McLaren-Chef warnt vor Red-Bull-Comeback: Ist Verstappen jetzt ein Titelkandidat?

McLaren-Chef warnt vor Red-Bull-Comeback
Ist Verstappen jetzt wieder ein Titelkandidat?

GP Aserbaidschan 2025
ArtikeldatumVeröffentlicht am 22.09.2025
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Es war nicht das Wochenende von McLaren. Die WM-Feier musste verschoben werden. Mit nur sechs Punkten lieferte der WM-Spitzenreiter sein bislang schlechtestes Saisonergebnis ab. Er verfehlte sein Ziel, Ferrari und Mercedes so zu distanzieren, dass der Truppe aus Woking der Konstrukteurs-Titel nicht mehr zu nehmen ist.

Der zweite Sieg von Max Verstappen in Folge bringt jetzt zusätzlich Druck ins Spiel. Wird die Fahrer-WM nun doch wieder zum Dreikampf? Der Weltmeister hat zwar immer noch 69 Punkte Rückstand auf Oscar Piastri und 44 Zähler auf Lando Norris, doch das ist für McLaren-Teamchef Andrea Stella keine Beruhigungspille: "Schreibt es euch in Großbuchstaben auf: Max ist ein WM-Kandidat!"

Der Italiener lieferte auch gleich die Erklärung dafür, warum man Verstappen nie abschreiben darf. "Weil es Max ist. Weil er nicht umsonst vierfacher Weltmeister geworden ist. Weil sich unsere beiden Fahrer die Punkte gegenseitig wegnehmen." McLaren lässt Norris und Piastri trotzdem gegeneinander fahren und will sich erst auf einen festlegen, "wenn für alle klar ist, dass nur noch einer von ihnen eine echte Chance hat."

McLaren-Duell gut für Verstappen

Der Punkt liegt laut Stella noch in weiter Ferne. Aber er könnte kommen. So wie letztes Jahr, als man Piastri nach dem GP Singapur bat, im Ernstfall für seinen Teamkollegen zurückzutreten. Der Australier willigte unter der Voraussetzung ein, dass Norris das gleiche für ihn tun muss, sollten die Vorzeichen einmal andersherum stehen. In diesem Jahr haben beide McLaren-Fahrer gute Chancen auf den Titel. Und sollte das bis zum Schluss so bleiben und die Papaya-Rules Verstappen vielleicht den Titel zuspielen, dann müsse man das ertragen können, sagt Stella.

Verstappen selbst nimmt das Wort WM-Titel wieder vorsichtig in den Mund: "Ich verlasse mich nicht auf das Prinzip Hoffnung. Es sind noch sieben Rennen übrig, und 69 Punkte sind viel Holz. Deshalb denke ich nicht darüber nach. Ich lebe von Rennen zu Rennen, und versuche überall das Beste herauszuholen."

Max Verstappen - Red Bull - GP Aserbaidschan - Baku - Formel 1 2025
Joe Portlock via Getty Images

Kann Red Bull mehr als nur schnelle Strecken?

Der Titelverteidiger nutzt jede Chance, die ihm die Umstände bieten. Er muss auf Teampolitik keine Rücksicht nehmen. Bei Red Bull ist Max der Chef im Ring. Das macht ihn für McLaren so gefährlich. Auf schnellen Strecken wie Monza und Baku fährt der Red Bull RB21 auf Augenhöhe mit den McLaren. Stella ist der Meinung, dass Red Bull auf diesem Typ Rennstrecke, auf denen wenig Abtrieb gefordert ist, das effizientere Auto hat.

Doch der McLaren-Chef warnt davor, den Zwischenspurt des Gegners nur auf die Streckencharakteristik zu schieben. "Red Bull hat seit drei Rennen generell ein besseres Auto. Der neue Unterboden hat überall Fortschritte gebracht. Sie stimmen ihr Auto anders ab. Man merkt es daran, dass sich Max öfter über das Aufsetzen des Autos auf der Straße beklagt. Sie sind auf jeder Strecke ein ernsthafter Konkurrent geworden."

Auf dem Papier müssten die nächsten Stationen in Singapur, Austin und Mexico-City eigentlich McLaren-Land sein. Da ist die Aerodynamik wieder in dem Fenster, in dem sich der MCL39 wohlfühlt. Da gibt es wie in Zandvoort mittelschnelle bis schnelle Kurven, in denen stabiler Abtrieb verlangt wird.

Stella macht sich Mut: "Ganz chancenlos waren wir auch in Baku nicht. Oscar lag auf seiner Crash-Runde im Q3 zwei Zehntel unter der Bestzeit. Wir hatten auf einer Strecke, die uns nicht so liegt, immerhin den Speed für die Pole-Position."

Stella verteidigt seine Fahrer

Insgeheim schwingt aber doch die Furcht mit, Red Bull könnte auch da den Schlüssel gefunden haben und die unerwartete Bedrohung den Druck auf die McLaren-Fahrer erhöhen. Deshalb beeilt sich Stella zu sagen: "Die Unfälle von Oscar oder der siebte Platz von Lando haben nichts mit Druck zu tun. Alle Champions haben ein Wochenende pro Jahr, wo sie Fehler machen. Oscar ist einer der stabilsten Fahrer im Feld überhaupt. Der Unfall wird ihn nicht zurückwerfen, sondern ihm eine Lehre sein."

Das Unheil bahnte sich schon beim Start an, als Piastri übermotiviert vor dem Erlöschen der Ampel kurz anrollte. Statt durchzuziehen, ging er vom Gas und rutschte auf den 18. Platz ab. Dann passierte ihm in Kurve 5 das Gleiche wie am Tag zuvor. Er überschätzte den Grip und war am Kurveneingang zu schnell. Piastri unterschätzte auch die Turbulenzen, die sich in der Startrunde mitten im Feld aufbauen. Für einen, der ständig vorne fährt, war das Neuland.

Lando Norris fuhr als Siebter los und kam als Siebter an. Stella gab dem schwachen DRS-Effekt und der geringen Reifenabnutzung die Schuld dafür, dass sein Mann im Verkehr steckenblieb. "Wir waren in Kurve 16 nicht schnell genug, dicht auf den Vordermann aufzuschließen. Kritikern, die Norris vorwarfen er hätte nicht aggressiv genug attackiert, entgegnete Stella: "Kein anderer Fahrer im Feld wäre besser als Siebter geworden. Lando ist mit dem Auto, das wir ihm gegeben haben, ein gutes Rennen gefahren."

Oscar Piastri - McLaren - Formel 1 - Baku - GP Aserbaidschan 2025
Jayce Illman via Getty Images

Verstappen hat nichts zu verlieren

Mindestens ein Platz ging durch einen weiteren schlechten Boxenstopp verloren. Es war der sechste über 3,5 Sekunden seit Silverstone. "Mit einem normalen Boxenstopp hätten wir mit Lawson um den fünften Platz gekämpft", rechnete Stella vor. Er gibt zu, dass die Reifenwechsel zu einer Problemzone für McLaren geworden sind. Der Teamchef gibt auch der Ausrüstung die Schuld. "Da müssen wir nachlegen. Wir geben unseren Jungs nicht das Material in die Hand, mit dem sie gute Stopps abliefern können."

Verstappen kann sich die Pannen bei McLaren gelassen anschauen. Er fährt derzeit nach dem Motto, dass er nichts zu verlieren hat. Er kann riskieren. McLaren nicht. "Diese Saison war für uns ein ziemliches Hin und Her. Deshalb ist es schon ein großes Plus auf zwei Strecken gewonnen zu haben, auf denen wir letztes Jahr nicht gut waren." Das psychologische Moment ist im Augenblick auf seiner Seite.

Fazit