Das Leben ist selbst mit einem Mustang Dark Horse kein Ponyhof. Vor allem, wenn es darum geht, einen würdigen Gegner zu finden. Einen, der sich traut: BMW. Doch schicken uns die Bayern mangels Verfügbarkeit einen M3 statt eines M4 zum Test. Kein Beinbruch, denn ohnehin scheinen die Rollen in der Alten und Neuen Welt klar verteilt – seit Jahren, sogar Jahrzehnten gewachsen, wenn Sie so wollen.
Aber der neue Mustang rüttelt kräftiger denn je am Klischee des Ami-Coupés, das nur die Quartermile kann. Auf der anderen Seite des Teichs hat man sich bei der M GmbH zwar nicht auf den Lorbeeren ausgeruht, sich über die Jahre aber einen kleinen Bauch angefressen. Ja, der M3 ist ein Schwergewicht, darf sich in der Summe seiner Eigenschaften aber immer noch als Benchmark der Klasse verstehen.
Doch bevor wir aufdröseln, wie es auf der schnellen Runde in Hockenheim lief, noch ein kleiner Ausflug auf den Dragstrip. Eigentlich die Paradedisziplin des Mustang, oder? Zumindest sind die Amis so crazy und programmieren dem Dark Horse einen Line-Lock-Modus ins digitale Gehirn: Die Vorderachse beißt sich im Asphalt fest, während sich die hinteren Gummis auf dem NitrOlympX-Strip stinkend in Rauch auflösen.
Völlig von der Line Lock

Mit 454 PS und manuellem Sechsganggetriebe liefert der Dark Horse puristischen Fahrspaß im echten Pony-Car-Style.
Also wird der von unzähligen Beschleunigungsduellen schwarz gummierte Hockenheim-Belag zum Dragstrip. Im gleichnamigen Modus, der den mechanischen Bauteilschutz des Mustang aufgibt und das Magnetic-Ride-Fahrwerk vorspannt, soll das Sprinten am schnellsten gehen. Dazu inszeniert Ford einen Drehzahlmesser im Stil des Bandtachos der klassischen 64er-Modelle plus Startampel im Digitalcockpit und installiert eine Launch Control mit variablem Drehzahlmanagement sowie individualisierbarer Schaltpunkt-Anzeige.
Fuß aufs Gas, Countdown abwarten, während sich der V8 eingrollt. Dann schiebt er los und erschüttert das gesamte Infield mit den Salven seiner Vierrohr-Abgasanlage. Das Ergebnis? Besser denn je. Um den Dark Horse wirklich zum Blitzstart zu bewegen, sollte man das Gaspedal lieber selbst mit Gefühl modellieren, sonst verrauchen die 454 PS und 540 Nm Drehmoment. Das geschieht beim Driften natürlich gewollt. Dazu reißt der Fahrer – und das macht den Wahnsinn perfekt – beim Dark Horse an einer elektrischen Fly-off-Handbremse, die mit einem Zug kurzzeitig die Hinterräder blockiert und so die Querfahrt mit der Brechstange einleitet.

5,0-Liter-V8-Sauger mit 454 PS – pure, unverfälschte Muscle-Car-Power.
Wie beim alten Mach 1 nutzt Ford die weiterentwickelte manuelle Tremec-Schaltung mit verkürzten Wegen aus den Shelby-Modellen samt sechstem Overdrive-Gang. Und wie beim Vorgänger verlangt ihre Führung Muskelkraft. Die Präzision stimmt jetzt, ebenso wie die Zeit. Mit fester Hand geschaltet läuft der Dark Horse nach 5,1 s über die 100er-Tachomarke, womit er sogar die Werksangabe von Ford knapp unterbietet.
Stärker, leichter, schneller
Zumal der M3 diese Übung einfach abhakt. Er schnalzt Launch-kontrolliert so schnell los, wie man den Fuß vom Kupplungspedal lupft. Keines der 480 Pferdchen scharrt mit den Hufen, während der Reihensechser innen gefühlt noch krasser randaliert als der V8 von außen. Dabei ist der M3 auf Anhieb, wiederholbar und verlässlich fast eine Sekunde schneller auf 100 als der Mustang. Ein Vorsprung, den der rund 100 kg leichtere Viertürer (jaha, der Mustang geriet noch moppeliger als der M3!) bis Tempo 200 weiter ausbaut. Bei 290 km/h scheitert der BMW am elektronischen Widerstand (ohne Driver’s Package für 2.450 Euro schon bei 250 km/h). Der Ford gibt bei 267 km/h auf.

Die schöne Quertreiberei gelingt im M3 noch leichter als im Dark Horse.
Und andersherum? Da verzögern beide auf ähnlichem Level: Während sich der M3 mit warmer Bremse bei respektablen 33,4 Metern Weg aus Tempo 100 festbeißt, unterbietet ihn der Mustang mit warmer Anlage sogar knapp. Noch viel wichtiger: Beide Bremsanlagen erscheinen Trackday-tauglich – und das ist beim Ami tatsächlich die Big News!
Den Beweis tritt der Mustang auf dem GP-Kurs in Hockenheim an. Das Pony wechselt mit angelegter Gerte, aber ohne elektronische Scheuklappen vom Trab in den Galopp. Von der einstigen Kopflastigkeit ist auf der Rennstrecke kaum noch etwas zu spüren. Der Dark Horse kurvt bemerkenswert neutral abgestimmt mit enormem Grip an der Vorderachse. Ein bisschen mehr Gefühl dürfte die Lenkung noch liefern, dafür passt das Maß der Direktheit.

3,0-Liter-R6-Biturbo mit 480 PS – explosiver Schub aus jedem Drehzahlbereich.
Die Leistung des 5,0-Liter-Saugers lässt sich bis in den mittleren Drehzahlbereich fein dosieren. Aber Obacht: Kurvenausgangs sollte man nicht zu hart ans Gas gehen, denn der digitale Drehzahlbalken schlägt ab 5.000 Touren sprunghaft aus. Wer jetzt nicht schnell gegensteuert, schaut sich den Ring in entgegengesetzter Richtung an. Insgesamt ist die Leistung aber gut dosierbar. Die Anschlüsse des Sechsganggetriebes passen, und das automatische Zwischengasen beruhigt das Coupé spürbar.
Noch mehr Track-Performance? Die gibt’s in Bayern. Mit dem M3 auf der Rennstrecke? Das ist eine ganz andere Welt. Und zwar eine schnellere, viel präzisere. Eine Runde in der Power-Limo relativiert ganz schnell alles, was zuvor im Dark Horse passiert ist. Der M3 läuft lockerer, selbst mit Fahrdynamik-Longe. Schier unglaublich spielerisch, wie er sich in S-Kurven wickelt. Egal welche Radien, egal welches Tempo: Einlenken, und der M3 folgt, klebt sich auf der Ideallinie fest. Okay, seine Lenkung wirkt ein wenig lasch, und das Vorderachsgefühl bleibt im Vergleich ein wenig diffus. Kurvenscheitel lassen sich dennoch präziser sezieren und die Linie nach Belieben modellieren. Das liegt auch daran, dass das BMW-Set-up noch mehr Feintuning ermöglicht, das spürbarere Auswirkungen auf das Fahrverhalten hat.

Der dicke Kranz liegt nicht so gut in der Hand wie der Schaltknauf.
Und auch der Reihensechser spielt in einer anderen Liga. Der Turbomotor drückt bereits aus den Kellerregionen kräftiger als der V8-Sauger im Ford und hat vor allem ab 200 km/h noch ohne Ende Kraftreserven. Die verwaltet das feine Sechsganggetriebe, bei dem die Anschlüsse ebenfalls stimmen, auch wenn die Gänge nicht ganz so packend einrasten.
Das gerade Erlebte untermauert die Rundenzeiten-Differenz von rund drei Sekunden. Klingt nach einer klaren Angelegenheit. Doch auch der Mustang besitzt feine Handling-Qualitäten, die erst abseits der Rennstrecke so richtig zum Tragen kommen. Die Ford-Jungs straffen das im Dark Horse serienmäßige MagneRide-Fahrwerk für den Europa-Markt, trimmen es aber nicht auf das wenig herzliche M3-Niveau. So bewegt sich der Mustang-Aufbau beim Kurven mehr als der des BMW. Doch das darf man als Kommunikation verstehen. Mit seinen 275er-Hinterrädern sowie dem Shelby-Hinterachssperrdifferenzial baut das Coupé abseits der planen Rennstrecke eine Menge Traktion auf. Handling ist also kein Fremdwort mehr, das im Google-Übersetzer verloren geht. Die Vorderachse gewährt trotz der etwas künstlichen Rückmeldung vor allem auf kurvigen Landstraßen viel Vertrauen.

Standfeste und feiner dosierbare Bremse: Die volle Wirkung entfaltet sich erst auf der Rennstrecke.
Auf buckeligem Asphalt verliert der Dark Horse nicht den Anschluss – im Gegenteil. Denn die Frontkamera scannt den Belag und bereitet so die magnetischen Dämpfer auf Unebenheiten vor. Allerdings übersieht der Ford dabei gern das ein oder andere Schlagloch. Im Vergleich zum straffen M3 mit den schockierend schmalen und steifen Reifenflanken bietet der Ami jedoch deutlich mehr Abroll- und Federungskomfort. Zudem betten einen die Ledersitze nicht nur in langstreckentauglichen Couch- Komfort, sondern stützen auch tatsächlich mit gutem Seitenhalt.
Den besseren Arbeitsplatz findet der Fahrer dennoch im BMW vor. Das fängt schon mit der tiefen Position in den optionalen ausgesparten Carbon-Schalensitzen an. Sie lassen sich zwar elektrisch verstellen, setzen aber wegen der hohen festen Seitenwangen einen Yoga-Grundkurs beim Ein- und Ausstieg voraus.
Der Preis ist ein Argument

4,3 Sekunden vergehen im M3 aus dem Stand auf 100 km/h. Der Mustang ist mit bestenfalls 5,1 Sekunden spürbar langsamer.
Ordentlich geschröpft wird auch das Konto, wenn man in München einkauft. Klar, eher unwahrscheinlich, dass wir hier kaufberatend tätig werden müssen. Schließlich sind sowohl das Coupé des Ford als auch BMWs Limo Autos für echte Marken-Fans, die sich wohl nie für den jeweils anderen Sportler interessieren würden. Doch der M3 kostet als – zugegebenermaßen nicht unbedingt nackige – Basis stattliche 95.100 Euro. Beim Versuch, ihn auf das All-inclusive-Niveau des 72.500-Euro-Mustang zu bringen, durchbricht man dann locker die 100 000er-Marke. Dafür genügt schon das M-Race-Track-Paket für 16.450 Euro (es bringt laut BMW 25 Kilogramm Gewichtsersparnis), inklusive M Driver’s Package, Carbon-Keramik-Bremse und Schalensitzen. Am Ende trennen die Testwagen somit rund 40.000 Euro.
Ob der M3 das wirklich wert ist? Nun, in jedem Fall bietet er mehr Dynamik, "Made in Germany"-Qualität und Personentransporttalent. Doch auch der Mustang mutet nicht billig an. Seine solide Verarbeitung und der Billardkugel-artige Schaltknauf dürfen hier als analoges Vorspiel verstanden werden. Die ganz große Show läuft im Cockpit-Display ab, das einzelne Fahrmodi Blockbuster-reif animiert und via Update Runduhren im Stil von 1967 oder 1987 einspielt. Oder will der Mustang mit diesen Gadgets überstrahlen, dass er in unserem Test nur als zweiter Sieger vom Track fährt?
Fazit
| BMW M3 M3 | Ford Mustang Coupé 5.0 Ti-VCT V8 Dark Horse | |
| Außenmaße | 4794 x 1903 x 1437 mm | 4819 x 1917 x 1403 mm |
| Kofferraumvolumen | 480 l | 381 l |
| Hubraum / Motor | 2993 cm³ / 6-Zylinder | 5038 cm³ / 8-Zylinder |
| Leistung | 353 kW / 480 PS bei 6250 U/min | 334 kW / 454 PS bei 7000 U/min |
| Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h | 263 km/h |
| 0-100 km/h | 4,3 s | 5,1 s |
| Testverbrauch | 9,9 l/100 km | 12,2 l/100 km |






