"Wir wussten, dass der F-150 Lightning etwas Besonderes ist, aber das Interesse der Öffentlichkeit hat unsere höchsten Erwartungen übertroffen und die Diskussion rund um Elektrofahrzeuge verändert. Dieses Pickup‑Truck-Modell hat die Chance, Geschichte zu schreiben und die Bewegung für Elektrofahrzeuge in Amerika anzuführen." Diese Worte stammen von Bill Ford, Urenkel des Firmengründers Henry Ford und Executive Chairman der Ford Motor Company. Und sie sind ein schönes Beispiel für den Unterschied zwischen Wunsch und Wirklichkeit in der Autoindustrie, denn sie stammen aus dem Herbst 2021. Vier Jahre später zieht Ford die Reißleine und beendet das milliardenteure Experiment mit dem rein elektrisch angetriebenen Ford F-150 Lightning Pickup: die Produktion wird eingestellt.
Ernüchterung statt Aufbruch
Im amerikanischen Fullsize-Pickup-Markt vollzieht sich derzeit eine bemerkenswerte Wende. Vor wenigen Jahren galten batterieelektrische Antriebe als alternativlos, begleitet von großen Ankündigungen und ehrgeizigen Produktionszielen. Heute sprechen die großen Hersteller stattdessen wieder offen über Verbrennungsmotoren und Hybrid-Antriebe. Die Gründe liegen einerseits in der neuen Ausrichtung der US-Politik unter Präsident Donald Trump und andererseits bei den Kunden. Die zeigen wenig Begeisterung für den Elektroantrieb in der wichtigsten Auto-Klasse der USA.
Ford war mit dem F-150 Lightning ein Vorreiter. Der elektrische Ableger des meistverkauften Fahrzeugs Nordamerikas sollte zeigen, dass auch ein klassischer Fullsize-Pick-up batterieelektrisch funktionieren kann. Technisch gelang das: hohe Leistung, sofort verfügbares Drehmoment, überzeugende Alltagsfahrleistungen. Wirtschaftlich blieb der Erfolg jedoch begrenzt. Hohe Batterie- und Produktionskosten, schwankende Nachfrage und massive Reichweitenverluste beim Ziehen schwerer Anhänger machten den Lightning zu einem reinen Imageprojekt, das trotz hoher Preise keinen Gewinn einfuhr.
Der elektrische Ram kommt gar nicht erst
Bei Stellantis endete das Experiment Elektro-Truck, bevor es richtig begonnen hatte. Der Ram 1500 REV war ursprünglich als reiner Elektro-Pickup geplant, 2023 wurde das Fahrzeug mit einer angekündigten Reichweite von 800 Kilometern vorgestellt. Zwei Jahre, einen Stellantis-CEO und einen neuen US-Präsidenten später ist das Thema Geschichte: Stellantis zieht dem Ram REV den Stecker, bevor er überhaupt beim Händler steht. "Da die Nachfrage nach vollelektrischen Full-Size-Pickups in Nordamerika nachlässt, überprüft Stellantis seine Produktstrategie und wird die Entwicklung eines vollelektrischen Full-Size-Pickups einstellen", so das Statement aus dem September 2025. Das Elektro-Thema soll künftig, wie beim Ford F-150 Lightning, ein Modell mit abgespeckter Batterie und einem Verbrenner als Range-Extender übernehmen. Wie und wann? Das steht aktuell noch in den Sternen. Der Fokus liegt nun auf klassischen V8- und Sechszylinder-Varianten sowie elektrifizierten Übergangslösungen. Die Idee eines rein batterieelektrischen Ram verschwand leise aus dem Vordergrund.
General Motors wählt einen Mittelweg. Der Chevrolet Silverado EV und der GMC Sierra Denali EV bleiben im Portfolio, doch GM hat die Erwartungen gesenkt. Produktionskapazitäten wurden angepasst, Investitionen gestreckt, Zeitpläne verlängert. Noch hält General Motors an der Elektrostrategie fest, hat aber längst wieder die Verbrenner-Technik in die Planung übernommen. So wird gerade ein neuer V8-Motor entwickelt, der künftig auch in den großen Pick-ups des Konzerns eingesetzt werden soll.
Toyota blieb außen vor
Ein interessanter Kontrast ist Toyota. Die Japaner haben sich im Fullsize-Segment nie am Elektro-Hype beteiligt, sondern – man kennt es von Toyota – auf Hybrid gesetzt. Der aktuelle Tundra kombiniert Hybridtechnik aus aufgeladenem V6 und Elektromotor. Als Basismotorisierung gibt es den 3,5-Liter-Benziner auch ohne Elektrohilfe. Den Absatzzahlen hat das nicht geschadet, von Januar bis November konnte Toyota rund 134.000 Tundra in den USA absetzen.
Warum scheitern batterieelektrische Fullsize-Pick-ups im US-Markt? Ein zentraler Punkt ist das Einsatzprofil. Die großen Pick-ups werden in den USA als Arbeitstiere eingesetzt, müssen oft weite Strecken zurücklegen und regelmäßig schwere Anhänger ziehen. All das bekanntlich keine Paradedisziplin für Elektroautos, die im Anhängerbetrieb mit einem starken Reichweitenverlust kämpfen. Hinzu kommt das Preis-Problem. Um ansehnliche Reichweiten zu ermöglichen, setzten die US-Konzerne auf große Akkus. Schon die Standard-Batterie im Ford F-150 Lightning kommt mit 98 kWh, bei den General Motors-Trucks sind die Extended Range-Modelle mit über 200 kWh fassenden Stromspeichern unterwegs. Das treibt nicht nur den Preis, sondern auch das Gewicht kräftig in die Höhe.
Was macht Tesla?
Und sonst so? Bei den zwei anderen noch nennenswerten Herstellern von elektrisch angetriebenen Fullsize-Pick-ups in den USA ist Ernüchterung eingekehrt. Tesla veröffentlicht keine offiziellen, modell-spezifischen Verkaufszahlen für den Cybertruck – das Fahrzeug wird in den Quartals- und Jahresberichten gemeinsam mit Model S, Model X und Semi unter "other vehicles" ausgewiesen. Laut Branchenanalysten und aggregierten Registrierungsdaten wurden im Jahr 2025 in den bisherigen drei Quartalen rund 16.000 Cybertrucks verkauft. Vor dem Marktstart des Cybertruck hoffte Tesla noch auf mindestens 250.000 Exemplare pro Jahr.
Rivian veröffentlicht ebenfalls keine Zahlen. Hier deuten die Schätzungen nach Branchen- und Registrierungsdaten darauf hin, dass die R1T-Verkäufe in den ersten neun Monaten 2025 bei rund 5.900 Einheiten lagen. Zum Vergleich: Die Ford F-Serie-Pick-ups kamen im selben Zeitraum auf weit über 600.000 Verkäufe in den USA.
Drei Entwicklungen zeichnen sich daher ab. Einerseits gewinnt das Thema Range Extender einen großen Stellenwert, mit dem die rein elektrisch angetriebenen Trucks quasi zum Plug-in-Hybrid umgebaut werden. Andererseits sind längst wieder die klassischen V8-Motoren im Fokus, die mit geringen Produktionskosten wieder gute Gewinne versprechen und ohnehin das sind, was die traditionelle Pick-up-Kundschaft in den USA am allerliebsten fährt. Die Elektrostrategie verlagert sich dagegen eine Klasse tiefer. Bei den Midsize-Pick-ups, die in Nordamerika gerade ziemlich im Trend sind, versucht man das Strom-Thema preisgünstiger und praxisgerechter umzusetzen. Nicht nur bei den etablierten großen Marken, auch Tesla denkt über eine Kleinversion des Cybertruck nach.







