ganz klar mehr drin.
Leclerc klagte: "Es war eine unsaubere Sitzung mit der roten Flagge, dem Verkehr auf der Strecke, dem Zwischenfall in den Boxen mit den beiden McLaren. Noch läuft es nicht rund." Ganz anders der sonst eher pessimistische Hamilton: "Es macht Spaß, dieses Auto hier zu fahren. Ich habe ein gutes Gefühl. Wenn es nur nicht so schwer wäre, eine freie Runde zu finden. Wir haben mit dem Auto gute Fortschritte gemacht. Ich werde nicht mehr viel ändern."
Singapur ist eigentlich gnädig zu Ferrari. Seitdem die Strecke neu asphaltiert wurde, noch mehr. Ferrari muss sich keine Sorgen machen, dass sich die Bodenplatte zu stark abnutzt. Immer dann sind sie stark, weil der SF-25 in seinem optimalen Setup-Fenster gefahren werden kann. So tief wie möglich. Viel Bodenfreiheit ist Gift für Ferrari.
Dazu kommt, dass Ferrari neuerdings meist gut in das Wochenende startet. Auch in Monza und Baku machten Charles Leclerc und Lewis Hamilton auf Anhieb eine gute Figur. Weil man seit der Sommerpause schon am Freitag mehr Motorleistung freigibt. Bis Ferrari dann am Samstag von der Wirklichkeit eingeholt wurde.

Fernando Alonso konnte wie schon in Budapest und Zandvoort glänzen am Freitag.
Wie stark ist Alonso wirklich?
Aston Martin hat seit der Europa-Saison seine Abläufe geändert. Man fährt am Freitag mit weniger Sprit und mehr Leistung. Was sich am guten Topspeed zeigte. Alonso lag mit 310 km/h auf Platz 5. Am Samstag geht es oft rückwärts. Zandvoort war das beste Beispiel. Da sah Alonso am Freitag auch noch aus wie ein Kandidat für das Podest.
Trotzdem machen die grünen Autos in Singapur eine deutlich bessere Figur als zuletzt. Das zeigt nicht nur Alonsos Bestzeit im ersten und die viertschnellste Runde im zweiten Training. Bis zur ersten Unterbrechung in der zweiten Trainingssitzung lag Alonso ebenfalls auf Rang 4. Aston Martin war da als einziges Team mit harten Reifen unterwegs. Der Rest fuhr Medium-Gummis. Diese Konstanz deutet an: Mit Alonso muss man auf diesem Kurs rechnen.
Der Grund für die Auferstehung von Aston Martin liegt in der Strecke. Die Aerodynamik ist für die Konfiguration mit maximalem Abtrieb optimiert. Weil sich die Teams wenig Sorgen um die Schutzplanke unter dem Auto machen müssen, können alle tief fahren. "Das hilft uns", erklärt Teamchef Andy Cowell, "weil wir im Vergleich zu den anderen Teams mehr Rundenzeit verlieren, wenn wir das Auto höher setzen müssen."
Deshalb war Spa ein Totalausfall. Eau Rouge verlangt nach Bodenfreiheit. Deshalb lief auch in Baku nicht viel, obwohl dort die Kurven genauso rechtwinkelig sind wie in Singapur. "Da hat uns der letzte Sektor gekillt. Auf der langen Geraden würde das Auto zu stark aufsetzen, wenn man tief fährt. Singapur ist ideal für uns. Viele Kurven, wenige Geraden", erklärte Cowell.

Der Crash von George Russell kostete wertvolle Trainingszeit.
Wieso hängt Mercedes so weit hinten?
In Baku lieferte Mercedes sein zweitbestes Saisonrennen ab. Zwei Wochen später dann der Absturz auf einer scheinbar ähnlichen Strecke. George Russell versenkte seinen Mercedes in der Tecpro-Bande von Kurve 16. Für den Engländer war das Training nach nur sechs Runden beendet, obwohl er es aus eigener Kraft noch zurück in die Boxen schaffte. Beim Aufprall brach der Frontflügel ab, und die Vorderachse wurde beschädigt.
Der WM-Vierte wunderte sich: "Ich habe in dieser Runde früher gebremst als in der Runde davor. Trotzdem brach das Auto aus. Zum Glück war der Schaden überschaubar." Russell ärgerte sich, dass sein Abend so schnell ein Ende fand. "Im ersten Training hatten wir Probleme, die Reifen auf Temperatur zu bringen und eine gute Balance zu finden. Das lief im zweiten Training schon besser."
Beide Fahrer hatten Mühe, in die Top Ten zu fahren. Mercedes hat Probleme wohl schon geahnt. Deshalb war man das einzige Team, das auf den Einsatz von Soft-Reifen fast gänzlich verzichtete. Andrea Kimi Antonelli musste seine einzige Soft-Runde wegen der roten Flagge abbrechen. "Ich war schon im letzten Sektor, und die Runde hätte mich zu diesem Zeitpunkt weit nach vorne gebracht. Wir sehen im Ergebnis schlechter aus aus wir sind."
Als das zweite Training nach den Unfällen von Russell und Lawson noch einmal für 13 Minuten angepfiffen wurde, da kehrte Antonelli als einziger zu den Medium-Reifen zurück und spulte einen kurzen Longrun ab. Ziel war es, den Fahrer am Samstag für die Qualifikation fünf Sätze der C5-Mischung zu reservieren.

Isack Hadjar wa rauf Rang zwei die Überraschung des Freitags.
Ist Hadjar ein Siegkandidat?
Isack Hadjar warnte die Konkurrenz schon im Vorfeld: "Unser Auto kann jede Strecke, auch wenn wir in schnellen Kurven noch etwas besser sind als in langsamen." Der beste Charakterzug des VCARB02 ist seine Gutmütigkeit. Die Fahrer können sich auf ihr Auto verlassen. Das ist auf einem Stadtkurs mit wenig Platz für Fehler ein Pluspunkt. Liam Lawson übertrieb es etwas und feuerte seinen Toro Rosso in Kurve 17 in die Mauer. Der Neuseeländer war auf dem Weg zu einer guten Runde.
Hadjar machte es besser. Der Franzose drehte die zweitschnellste Runde und gab wieder einmal seine Visitenkarte ab. Der Franzose relativierte: "Ich bin meine Zeit ziemlich spät in der Sitzung gefahren. Da war die Strecke in ihrem besten Zustand."
Ist Hadjar trotzdem ein Siegkandidat? So weit ist es noch nicht. Die Longruns im ersten Training waren eher bescheiden. In der Regel fallen die Toro-Rosso-Piloten im Verlauf des Wochenendes immer etwas zurück. Auch Marko glaubt nicht an eine Siegchance, aber an ein solides Punkteresultat. Doch von einem Podium wie in Zandvoort darf Hadjar träumen.

Bei Sauber muss man noch zulegen, um vor allem im Qualifying nach vorne zu kommen.
Gibt es für Sauber WM-Punkte?
Das wird schwierig. Aston Martin, Toro Rosso, Williams und Haas haben am ersten Trainingstag einen stärkeren Eindruck hinterlassen. Nico Hülkenberg und Gabriel Bortoleto landeten mit 1,3 Sekunden Rückstand nur auf den Plätzen 14 und 15. Die Longruns, wenn man überhaupt davon sprechen konnte, waren wie üblich stark. Da sie aber im ersten Training gefahren wurden, ist es schwer, die Autos miteinander zu vergleichen.
Beide Fahrer waren mit der Fahrzeugbalance noch nicht zufrieden. Bortoleto brauchte trotz mehreren hundert Simulator-Runden relativ lange, bis er in die Nähe von Singapur-Spezialist Hülkenberg kam. Die beiden trennen immer noch fast drei Zehntel. Doch der Brasilianer hat dieses Jahr schon mehrfach gezeigt, dass er schnell lernt.
Bortoleto erwartet wieder eine lange Nachtsitzung mit seinen Ingenieuren. Eine positive Note ist laut Hülkenberg, dass die Strecke und die extremen Bedingungen in diesem Jahr nicht so große Anforderungen stellen wie in der Vergangenheit. "Ich weiß noch nicht, ob es am kühlen Wetter oder an den Kühlwesten liegt."












