Der Porsche 911 startete schleppend, seine Entwicklung war nicht ohne Konflikte. Lesen Sie hier, wie es zum 911 kam und was ihn zur Legende macht.
Der Porsche 911 startete schleppend, seine Entwicklung war nicht ohne Konflikte. Lesen Sie hier, wie es zum 911 kam und was ihn zur Legende macht.
Der 911 ist der Porsche schlechthin, ein Sportwagen wie ein mobiles Markenzeichen. Am 11. September 1963 wurde der Urahn der Modellfamilie auf der IAA in Frankfurt vorgestellt. Der 911 ist ein klassischer 2+2-Sitzer. Ursprünglich hieß der neue Porsche nach seinem internen Projektnamen 901, nach einer Intervention von Peugeot wurde er ab Oktober 1964 in 911 umgetauft. Mittlerweile lebt die Modellfamilie in der achten Generation (intern 992).
Doch die unglaubliche Modellgeschichte geriet nur langsam in Schwung. Einige Hindernisse bremsten zunächst die Entwicklung des 911. Die ersten zehn Jahre von der Präsentation auf der IAA in Frankfurt, über die Versionen des Urmodells und die A-Serie des Modelljahrs 1968 bis zum Spitzenmodell Carrera RS des Modelljahrs 1973 zeigen jedoch die ganze Faszination des 911. Für die jungen Ingenieure Ferdinand Piëchund Hans Mezger kam die Arbeit an dem neuen Porsche-Modell wie gerufen: „Wir waren beide ehrgeizig und wollten an dem wichtigen 901-Projekt zeigen, was wir können“, erinnerte sich Mezger später. Er war „zweiter Mann“ im Rennmotorenversuch, Piëchkümmerte sich um die Entwicklung des 901-Triebwerks zum Rennmotor für den Einsatz im 904. Kurze Zeit später war er auch für den Serienmotor zuständig.
Das Grundkonzept des Antriebs für den 2+2-Sitzer stammt immer noch vom VW Käfer: ein luftgekühlter Boxer als Heckmotor und Hinterradantrieb. Der 911 verfügt über einen Zweiliter-Sechszylinder (Typ 901) mit einer obenliegenden Nockenwelle je Zylinderbank und leistet in der Urversion 130 PS. Die Nockenwellen werden von einer Duplexkette angetrieben. Eine Trockensumpfschmierung übernimmt die Ölversorgung des Motors. Das neue Getriebe, welches wie beim 356 vor der Hinterachse montiert ist, verfügt über fünf Gänge.
Auch das Fahrwerk wurde gegenüber dem des 356 wesentlich verbessert. An der Vorderachse übernehmen Federbeine mit Längs-Drehstabfedern die Arbeit – die wichtigste Weiterentwicklung am Fahrwerk gegenüber dem Vorgänger. Dadurch wurde im Vorderwagen mehr Platz für einen größeren Kofferraum gewonnen. Die Hinterräder sind an Längslenkern mit Querfederstäben aufgehängt. Wie beim Vorgänger sorgen Scheibenbremsen für die Verzögerung, allerdings erst ab August 1967 als Zweikreisanlage.
Die Bezeichnung wurde nach einem Brief von Peugeot an Ferry Porsche ab dem 10. November 1964 geändert. Der französische Hersteller beanspruchte dreistellige Ziffernkombinationen mit einer Null in der Mitte ausschließlich für ihre Modelle. Ab der Fahrgestellnummer 300 049 trugen die Porsche den geänderten Modellnamen. Frankrecih war damals für Porsche der drittgrößte Absatzmarkt.
Die Form der 911-Silhouette scheint sich nicht zu verbrauchen und unendlich Raum für neue Interpretationen zu bieten. Sie gehört zum Kanon des klassischen Automobil- und auch Produktdesigns. Doch wer hat es erfunden? Diese Frage hat durch den Einsatz der Nachkommen von Erwin Komenda neue Nahrung bekommen. Hat der seit 1931 für Porsche tätige Karosseriekonstrukteur Komenda die 911-Form gestaltet oder ein Team um den Designer Ferdinand Alexander („Butzi“) Porsche, Ferry Porsches ältester Sohn? Als der Porsche-Spross 1957 in die Firma eintrat, gab es noch kein Designstudio. So startete der damals 21-Jährige im Karosseriekonstruktionsbüro unter der Leitung von Komenda. 1962, und damit mitten in der Entwicklungsphase für den 901/911, stieg F.A. Porsche zum Designdirektor des Familienunternehmens auf. Das Designstudio befand sich (im Erdgeschoss von Werk 1) gleich neben der Versuchswerkstatt.
Mit der Einrichtung dieses Studios wird die Gestaltung der Karosserieform von der Konstruktion des Aufbaus getrennt. Konflikte sind programmiert; Ferry Porsche erinnert sich in seiner Biografie: „Ich habe im Laufe dieser Auseinandersetzung beobachtet, dass ein Karosseriekonstrukteur nicht unbedingt ein Fachmann in bezug auf das Styling ist und umgekehrt, ein Stylingmann nicht unbedingt als ein Experte in Sachen Karosseriekonstruktion angesehen werden kann“. Nach einem „Machtwort“ übergibt er das Modell des T8 – die Studie des 2+2-Sitzers aus dem Designstudios seines Sohnes – an den Geschäftsführer von Reutter, Walter Beierbach, dessen Konstruktionsabteilung den Porsche-Entwurf in Zeichnungen übersetzte. „Als Herr Komenda davon informiert wurde, fiel er zunächst aus allen Wolken, aber nach einigen Wochen war er überzeugt und zog nun in der gewünschten Richtung mit“ so Porsche in seiner Darstellung. Diese Zitate legen nahe, dass die 911-Form aus dem Designstudio stammt. Zu Porsches Team gehörten Heinrich Klie, Hans Ploch, Hans Springmann und Ernst Bolt.
Nur 82 Exemplare wurden vom 901 gebaut. Insgesamt fertigte Porsche vom 901/911 im ersten Baujahr 1964 nur 232 Exemplare. Besonders rar sind die Modelle für den Einsatz im Motorsport: Vom 911 R (210 PS) wurden 1967 nur 20 Exemplare gebaut. Selten sind auch die originalen Rennversionen des Carrera RS, von denen Porsche insgesamt 55 Exemplare gebaut hat. Der erste RSR mit dem Entenbürzel verfügte über einen rund 300 PS starken 2,8-Liter-Motor.
Frank Wilke von Classic Analytics schätzt die Preise für frühe 911 „stagnierend bis leicht sinkend“ ein. So hoch wie noch vor einigen Jahren sind die Preise nicht mehr, wirklich billig ist ein früher 911 allerdings auch nicht: Ein Zweiliter-Coupé mit 130 PS im Zustand 2 notiert zur Zeit bei 165.000 Euro. Zu Zeiten des Preishochs 2015 war ein solches Coupé noch 200.000 Euro wert. „Einzelmodelle, die vor kurzem gehypt wurden, kosten allenfals noch die Hälfte.“ So sei der Preis für einen Softwindow-Targa in den vergangenen vier Jahren von 360.000 auf 195.000 Euro gesunken. Insgesamt seien frühe 911 weniger gehypt, so Wilke weiter.
Frühe 911 faszinieren wegen ihrer puren, ikonischen Form und der ursprünglichen Technik. Weil sie selten sind, liegen die Preise auf einem hohen Niveau – allerdings nicht mehr so hoch wie 2015. Abgesehen von den Preisen sind Ur-Elfer jedoch nicht nur als Sportwagen interessant, sondern auch als Zeugen der Anfänge einer jungen Sportwagenfirma, die heute zu den berühmtesten und wertvollsten Automobilmarken der Welt gehört.