In kaum einem Sport wird der Wettbewerb so hart geführt wie in der Formel 1. Auf der Strecke kämpfen die Fahrer, während im Hintergrund ein erbarmungsloses Entwicklungsrennen in den Fabriken läuft. Die Technik hat bekanntlich einen großen Einfluss auf die Erfolgsaussichten. Seit das Budget-Cap im Jahr 2021 eingeführt wurde, herrscht zumindest bei den Finanzen Chancengleichheit.
Um den schwächeren Teams bessere Möglichkeiten zu geben, einen Rückstand wieder aufzuholen, haben sie die Verantwortlichen der Königsklasse aber bei der Aerodynamik-Entwicklung auf ein Bonus-System verständigt. Je schlechter ein Rennstall im Konstrukteurspokal platziert ist, desto mehr Windkanal-Stunden und CFD-Läufe gibt es als "Belohnung".
Die Tabelle, in der festgehalten ist, wer wie viel testen darf, wird zwei Mal im Jahr angepasst – einmal am Ende der Saison und einmal Ende Juni. Schon jetzt ist klar, dass McLaren als Konstrukteursmeister im ersten Halbjahr 2026 die geringste Zeit im Windkanal verbringen darf. Wie es dahinter aussieht, steht aber noch nicht fest. Fast um alle weiteren Plätze wird in den letzten drei Rennen noch verbissen gekämpft.
Aero-Ressourcen sehr wertvoll
Das Problem dabei: Selten waren die verfügbaren Ressourcen für die Aerodynamik-Entwicklung so wertvoll, wie in der kommenden Saison. Über den Winter wird ein komplett neues Reglement eingeführt. Die Lernkurve in allen Fabriken ist steil. Wenn die Autos bei den Wintertests erstmals auf die Strecke gehen, gilt es für alle Ingenieure, gute Ideen der Konkurrenz so schnell wie möglich zu übernehmen und eigene Schwächen zu beseitigen. Da hilft jede Minute im Windkanal.
Wer jetzt im Endspurt in der WM-Wertung noch einen Sprung nach oben macht, muss also nächstes Jahr dafür bezahlen. "Jedes Team wird sicher schon genau berechnet haben, wie es mit der Windkanalzeit 2026 aussehen könnte", erklärt Aston-Martin-Einsatzleiter Mike Krack. "Für uns im Rennteam an der Strecke zählt aber nur, die bestmöglichen Resultate einzufahren. Die restlichen Diskussionen und Entscheidungen überlasse ich den anderen."
Mercedes-Chefingenieur Andrew Shovlin gibt zu, dass es relativ leicht zu berechnen ist, was für Auswirkungen ein schlechteres Abschneiden hätte. "Wie gut man weiterentwickelt, hängt aber nicht nur davon ab, wie viele Runs man im Windkanal zur Verfügung hat. Das konnte man ja auch an McLaren sehen. Die hatten für dieses Jahr die wenigsten und haben trotzdem den besten Job erledigt."

Je schlechter die Platzierung in der Hersteller-Wertung ist, desto mehr Windkanal-Zeit erhält ein Team.
Prämien vs. Windkanalzeit
Der Brite würde deshalb auch nicht freiwillig eine bessere Position in der aktuellen Saison opfern: "Mir wäre es lieber, wenn wir uns jetzt den zweiten Platz in der Teamwertung sichern und danach überlegen, wie wir mit den Auswirkungen auf die Windkanalzeit umgehen. Mitte nächsten Jahres gibt es ja sowieso noch einmal eine Anpassung. Wir würden niemals aus strategischen Gründen versuchen, nur Vierter zu werden."
In gewisser Weise haben die Teams aber mit dem frühen Einstellen der Entwicklung an den aktuellen Autos schon die Chancen auf ein besseres Ergebnis verringert. Man darf gespannt sein, wer 2026 dafür belohnt wird: "Wir mussten uns selbst disziplinieren und haben darauf verzichtet, noch ein spätes Upgrade zu bringen, um uns das Leben im Kampf um Platz zwei etwas leichter zu machen", erklärt Shovlin.
Mercedes hat aus der Vergangenheit gelernt: "Bei einem neuen Reglement ist es das Wichtigste, mit einem Vorsprung zu starten. So haben wir schon einige Meisterschaften gewonnen. Beim letzten großen Wechsel in der Saison 2022 ging es aber mit einem Rückstand los, dem wir lange hinterhergerannt sind. Red Bull hat dieses Jahr noch ein spätes Upgrade gebracht. Aber die meisten anderen Teams, die wir 2026 im Kampf vorne erwarten, haben es so gemacht wie wir."
Während einige Aerodynamiker vielleicht insgeheim hoffen, mehr Ressourcen für 2026 zu bekommen, haben die Teamchefs eine klare Meinung. "Jeder Platz, den wir im Mittelfeld weiter vorne stehen, ist zehn Millionen an Prämien wert", rechnet Toro-Rosso-Geschäftsführer Peter Bayer vor. "Das sind gewaltige Summen. Deshalb werden wir mit den verfügbaren Mitteln bis zum Ende hart um jeden einzelnen Punkt kämpfen."












