Das Saisonfinale in Abu Dhabi (7.12.) beendete mehrere Ären der Formel-1-Neuzeit. Zum einen verschwinden die Groundeffect-Autos nach nur vier Jahren. Zum anderen endete mit dem letzten WM-Lauf des Jahres die erste Phase des Hybrid-Zeitalters mit Turbo-Power. Seit 2014 trieben V6-Verbrenner die Autos an, die zum ersten Mal in der F1-Geschichte über einen signifikanten Anteil an Elektro-Leistung verfügten.
Insider werden richtigerweise sagen: Es gab doch schon 2009 Autos mit KERS-Antrieb, ab 2011 waren sie dann permanent verbaut und nicht nur bei einzelnen Teams inkludiert. Das stimmt, allerdings unterstützten sie die V8-Sauger nur sporadisch und waren keine technischen Wunderwerke wie die komplexen Power Units.
Diese forderten alle Hersteller heraus und brachten sie an ihre Grenzen. Im ersten Jahr der neuen Technik verzweifelten Ferrari und vor allem Renault an der Aufgabe, sowohl ausreichend Leistung als auch Zuverlässigkeit aus den Hybrid-Antrieben zu quetschen. Mercedes hatte mit Abstand den besten Job gemacht und zehrte lange von dem Vorsprung. Während die drei etablierten Hersteller schon 2014 dabei waren, kündigte Honda an, erst ab 2015 wieder in der Formel 1 mitmischen zu wollen.
Honda stottert das ganze Jahr
McLaren hatte den Zuschlag für exklusive Werksmotoren aus Sakura erhalten. Die Experten und Fans erinnerten sich an die Traumehe der beiden Partner Ende der 1980er-Jahre, die bis 1992 anhielt und mehrere WM-Titel holte. Doch wie ist das nochmal mit der alten Liebe? Manchmal sollte man sie nicht nochmal aufwärmen.
Schon bei den ersten Testfahrten in Abu Dhabi nach dem Finale 2014 war klar, dass Honda meilenweit zurückliegt. Der damalige Nachwuchspilot Stoffel Vandoorne kam mit einem umgebauten MP4-29 kaum zum Fahren. Der Motor zickte an allen Ecken und Enden. Den Beteiligten war klar: Diesen Rückstand könne man bis zum Saisonstart in Melbourne niemals aufholen.
Elektro-Power macht Honda Probleme
Hoffnungslos unterlegen und chronisch leistungsschwach belegten die McLaren MP4-30 von Jenson Button und Rückkehrer Fernando Alonso in der Saison die hinteren Startreihen und kämpften mit Hinterbänkler Marussia. Gerade mal lächerliche 27 Punkte klaubten die beiden Ex-Champions zusammen. Das bedeutete den vorletzten Platz in der Konstrukteurs-Wertung.
Die Probleme des Honda-Antriebs waren vielschichtig. Der 1,6 Liter große V6-Turbo präsentierte sich zu durstig. Ein weiterer Mangel des RA615H brachte die Elektro-Power. Meist reichte die Energie nur für eine halbe Runde, dann war die Batterie leergesaugt. Die Zuverlässigkeits-Probleme setzten dem Debakel die Krone auf. Es gab Rennen, da erhielten die Piloten Strafen von rund 70 Startplätzen, weil die Mechaniker permanent die Power Unit tauschten. In der Realität mussten sowohl Alonso als auch Button aber natürlich nicht von einem fiktiven 90. Platz losfahren.
Zur Rettung Hondas sei gesagt, dass die Schuld nicht alleine bei den Japanern lag. McLarens Designer hatten sich auf das Size-Zero-Konzept festgefahren. Der Rennwagen war vor allem am Heck extrem schmal, das versprach in der Theorie Vorteile, doch zwang Honda zu Kompromissen. Dazu zählte unter anderem ein kleiner Turbolader. Die Kühlung war zudem eine Schwachstelle, die auch das dogmatische McLaren-Konzept hervorbrachte.

Ein häufiges Bild der Saison 2015: Der McLaren-Honda steht neben der Strecke.
Honda kritisiert McLaren
Die Japaner bezogen 2015 von McLaren mächtig Prügel. Die öffentlichen Attacken gleichen im Land der aufgehenden Sonne einem Gesichtsverlust. Interessant ist, dass Honda auf seiner offiziellen Website in der Geschichte des RA615H den Spieß umdreht: "Neben den Schwierigkeiten, den RA615H in kurzer Zeit zu entwickeln, standen die Ingenieure auch vor der Herausforderung von McLaren, die Größe der Antriebseinheit zu minimieren, um die Fahrzeugleistung zu optimieren. Das Konzept, dieses später als 'Size Zero' bezeichnete Fahrzeug zu bauen, war zwar theoretisch richtig, doch die Herausforderung, die hohe Leistung der Antriebseinheit mit ihrer Zuverlässigkeit in Einklang zu bringen, erwies sich als größer als erwartet."
In der Praxis ordnete Honda die Power Unit wie folgt an: Die MGU-H war mit dem Verdichter vorn und mit der Turbine hinten angeordnet. Die gesamte Einheit von Turbo und MGU-H platzierten die Techniker in der V-Bank des Motors, das diente, um auf die gewünschte Länge des Verbrenners zu kommen. Allerdings hatte diese platzsparende Bauweise einen Haken. Mögliche Leistungssprünge waren begrenzt, weil Turbo und MGU-H über dem Verbrenner saßen. Deshalb waren Ansaugluft und Ölläufe begrenzt. Auch bei der Größe von Turbine und Verdichter waren Honda die Hände gebunden.
Dazu kam, dass die enge Bauweise und Anordnung schlecht gewartet werden konnte. Einzelne Komponenten waren schwer zu erreichen, häufig wechselten die Techniker einfach die ganze Antriebseinheit. Doch Honda gibt auch eigene Fehler zu. Die Entwicklung bei der Leistung der MGU-H hatte man in Sakura verpennt. Die anderen Hersteller hatten hier einen Vorsprung, der sich nicht so leicht aufholen ließ. Insidern zufolge soll der Honda-Verbrenner eine Leistung von 550 PS erzeugt haben. Das Aggregat von Mercedes lag bei rund 600 PS. Der Rückstand bei der Elektro-Power und die schlechte Effizienz sorgten bei der Systemleistung für eine noch höhere Differenz. Ein Defizit von 100 PS erscheint plausibel.

Fernando Alonso ließ fast keine Gelegenheit aus, um Honda für den schwachen RA615H zu kritisieren.
Alonso versetzt Tiefschlag
Die Gründe für das schwierige erste Honda-Jahr kannte auch Fernando Alonso. In seiner Wut über sein Fahrzeug versetzte der zweimalige Weltmeister in Suzuka den Japanern einen schweren Schlag. Als er beim Heimspiel des Motorenpartners auf der langen Start- und Zielgeraden locker überholt wurde, keifte er am Funk: "GP2-Engine, GP2. Aargh!" Die Anspielung auf die GP2-Serie, mittlerweile Formel 2, war leicht zu verstehen: Honda ist zweitklassig. Eine Demütigung – und das vor laufenden Kameras.
Wer gehofft hatte, dass McLaren und Honda in den Folgejahren schnell den Anschluss an die Spitze finden würden, wurde enttäuscht. Zwar ging es 2016 etwas vorwärts, doch 2017 fiel man wieder auf Platz neun in der Konstrukteurs-Wertung zurück. Das Tischtuch war zerschnitten. Honda war die permanenten Angriffe der Teamführung und Alonsos Leid. McLaren sah sich zu höherem berufen und verbaute fortan Renault-Motoren im Heck. Honda wurde bei Toro Rosso glücklich und belieferte Red Bull im Jahr darauf. Während McLaren auch mit den französischen Antrieben keine großen Sprünge machte, entwickelte sich Honda mit Red Bull in den späteren Saisons wieder zu einer Motoren-Macht.
Nun steht Honda, wie die namhafte Hersteller-Konkurrenz, vor der Mammut-Aufgabe des neuen Reglements, das ab 2026 greift. Die Elektro-Power steigt massiv und macht fast 50 Prozent der Systemleistung aus. Honda sollte aus der Vergangenheit gelernt haben. Ein Abschmieren wie 2015 mit dem RA615H wollen die stolzen Japaner unbedingt vermeiden.












