Die 88. Ausgabe des 24h-Rennens in Le Mans kann unter diesen Umständen kein Kracher werden: Die Fans wurden wegen Corona ausgesperrt, die Herstellerklassen sind dünn besetzt, die Wirtschaftskrise drückt aufs Gemüt.
Die 88. Ausgabe des 24h-Rennens in Le Mans kann unter diesen Umständen kein Kracher werden: Die Fans wurden wegen Corona ausgesperrt, die Herstellerklassen sind dünn besetzt, die Wirtschaftskrise drückt aufs Gemüt.
"Aber das hatten wir doch schon in der Vergangenheit: Die Privatfahrer waren immer das Rückgrat im Langstreckensport!" WM-Chef Gérard Neveu wiegt den Kopf, so als könne er selbst nicht glauben, was er da eben gesagt hat. Dem Le-Mans-Veranstalter ACO ging und geht es immer um Hersteller, denn mit ihnen verdient man am meisten Geld.
Gemessen an der Leitidee, bleiben die Kassen in Le Mans 2020 leer: keine Einnahmen aus dem Ticktverkauf, viele Logen im Hauptgebäude stehen leer, die Marketing-Hospitalities sind gecancelt, nicht mal mit Catering kann man Geld verdienen. Und Hersteller? Ganze vier in zwei Klassen. Warum man das Rennen nicht gleich absagt? "Wir müssen die Flamme des Rennsports am Leben halten", sagt Neveu. Nun, da hat er sicher recht. Was können wir also aus sportlicher Sicht erwarten?
Hätte sich letzte Woche nicht noch das LNT-Ginetta-Team mit einer bahnbrechenden Begründung (Corona!) kurzfristig aus der LMP1-Klasse zurückgezogen, hätte Le Mans wieder 60 Starter gehabt. Die Krux ist die Verteilung: Nur 22 Prozent der Autos kommen 2020 von Herstellern, 78 Prozent sind Nennungen von privaten Teams und Fahrern.
Die vermeintliche Topklasse ist mittlerweile sogar als Feigenblatt zu klein: Ganze fünf Fahrzeuge fahren um den Gesamtsieg, ein Rekordtief. Dazu teilt sich die kleine Schar noch in LMP1-Hybrid (Toyota) und LMP1 ohne Hybrid. Damit beide Fahrzeuggattungen in einer Klasse antreten können, benötigt man aber eine Balance of Performance (BOP).
Das in der Sportwagen-WM (WEC) praktizierte Erfolgs-Handicap-System ist in Le Mans nicht in Kraft. Die BOP kann das Rennen aber leider nicht spannend machen: Toyota hat mit Hybrid und Allrad zwei Trümpfe in der Hinterhand, die sie bei den kühleren Bedingungen in der Nacht (es ist Mitte September, nicht Mitte Juni!) gnadenlos ausspielen können.
Außerdem ist Toyota ein Werksteam, Rebellion Racing und das Kolles-Team sind professionelle Amateur-Teams. Toyota wird bezogen auf die Pace im Rennen keinen Druck von hinten haben, was das Siegen noch einfacher machen dürfte. Spuckt eventuell die BOP den Japanern in die Suppe? Nein: Die TS050 Hybrid treten sieben Kilo schwerer an als 2019, das wird sie nicht vom Siegen abhalten.
Das Toyota-Minimumgewicht von 895 Kilo ist nämlich 37 Kilo geringer als in der laufenden WEC-Saison, wo das Erfolgs-Handicap-System die japanischen Hybrid-Rennwagen bis zur Schmerzgrenze mit Zusatzgewicht gepiesackt hat. Für Le Mans erhielten die Motoren von Rebellion und Kolles größere Restriktoren und mehr Kraftstoff – doch auch das wird Toyota am Ende nicht vom Siegen abhalten.
Etwas mehr Spannung verspricht die GTE-Pro-Klasse, die uns schon 2018 und 2019 über das spannungsarme Geschehen in der Topklasse hinweggetröstet hat: In den letzten beiden Jahren standen dort jeweils 17 Autos von sechs Herstellern am Start – die GTE-Pro-Klasse war die Attraktion in Le Mans!
Das ist 2020 leider nicht mehr der Fall: Ford und BMW sind aus der WEC ausgestiegen, Corvette musste den Einsatz in Le Mans wegen Terminkollisionen mit der IMSA-Serie in Amerika canceln, Porsche strich aus dem gleichen Grund den Einsatz seiner zwei 911 RSR aus der IMSA-Serie.
Somit treffen in der GTE-Pro-Klasse die sechs Topfahrzeuge aus der Sportwagen-WM (WEC) aufeinander, also zwei AF-Corse-Ferrari gegen zwei Manthey-Elfer gegen zwei Aston Martin Vantage von Prodrive. In der Nennliste stehen allerdings acht statt sechs Fahrzeuge: Risi Competizione setzt wie 2019 ein Pro-Auto ein, diesmal für die rein französische Crew Olivier Pla, Jules Gounon und Sébastien Bourdais. Dazu bekam das US-Team WeatherTec-Racing einen Startplatz, obwohl der Ferrari 488 GTE nicht durchgängig mit Profis besetzt ist.
In aller Regel reichen in der extrem ausgeglichenen GTE-Pro-Klasse auch sechs oder acht Autos, um eine gute Show zu liefern – zumindest dann, wenn die BOP passt. Für das Rennen in Le Mans wurde die BOP aus dem Vorjahr nur leicht modifiziert: Der Aston Martin Vantage GTE und der Ferrari 488 GTE Evo starten mit dem gleichen Grundgewicht wie 2019, also 1.246 kg and 1.279 kg. Aston Martin durfte den Ladedruck quer über alle Drehzahlbereiche minimal anheben, gleichzeitig bekam man einen Liter mehr Benzin zugestanden.
Porsche startet mit 1.286 kg und einem 30,0 mm großen Airrestriktor, also nicht unähnlich der WEC-Einstufung für 2019/20, auch wenn man im Vergleich zum Vorgänger im letzten Jahr 20 Kilo zuladen musste und der Luftmengenbegrenzer schrumpfte. Wer anhand dieser Zahlen auf jeden Fall motzen wird, ist Ferrari: Die Italiener wähnten sich schon 2019 in Le Mans chancenlos, da sie einen Topspeed-Nachteil hatten, die Startplätze 8 und 12 waren das Resultat.
Allerdings siegte Ferrari dann etwas überraschend im Rennen, wohl ein Grund, warum die Italiener keine Zugeständnisse bekamen. Insofern dürften Porsche und Aston Martin leicht favorisiert ins Rennen gehen, auch wenn wir aus der Vergangenheit wissen, dass am Ende die Safety-Car-Phasen darüber entscheiden, welche GTE-Pro-Autos das Finale unter sich ausmachen.
Für 2020 wurden im Rahmen der BOP auch die Nachtankzeiten in den GTE-Klassen neu justiert: Die Mindestnachtankzeit nach einem 14-Runden-Stint beträgt in der GTE-Pro-Klasse jetzt 35 Sekunden, in der GTE-Am-Klasse 42 Sekunden.
Wie eingangs erwähnt, stellen die Privatteams aus der LMP2-Klasse (24 Starter) und der GTE-Am-Klasse (22 Starter) 78 Prozent des Starterfeldes. In der GTE-Am-Kategorie wurden die Basisgewichte für Porsche, Ferrari und Aston Martin um jeweils 10 Kilogramm angehoben, das Erfolgs-Handicap-System wird wie in der LMP1-Klasse für das 24h-Rennen Le Mans ausgesetzt.
In der LMP2-Klasse gelten besonders jene Oreca-Kundenteams als Favoriten, die auch in der WEC und der ELMS den Ton angeben, also das britische United-Autosports-Team ebenso wie Jota Racing, Jackie Chan DC Racing, GDrive oder Signatech Alpine Elf.
Ohne Fans wird Le Mans 2020 zu einem Geisterrennen, was die Atmosphäre trüben wird. Doch immerhin findet das Rennen statt, wenngleich mit vielen Einschränkungen. Die wahren Langstreckenfans bekommen bei Eurosport immerhin die volle Live-Dröhnung geboten.
Session | Uhrzeit |
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Technische Abnahme | Mittwoch, 16. Sept., 9-18 Uhr |
1. Freies Training 24h | Donnerstag, 17. Sept., 10-13 Uhr |
2. Freies Training 24h LM | Donnerstag, 17. Sept., 14-17 Uhr |
1. Qualifying-Session 24h LM | Donnerstag, 17. Sept., 17.15-18 Uhr |
3. Freies Training 24h LM | Donnerstag, 17. Sept., 20-24 Uhr |
4. Freies Training 24h LM | Freitag, 18. Sept., 10-11 Uhr |
Qualifying Hyperpole 24h LM | Freitag, 18. Sept., 11.30-12 Uhr |
Warm-up 24h Le Mans | Samstag, 19. Sept., 10.30-10.45 Uhr |
Start 24h-Rennen Le Mans | Samstag, 19. Sept, 14.30 Uhr |
Zieleinlauf 24h-Rennen Le Mans | Sonntag, 20. Sept., 14.30 Uhr |