Kann man heute ohne Probleme den VW‑Skandaldiesel EA189 fahren?

Abgasskandal um EA189
So fährt der VW-Skandaldiesel heute

ArtikeldatumVeröffentlicht am 28.09.2025
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Zehn Jahre nach dem VW-Abgasskandal kennen wir alle Antworten auf die Fragen, die wir uns damals stellten. Was wird aus all den betroffenen Autos, von denen die allermeisten den EA189-TDI unter der Haube haben? Wie wirkt sich das Softwareupdate langfristig aus und funktioniert es überhaupt wie geplant? Kann man die Autos auch heute noch guten Gewissens kaufen und im Alltag nutzen?

Ob im Seat Leon, Audi A4 B8, Škoda Superb, dem guten alten VW-Bus oder unzähligen anderen Konzernprodukten: Ein 1.6 oder 2.0 TDI mit Euro-5-Norm ist auch heute noch zu tausenden auf dem Gebrauchtmarkt anzutreffen. Wer an einem günstigen Vielfahrer-Auto interessiert ist und nicht zwangsläufig ins Innere vieler Großstädte fahren muss, der dürfte nicht selten auf den EA189-Diesel treffen. Auch für mich als Autor vieler Gebrauchtkaufberatungen ist er ein Thema, nicht zuletzt, weil sich viele Leser auch Checks von älteren Gebrauchtwagen wünschen. Und – sind wir mal ehrlich – 10 bis 15 Jahre sind durchaus noch kein Alter, wegen dem man ein Auto zum alten Eisen wirft. Also, wie geht's dem Skandaldiesel im Jahr 2025?

Ein lebender Beweis parkt vorm Haus

Schauen wir doch gleich mal nach. Draußen vor der Tür, gleich neben der Straßenlaterne, parkt Golfi. In meinem privaten Fuhrpark ist er das billigste und wertvollste Auto zugleich. Für 1000 Euro habe ich ihn einem Freund abgekauft, nachdem Golfi über ein Jahr lang unter Bäumen vor sich hinmoderte. Schon vorher hatte der 2011er Golf VI 1.6 TDI kein leichtes Leben. Eine Garage kannte er nur vom Hörensagen und mindestens zwei suboptimal reparierte kleine Blechschäden minderten den Wert noch mehr als die bis dahin schon abgespulten 300.000 Kilometer – nicht weniger davon im Großstadtgewirr und auf kurzen Strecken. Eine gründliche Aufbereitung, ein paar simple Wartungsarbeiten, und weitere knapp 50.000 Kilometer später, sieht er noch immer aus, als könne er kein Wässerchen trüben. Er tut seinen Dienst wenn die Stecken lang, das Wetter schlecht, oder andere Autos außer Gefecht sind. Mit seinem candyweißen Lack und den netten Alurädern des "Style"-Sondermodells wirkt Golfi so alltäglich und unauffällig, dass wohl kein Passant ahnen würde, welchen Thriller er 2015 durchgemacht hat.

Gebrauchtwagen VW Golf 6 Kilometerfresser
Caroline Jüngling

Damals hatte er nicht mal die Hälfte seines bisherigen Lebens abgespult. Es war noch nicht lang her, als mein Kumpel ihn aus der adretten Gebrauchtwagenreihe beim VW-Vertragshändler herauskaufte. Dann kam das Schreiben vom Kraftfahrt-Bundesamt, welches sich schon seit Monaten durch die mediale Berichterstattung ankündigte: Das Softwareupdate stünde bereit und solle nun aufgespielt werden. Einige Wochen später (man wollte mal abwarten...) dann der nächste Brief, und danach schließlich die Androhung, dass Golfi stillgelegt werden würde, wenn er nicht endlich sein Update bekäme. Inzwischen gab es erste Anzeichen dafür, dass das Update tatsächlich keine spürbaren Nachteile für den Motor brächte.

Post vom KBA: Was brachte das Update?

Vor dem Update – das war der eigentliche Schummel, gab es gewissermaßen zwei Modi, mit denen die Motorsteuerung lief: einen für Labortests mit signifikant reduzierten Stickoxidemissionen (NOx) und einen fürs echte Leben. Ziel des Updates war es, dass der Motor auch im Normalbetrieb die versprochenen Emissionswerte erreicht. Die Schwierigkeit bestand darin, die ursprüngliche Leistung und das gleiche Drehmoment beizubehalten und dabei weder lauter zu werden, noch einen höheren Verbrauch zu erzeugen. Aus Entwicklersicht war das eine Mammutaufgabe.

Gebrauchtwagen VW Golf 6 Kilometerfresser
Caroline Jüngling

Technisch gesehen wurde die Hochdruckeinspritzung überarbeitet: Die bereits vorhandene Piloteinspritzung zur Reduzierung von Sauerstoff im Brennraum, die den Zündprozess sanfter macht und Stickoxid-Rohemissionen sowie das "Nageln" des Motors mindert, blieb erhalten. Die Haupteinspritzung hingegen wurde neu programmiert; sie erfolgt nun Millisekunden früher und in geringerer Menge, was den Verbrauch senken, aber auch die Leistung reduzieren würde. Um dies zu kompensieren, wurde eine Nacheinspritzung eingeführt, die bewirkt, dass Rußpartikel teilweise bereits im Zylinder verbrennen und das Drehmoment leicht erhöht, sodass die ursprüngliche Leistung wieder erreicht wird. Der maximale Einspritzdruck blieb bei 1.800 bar, im häufig genutzten Teillastbereich wurden die Drücke jedoch leicht auf 600 bis 1.200 bar erhöht. Diese angepasste Einspritzstrategie ermöglichte es dem Motor, mit einer höheren Abgasrückführungsrate (AGR) zu fahren, wodurch die Stickoxid-Menge selbst bei geringeren Außentemperaturen innerhalb der gewünschten Grenzwerte bleibt.

Wie wirkt sich die neue Software auf Dauer aus?

Als Auswirkung stößt der EA189-Motor durch die neue Software zwar weniger Stickoxide aus, erzeugt aber insbesondere im Teillastbereich und bei geringen Geschwindigkeiten (wie im Stadt- und Kurzstreckenverkehr) mehr Rußpartikel. Diese Rußpartikel werden vom Dieselpartikelfilter (DPF) aufgefangen und bei Erreichen eines bestimmten Sättigungsgrades verbrannt, wobei VW versichert, dass dies den Filter nicht beschädigt, da die Temperatur nicht kritische Werte überschreitet. Eine andere Belastung für den DPF ist jedoch Asche, die aus der Verbrennung von Motoröl entsteht und sich im Filter ansammelt, da sie nicht verbrannt werden kann. Dadurch verliert der Filter mit der Zeit seine Wirkung; Volkswagen gibt eine ideale Lebensdauer von mindestens 180.000 Kilometern an, vorausgesetzt, es wird aschearmes, von VW zugelassenes Motoröl verwendet, während billiges Öl den DPF vorzeitig beschädigen kann (Aschearm bedeutet in diesem Fall, dass bei der unvermeidlichen Verbrennung kleinster Ölmengen wenig bis keine Asche entsteht). Ein verstopfter DPF wiederum sorgt für zu hohen Abgasgegendruck, was wiederum den Turbolader stark beansprucht.

TechnikProfi_2020_14_01_8
Audi, Beru, Mercedes-Benz, Renault, Twintec-Baumot, Volkswagen

Nach so viel Theorie liegt der praktische Blick auf unseren Beispielgolf nahe. Der zeigte 2020, also fünf Jahre nach dem Update tatsächlich an, dass der DPF nicht mehr regeneriert werden könne. Das war jedoch bei 240.000 Kilometern, also satte 60.000 nach der Mindesthaltbarkeit, die VW prognostiziert. Nach einer professionellen Reinigung in einem auf Ausbrennverfahren spezialisierten Fachbetrieb im Rheinland, tut der originale DPF nun schon weitere 100.000 Kilometer lang seinen Dienst, bislang ohne Probleme. Golfi dieselt unverändert flink und sparsam (rund 4,5 Liter auf 100 km im gemischten Überland- und Autobahnbetrieb).

Kann man heute einen EA189 problemlos kaufen?

So entsteht ein deutliches Zwischenfazit. Wer nicht ständig in Euro-6-Innenstädte fährt und auf der Suche nach einem zuverlässigen und sparsamen Auto zum Kilometerfressen ist, findet in den unzähligen Konzernmodellen mit 1.6 und 2.0 TDI was er sucht. Einzige Bedingung: Der Rußpartikelfilter muss gesund sein. Aufschluss darüber lässt sich zumindest grob durch schnelles OBD-Auslesen erhalten, besser aber noch durch ein vollgestempeltes Wartungsheft mit der richtigen Ölspezifikation. Die Firma Barten aus dem rheinischen Wegberg, die schon seit DPF-Frühzeiten als fachliche Instanz zum Thema DPF-Reinigung Beachtung findet, veranschlagt einen Basispreis von 375 Euro, zu dem natürlich noch mögliche Demontagekosten usw. kommen können.

Die Auswahl an entsprechenden Modellen ist groß, da der Diesel in seinen unterschiedlichen Leistungsklassen in den allermeisten VW-Konzernautos zu finden war. Im Klartext bedeutet das: Jeder Diesel von Audi, VW, Seat oder Skoda mit 1.6 bzw. 2.0 Litern Hubraum (75 bis 180 PS) und Euro 5 besitzt die betroffene Motorentechnik. Erst mit dem Golf 7 (auch anfänglich noch mit Euro 5) wurde der Nachfolger EA288 verbaut. Bis auf den sehr empfindlichen 180-PS-Biturbo im T6 gelten alle als grundsolide, sofern alle 210.000 Kilometer der trockene Zahnriemen des Ventiltriebs getauscht wird. Im Zuge dessen empfehlen wir auch den Tausch des nass laufenden Riemens, der die Ölpumpe antreibt. Trotz der oft kritischen Technik, sind hierzu keine Probleme bekannt. Übrigens, strenggenommen gehört auch der 1.2-Liter-Dreizylinder-Diesel, wie er in Polo und Co. verbaut wurde, zur Motorenfamilie. Sofern die Abgasreinigung ordnungsgemäß funktioniert, sind sie alle empfehlenswert. Kritischer sind da eher die damaligen DSG-Versionen (Schaltgetriebe sind sicherer) bzw. erste aufkommende Rostprobleme bei einzelnen Modellen.

In der Bildergalerie präsentieren wir Ihnen eine Auswahl an EA189-Beispielautos.

Fazit