Solche Gewinneinbrüche hat es in der deutschen Autoindustrie seit fast 20 Jahren nicht gegeben. Zuletzt standen Volkswagen, Porsche, Audi, BMW oder Mercedes-Benz in vergleichbarer Weise unter Druck, als die weltweite Finanzkrise 2008/2009 die Nachfrage nach Neuwagen abrupt einbrechen ließ. Damals sorgten Bankenkrise, Kreditklemme und massive Konsumzurückhaltung dafür, dass Autokäufe verschoben oder ganz gestrichen wurden. Staatliche Hilfsprogramme und Abwrackprämien wurden nötig, um den Markt überhaupt wieder in Bewegung zu bringen.
Mehr als 15 Jahre später sind die Bilanzen der deutschen Autobauer erneut tief rot. Im dritten Quartal erreichten sie beim operativen Ergebnis Werte, wie sie zuletzt im Jahr 2009 gemessen wurden – allerdings unter völlig anderen Vorzeichen. Schließlich ist die Nachfrage nicht abrupt eingebrochen – die Krise der Gegenwart entsteht eher aus dauerhaftem Ertragsdruck, hohen Kosten und einem tiefgreifenden Strukturwandel der Branche.
Deutsche Autobauer geraten massiv unter Ertragsdruck
Zwar konnten Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz im Zeitraum von Juli bis September ihre Absätze und Umsätze in etwa stabil halten. Doch unter dem Strich zeigt sich ein dramatisches Bild: Der operative Gewinn der drei Konzerne brach um rund 76 Prozent ein. Zusammengenommen blieben lediglich etwa 1,7 Milliarden Euro übrig – so wenig wie seit der Finanzkrise nicht mehr.
Nach einer Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) schnitt kein anderes großes Autoland bei der Entwicklung von Umsatz und Gewinn so schwach ab wie Deutschland. Das macht deutlich: Die Krise ist nicht nur global, sie trifft die hiesigen Hersteller mit besonderer Wucht.
Hohe Kosten, schwache Märkte, strategischer Umbau
Auch international gerät die Automobilindustrie zunehmend unter Druck. Die 19 größten Autokonzerne der Welt steigerten ihren Umsatz im dritten Quartal zwar leicht auf rund 531 Milliarden Euro. Der operative Gewinn schrumpfte jedoch deutlich auf etwa 18,9 Milliarden Euro – ein Rückgang von 37 Prozent und der niedrigste Stand seit mehreren Jahren. Im internationalen Vergleich zeigt sich jedoch, dass die deutschen Hersteller überproportional verlieren. Während andere Regionen zumindest Teile der Belastungen abfedern konnten, schlagen die aktuellen Herausforderungen in Deutschland nahezu ungefiltert auf die Ergebnisse durch.
EY-Autoexperte Constantin Gall spricht von einer außergewöhnlich schwierigen Gemengelage. Mehrere Belastungsfaktoren treffen die Branche gleichzeitig: eine spürbare Schwäche im Premiumsegment, politische Unsicherheiten durch die US-Zollpolitik, ungünstige Wechselkurse sowie milliardenschwere Investitionen in Elektromobilität, die sich bislang wirtschaftlich nicht auszahlen. Parallel treiben die Hersteller den tiefgreifenden Umbau ihrer Unternehmen voran – von neuen Plattformen über Software bis hin zu Produktionsstrukturen. Kurzfristig erhöhen diese Maßnahmen die Kosten erheblich. Zusammengenommen entsteht laut Gall ein "perfekter Sturm", der insbesondere die deutschen Autobauer trifft.
China verliert an Bedeutung – und an Vertrauen
Besonders sichtbar wird der Umbruch auf dem chinesischen Markt. Die Verkäufe deutscher Marken gingen dort im dritten Quartal um rund neun Prozent zurück. Der Anteil Chinas am weltweiten Absatz sank auf 29 Prozent, nachdem er noch vor wenigen Jahren deutlich höher lag. Der Wettbewerb dort ist extrem intensiv. In einem wirtschaftlich angespannten Umfeld verkaufen sich Premiumfahrzeuge schlechter, während der Markt für Elektroautos stark wächst. Davon profitieren vor allem chinesische Anbieter, deren Modelle bei Preis, Technik und Software zunehmend überzeugen. Westliche Hersteller versuchen gegenzusteuern, doch eine schnelle Trendwende ist nicht in Sicht.
Wie angespannt die Lage ist, zeigt ein Blick auf die Margen. Der profitabelste Hersteller im dritten Quartal war Suzuki mit einer operativen Marge von 9,2 Prozent, gefolgt von BMW und Toyota. Insgesamt blieb bei den meisten Unternehmen deutlich weniger Gewinn vom Umsatz übrig als noch vor wenigen Jahren. Die durchschnittliche operative Marge der analysierten Konzerne lag bei lediglich 3,9 Prozent – der niedrigste Wert seit mindestens einem Jahrzehnt. Seit 2023 hat sich dieser Wert mehr als halbiert.
Sparprogramme und Stellenabbau als Reaktion
In Deutschland reagieren viele Unternehmen inzwischen mit harten Sparprogrammen. Große Hersteller und Zulieferer wie Bosch, ZF Friedrichshafen, Mercedes-Benz und der Volkswagen-Konzern haben Stellenabbau angekündigt. Besonders stark betroffen sind Zulieferer, die unter dem doppelten Druck aus schwächerer Nachfrage und tiefgreifendem Technologiewandel stehen.
Kurzfristig verursacht der Personalabbau hohe Kosten, langfristig soll er jedoch die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Gall hofft, dass die Phase des bilanziellen Aufräumens bald abgeschlossen sein wird und die Kostensenkungen mittelfristig zu stabileren Margen führen.
Verbrenner als wirtschaftlicher Stabilitätsanker
Ein möglicher Lichtblick liegt in der Antriebspolitik. Der erwartete schnelle Durchbruch der Elektromobilität ist zumindest in westlichen Märkten bislang ausgeblieben. Die Mehrheit der Käufer entscheidet sich weiterhin für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor – zunehmend allerdings in Hybridform. Das längere Festhalten an dieser Technologie könnte sich für die Hersteller kurzfristig als wichtiger Ertragspuffer erweisen.












