Sachsen-Ministerpräsident Kretschmer: Unsere Wettbewerbsfähigkeit nimmt immer weiter ab

Sachsen-Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU)
Unsere Wettbewerbsfähigkeit nimmt immer weiter ab

ArtikeldatumVeröffentlicht am 28.11.2025
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Michael Kretschmer
Foto: photothek.net/Sächsische Staatskanzlei
Die neue E-Auto-Förderung ist auf den Weg gebracht, aber immer noch nicht in Kraft. Viele warten mit dem Autokauf. Wie gefährlich ist das für die Wirtschaft?

Die aktuelle Bundesregierung hat im Grundsatz verstanden, dass unser Land nicht wettbewerbsfähig ist und dass diese anhaltende Wachstumsschwäche gefährlich ist. Und trotzdem fehlt die Entschlossenheit, auch Dinge grundlegend in Frage zu stellen. Zum Beispiel müssten die Klimaschutzziele flexibilisiert werden. Beim Thema Mobilität wäre mehr Technologieoffenheit gut. Und die Regierung sollte schnell und entschlossen handeln, zum Beispiel bei der Kaufprämie. Durch dieses wochenlange Zögern haben wir schon unglaublich viel Zeit verloren, die Verbraucherinnen und Verbraucher verunsichert und unsere Wettbewerbsfähigkeit hat weiter abgenommen.

Wie wird Deutschland wieder wettbewerbsfähig?

Politik ist ein Teamspiel. Wir gewinnen gemeinsam und wir verlieren gemeinsam. Mit den Instrumenten der Vergangenheit, also hier und da ein bisschen mehr Geld und Subventionen, lässt sich die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands nicht zurückholen. Wir sollten jetzt unseren Beitrag dazu leisten, dass der Strom in Deutschland preiswert wird. Der Strompreis ist die Achillesferse in jeder Volkswirtschaft. Zudem müssen die Ladeinfrastruktur und die notwendigen Stromnetze ausgebaut werden, wir brauchen realistische und vernünftige Klimaziele.

Ist es sinnvoll, die Kaufprämie wie geplant nur Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen zu gewähren?

Nein. Ich weiß nicht, was das soll. Das ist eine der Festlegungen, die der Koalitionsausschuss auf Druck der SPD getroffen hat. Aber das ist völlig sachfremd und willkürlich. Mit dieser Art von Klientelpolitik kommen wir nicht weiter.

Bei der Energieeffizienz sind mit E-Fuels betriebene Autos den batterieelektrischen unterlegen. Wieso haken Sie die nicht endlich ab?

Physikalisch stimmt das. Aber wir haben einen riesigen Fahrzeugbestand. Auf dem Autogipfel ist sehr deutlich geworden, dass es ein Ding der Unmöglichkeit ist, in so kurzer Zeit auf hundert Prozent batterieelektrische Antriebe umzustellen. Und man muss sich die Chance auf technologischen Fortschritt und Innovation bewahren. Diese nimmt man sich aber, wenn man sagt, E-Fuels darf es nicht geben. Sobald es marktwirtschaftlich interessant wird, kommen die Forschung und die Wissenschaft dazu in Bewegung. Klar ist: Weltweit werden mehr Antriebe als die reine Elektromobilität eine Rolle spielen. Deutsche Technik kann also auch mit effizienten Verbrennern und klimaneutralen Kraftstoffen einen weltweiten Beitrag zur Reduzierung von CO₂-Emissionen leisten.

Sie haben zu hohe Löhne bei VW kritisiert. Wie passt das mit dem Wohlstandsversprechen der CDU zusammen?

Wir können nur so viel teurer sein, wie wir auch besser sind. Man braucht nur zu vergleichen, für wie viel Euro man in Deutschland ein Auto zusammenbauen kann und was es im Nachbarland Tschechien kostet. Die Stunden, die wir im Jahr arbeiten, die können nicht noch unter dem europäischen Durchschnitt liegen. Wenn man das eine tut, dann muss man an der anderen Stelle Besonderes leisten.

Warum hat das VW-Werk Zwickau aus Ihrer Sicht langfristig eine Chance, zu überleben? Gerüchte, dass trotz Zusicherung die Produktion von ID.3- und Cupra-Born nach Wolfsburg geht, halten sich hartnäckig...

Zwickau ist die Wiege des deutschen Automobilbaus und das Erbe von Volkswagen und Carl H. Hahn (früherer Vorstandschef aus Sachsen, d. Red.) aus den neunziger Jahren. Es ist das einzige Autowerk von VW in Ostdeutschland. Und es ist nicht zuletzt eines der modernsten und effizientesten Werke überhaupt. Aus Gesprächen mit Vorstand, Aufsichtsrat und auch mit Oliver Blume weiß ich, dass allen das bewusst ist. Mein Kollege Olaf Lies (SPD-Ministerpräsident von Niedersachsen, d. Red.) hat hier die gleiche Meinung.

Aber Tradition allein verkauft keine Autos…

Tradition bedeutet, dass es ein Erfahrungswissen gibt und auch Struktur und Ökosystem in diesen Regionen. Darauf kann man aufbauen. Das geht nicht mehr, wenn alles kaputtgegangen ist. Die Tradition an sich ist keine Überlebensgarantie. Sie ist eine Chance, wenn man die richtigen Schlüsse daraus zieht.

Aber was macht Sie so zuversichtlich, dass VW in Zwickau noch viele Jahre Autos bauen wird?

Ich habe eine klare Vorstellung von den Problemen von VW. Aber ich habe auch die Zuversicht und das komplette Vertrauen, dass das miteinander Besprochene gilt und Zwickau-Mosel und Chemnitz auch in den nächsten Jahrzehnten wichtige Standorte von Volkswagen sein werden. Dafür bin ich sehr dankbar und habe auch keinen Grund, an diesen Aussagen und Zusagen von Oliver Blume, dem VW-Aufsichtsratsvorsitzenden, und auch von meinem Kollegen Lies in Niedersachsen zu zweifeln. Das muss man den Menschen auch so sagen, weil es leider auch sehr viele Kräfte gibt, die versuchen, aus dieser Verunsicherung politisches Kapital zu schlagen. Und denen muss man auch entgegentreten.

Trotz allem ist die Belegschaft in Zwickau verunsichert…

Es war viel Überzeugungsarbeit nötig, um denjenigen, die in Zwickau-Mosel aus Überzeugung Verbrenner in einer hohen Qualität gebaut haben, zu sagen: Ihr müsst jetzt den Weg der Transformation gehen. Am Ende sind sie mitgegangen, haben ihr Werk mit viel Engagement umgestellt. Und nun sind sie natürlich sehr enttäuscht, dass ihre Leistungen nicht dazu geführt haben, dass sie sich jetzt in der Krise sicher fühlen können. Das ist schon ein großer Vertrauensschaden.

Obwohl in Zwickau Volkswagens größtes Werk für E-Autos steht, ist deren Anteil dort einer der geringsten in Deutschland. Woran liegt das?

Mein Eindruck ist, dass viele Beschäftigte dort Elektroautos fahren. Man muss auch sehen, was die Menschen in den neuen Ländern im Durchschnitt verdienen, und dann weiß man auch, warum sie eine andere Preissensibilität haben, auch bei Autos.

Also E-Autos sind zu teuer?

Ja. Und durch den Stopp der Kaufprämie gab es einen Schock. Das hat viel mehr Schaden angerichtet, als es vielleicht ökonomisch bedeutet. Denn es gab das Signal: Vielleicht war es doch nicht so richtig mit der E-Mobilität.

Was erwarten Sie jetzt von der Bundesregierung?

Es ist wichtig und richtig, dass die Bundesregierung in Brüssel mit starker Stimme für die Interessen unseres Landes und seiner Wirtschaft wirbt. Wir alle sollten unseren Beitrag dazu leisten, dass Volkswagen wieder auf die Beine kommt. Dazu gehört, dass der Strom in Deutschland preiswert wird, dass die Ladeinfrastruktur ausgebaut wird, dass wir realistische und vernünftige Klimaziele bekommen und dass jetzt die versprochene Kaufprämie auch eingeführt wird.

Kurzvita

Michael Kretschmer ist seit acht Jahren sächsischer Ministerpräsident. Seine Partei, die CDU, bildet in Sachsen mit der SPD eine Minderheitsregierung. Von 2002 bis 2017 vertrat der Wirtschaftsingenieur seine Heimatstadt Görlitz im Bundestag, die letzten acht Jahre war er stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Der 50-Jährige hat zwei Söhne.

Fazit