110 Jahre ist der VR-Motor schon alt. Richtig gelesen. 1915 meldete Lancia einen V-Motor mit kleinem Zylinderwinkel an. 1922 kam der V4 genannte Antrieb im Lambda zwischen 2,1 und 2,6 Liter Hubraum. Lancia wählte einen Zylinderwinkel von 14 Grad und konnte so die 4 Zylinder noch unter einem Zylinderkopf realisieren. Bis 1976 verbaute Lancia diese Bauweise.
Die VR-Ära bei Volkswagen
Zum VR wurden V-Motoren mit engem Zylinderwinkel dann erst durch Volkswagen. 1991 kam der erste VR-Motor und vereinte im Namen die Bauweisen des V- und des Reihenmotors. Bis 2018 in Europa setzte VW diese Motoren mit 6 und 5 Zylindern ein. In China läuft der VR6 mit 2,5 Liter Hubraum und 295 PS heute noch in den großen SUV wie dem Talagon vom Band.
Probleme des VR-Motor
So clever die Bauweise des VR-Motors war und ist, so problembehaftet ist sie bei steigender Leistung. Die bisherigen Konstruktionen hatten den Einlass und den Auslasstrakt auf gegenüberliegenden Seiten des Zylinderkopfs. Die bedingte ungleiche Länge der Gaswege für das Gemisch und das Abgas, was das Abstimmen erschwert. Noch etwas schwerer wog der Effekt der ungleichen Abgaswege, die den Zylinderkopf thermisch stärker belasteten. In den ersten Generationen mit 2V-Köpfen punktuell in den Auslassbereichen, die sich immer berührten. In den späteren 4V-Versionen mit DOHC ab 1999 waren die "vorderen" Zylinder immer von den heißen Kanälen der "hinteren" flankiert.
Weiterhin ist ein VR-Motor immer ein Kompromiss aus der kleinstmöglichen Schränkung der Kurbelwelle und dem Winkel der Zylinder. Das neue VR-Konzept von MV Agusta adressiert dieses Problem auf den ersten Blick. Wobei im Cinque Cilindri getauften Motor 2 Kurbelwellen laufen und der VR-Motor so mit dem U-Motor gekreuzt wurde.
Was ist ein U-Motor?
Als U-Motor bezeichnet die Technik einen Hubkolben-Motor mit parallel liegenden Kurbelwellen und getrennten Zylinderbänken. Im Grunde 2 Reihenmotoren mit einem Kurbelgehäuse, was die Bezeichnung Doppelreihenmotor erlaubt. Die Kurbelwellen sind gegenläufig, über Stirnräder verbunden und gleichen sich theoretisch zueinander aus. Als große Dieselmotoren in Lokomotiven kam diese Bauweise zum Einsatz und teilweise als Konzept für Flugzeugmotoren der 1930er-Jahre. Die bekanntesten U-Motoren dürften die 16-Zylinder von Bugatti sein. In den Rennwagen Type 45 kam ein von 1928 bis 1930 U16-Motor mit 3,8 Liter Hubraum und Kompressoren auf bis zu 270 PS.
MV Agusta Cinque Cilindri Konzept als VR-U-Motor
Und dann kam MV Agusta. 2025 stellte der Hersteller edler Motorräder und 37-facher WM-Titel-Konstrukteur einen neuen VR-Motor mit U-Konfiguration vor. Eine Mischung aus beiden Konstruktionen, die versucht, die jeweiligen Nachteile auszugleichen. Zum VR-Motor wird der Cinque Cilindri genannte Motor durch die Lage der Zylinder. Unter einem Zylinderkopf stehen die hinteren beiden Zylinder zwischen den Räumen der vorderen drei. Allerdings wohl mit einem Zylinderwinkel von 0 Grad oder deutlich unter 15 Grad. MV entwickelt diesen Motor als U-Motor mit 2 Kurbelwellen, was das Schränken nicht zwingend nötig macht und wenn dann zum Steigern der Leistung und Senken der Bauhöhe dienen kann.
Und wie schon bei den alten U-Motoren mit vielen Zylindern gleichen die gegenläufigen Kurbelwellen sich aus. Allerdings nicht durch die Zahl der Wangen, sondern durch den Versatz der Hubzapfen. Zumindest theoretisch, denn wie MV die Kurbelwelle plant, ist nicht bekannt. Möglich zum fast perfekten Ausgleich von Massenmomenten und Massenkräften erster Ordnung wäre eine Kombination einer 120-Grad-Kurbelwelle für die vorderen 3 Zylinder mit einer 180-Grad-Kurbelwelle für die hinteren beiden. Übrig blieben Massenkräfte zweiter Ordnung, bedingt durch die hintere Kurbelwelle.
Unabhängig von der Kurbelwellenzahl oder Form: MV Agusta adressiert mit dem Motor eines der Probleme des VR-Motors. Durch den Ansatz, die Abgase wie bei einem V-Motor zu je einer Zylinderseite auszustoßen und gleichzeitig die Ansaugkanäle nach "innen" zu legen, sind alle Gaswege je Ladungswechsel gleich lang. So tangieren die heißen Abgase der hinteren Zylinder nicht mehr die vorderen Brennräume. Allerdings erkauft MV sich da wohl mit Bauhöhe, da die Einspritzung über dem Zylinderkopf liegen muss, was in jeder Art Fahrzeug unbeliebt ist.
Trotzdem möchte MV diesen Motor in die Serie entwickeln und plant Hubräume für Motorräder zwischen 800 und 1.150 Kubik sowie Leistungen von über 240 PS bei 16.000/min und Drehmoment von bis zu 135 Nm bei 8.500/min.
Neuer VR-Motor realistisch?
MV Agusta möchte diesen Motor bis zur Serienreife bringen. Die Nachteile der zweiten Kurbelwelle mit der erhöhten inneren Reibung nebst Gewicht könnte MV durch cleveres Konfigurieren der Hubzapfen ausgleichen, da keine Ausgleichswelle nötig wäre. Weiterhin plant MV die Wasser- und Ölpumpe elektrisch anzutreiben, was den thermischen Wirkungsgrad weiter erhöhen kann. Die Erfolge der U-Motoren im Motorradrennsport – allerdings als 2-Takter – beweisen: Das Konzept selbst hat Potenzial, insbesondere wenn MV durch das Anordnen der Kanäle die thermischen Probleme des ursprünglichen VR-Konzepts löst und gleichzeitig die Ladungswechsel optimieren kann. Der Motor könnte als potenter Antrieb von MMotorrädern dienen im Pkw steht die Bauhöhe durch das zentrale Ansaugsystem wohl im Weg.












