Test Lucid Air Sapphire vs. Porsche Taycan Turbo GT: Wer ist schneller und kann Kurven?

Lucid Air Sapphire gegen Porsche Taycan Turbo GT
Welcher E-Dragster ist schneller und kann Kurven?

ArtikeldatumZuletzt aktualisiert am 24.12.2025
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Zwei-Komma-noch-was-Tonnen, nein, damit lockt man keinen Sportwagen-Fan in den Text hinein. Aber zwei-Komma-irgendwas von null auf einhundert, das klingt doch schon mal interessant, oder?

Da machen also diese Boah-ey-Zahlen des Lucid Air Sapphire die Runde. In ihrer Schlichtheit sind sie vorbildlich inklusiv, und sie clickbaiten wunderbar in einem Youtube-Short: 1.251 PS, in zwei Sekunden von null auf hundert, boah-ey! Dazu komödiantische Grimassen beim Selbstversuch, schon ist die Sensation ausgerufen: Schneller ist keiner! Der Markt der Superlative kolportiert aus den USA sogar fantastische Eins-komma-Werte. Und in der alteuropäischen Realität? Da hätte der Porsche Taycan Turbo GT als Platzhirsch mehr als nur ein Wörtchen mitzureden. Mindestens aber ein gewichtiges.

Leistung schlägt hohes Gewicht

Ein gewichtiges Wörtchen. Verzeihung, ist uns so herausgerutscht bei 2,3 Tonnen Leergewicht. Ja, Fünfmeter-Limousinen mit elektrischem Antrieb und großer Elektronen-Bevorratung sind nun mal propere Kerlchen. Wobei sich die Wohlstandspfunde dem Beschleunigungswunsch gar nicht allzu gravierend entgegenstellen, angesichts der 1.108 PS und 1.340 Nm, die beim Launch-Control-Start kurzzeitig anliegen. 2,3 Sekunden weisen die Werksangaben von null auf 100 km/h aus, und die stempelt der E-Kracher genau so in den Asphalt – wiederholt, ohne Einschränkung.

Lucid Air Sapphire und Porsche Taycan Turbo GT
Hans-Dieter Seufert

In 2,0 s soll es der Air Sapphire schaffen, lässt Lucid verlautbaren. Das wäre nicht weniger als der absolute Beschleunigungsrekord bei sport auto, denn so schnell war bislang noch kein straßenzugelassenes Auto. Und Lucid setzt einen weiteren Superlativ obendrauf: In Videos wird man davon unterrichtet, dass die Amerikaner das beste Auto der Welt bauen wollen. Da staunt der Laie, und der Fachmann reißt ebenso die Augen auf.

Beschleunigung mit Voll-Strom: Fällt die 2-Sekunden-Marke?

Wobei wir schon bei der Zwo-null-Ankündigung große Augen gemacht haben. Noch einmal ausbuchstabiert: Eine E-Limousine will sich selbst aus dem Stand in zwei Sekunden auf Tempo 100 abfeuern.

Rollen wir also an den Start und zwar mit vollem, aber ungestresstem Akku. Ungestresst? Ja, wer vor einem Dragsterstart bereits zu euphorisch Strom gegeben hat, muss warten, bis die Batterie auf ihre Wohlfühltemperatur heruntergekühlt ist. "Optimierung" heißt das dann im Display, wobei ein orangener Balken von links nach rechts gefüllt werden will. Springt er auf Blau, ist alles im, nein, nicht grünen, sondern, genau!, blauen Bereich. Das kann schon mal so lange dauern, dass man dabei entnervt aufgibt. Deshalb: Erst die Beschleunigung abhaken, dann den Rest. Wobei natürlich zuvorderst die Michelin Pilot Sport 4 S mit Lucid-Kennung bereits vorsichtig angewärmt wurden, damit sie eine Chance haben, den Gewaltausbruch von 1.940 Nm auf die Straße zu bringen. Anschließend wählt man im Infotainment den Track-Modus vor, klickt auf "Dragstrip", lässt den Balken blau werden.

Lucid Air Sapphire
Hans-Dieter Seufert

Links bremsen, schon ist die Launch-Control initiiert. Geht der Rechte nun auf Vollgas, kann es losgehen. Gibt man das Bremspedal frei, so ist das der Startschuss. Man könnte Launch-Control auch mit Lach-Control abkürzen, weil ein Vollgasstart bei einigen Copiloten einen Lach-Flash auslöste. Alternativ Schnappatmung. Oder Geschreie, verbunden mit dem Flehen, bitte diese Extremerfahrung sofort zu beenden. Eine Extremerfahrung, die sich exakt so auch im Taycan Turbo GT erleben lässt. Hier wie dort funkt das durchgewalkte Großhirn: "Das waren doch höchstens zwei Sekunden!" Doch das Messsystem lässt sich nicht so leicht ins Nirwana transzendieren, orientiert sich realitätsverhaftet an Variablen wie Weg und Zeit und errechnet 2,4 Sekunden von null auf 100 km/h.

Werksangabe verfehlt, aber sauschnell

Nun, das ist für sich betrachtet sensationell, schließlich wird hier ein 2,4-Tonner durch die Gegend gewuchtet, zumal von einer US-Firma konstruiert und gebaut, die gerade erst vom Zulieferer zum Autohersteller aufgestiegen ist. Doch selbst ein Newcomer muss sich an seinen Versprechen messen lassen, zumal wenn mit Superlativen nicht gerade sparsam umgegangen wird. Und diesen einen des GröBaZ, des größten Beschleunigers aller Zeiten, hat sich der Lucid nicht verdient.

Diesen Titel hatte schon der Tesla als Model S Plaid für sich beansprucht; er fehlt heute, lässt sich bis zum Erscheinen seiner Modellpflege entschuldigen. Auch er war gehypefeiert worden und performte tatsächlich spektakulär: in 2,5 Sekunden auf 100 km/h, ein Wahnwitz, keine Frage, aber eben kein GröBaZ. Das war zu jener Zeit der Ferrari SF90 Stradale, ein Hybrid-Supersportler mit elektrounterstützter Biturbo-V8-Power. 1.000 PS ließen ihn in 2,3 Sekunden auf Tempo 100 schnalzen. Und in 6,6 s auf 200 km/h. Jener Wert ist zwar weniger gebräuchlich, dennoch ebenso interessant und letztlich ein Statement der reinen Kraft, weniger der Launch-Control. Denn deren Algorithmen entscheiden im Verbund mit der mechanischen Traktion vor allem über den Jump-Start.

Porsche Taycan Turbo GT
Hans-Dieter Seufert

Der Porsche Taycan Turbo GT beschleunigt am schnellsten

Und der Taycan? Als Turbo GT ist unser Testwagen der stärkste seiner Art, wenngleich nicht der extremste. Dafür bräuchte er das Weissach-Paket, damit wäre er zumindest etwas leichter. So aber müssen sich 1.034 PS mit 2.328 Kilogramm plus Fahrer und Beifahrer abmühen und sie aus der Ruheposition auf 100 km/h stemmen. Wobei das Stemmen physikalisch gesehen die bis zu 1.340 Nm übernehmen. Und sie schaffen es in 2,3 Sekunden. Rekord eingestellt: Den Titel des GröBaZ teilt sich der SF90 ab sofort mit dem Taycan Turbo GT. Angesichts der Breite beider Autos dürfte es auf dem Siegerpodest übrigens recht kuschelig zugehen.

Der Air Sapphire würde hier noch mehr Masse und vor allem Länge mitbringen. Interessanter allerdings sind die bereits erwähnten 1.940 Nm. Das ist ein Wert, der die Finger beim Schreiben zittern lässt. Freilich liegen die Boay-ey-Nm ebenso wie die PS nur unter gewissen Umständen an, nämlich im Track-Modus.

Schon hier wird fein abgestuft von 1.251 über 1.137 auf 1.017 PS, je nach Anwendung und Zeitdauer. 778 PS sind es in den Alltags-Modi Swift und Smooth, in denen der Sapphire meist bewegt werden dürfte. Und als Dauerleistung weist der Kfz-Schein 409 PS aus. Solche Einschränkungen werden bei E-Autos nur ungern kommuniziert, weil sie den Glanz der Maximal-Versprechen mattieren.

Lucid Air Sapphire, Cockpit
Hans-Dieter Seufert

Wie oft ist die volle Leistung abrufbar?

Uns allerdings interessiert die Dauerhaltbarkeit, weshalb wir sowohl den Air als auch den Taycan auf unserer Teststrecke bis hinauf in die 300er-Region beschleunigt haben. Einschränkung: Ohne Weissach-Paket erreicht der Turbo GT nur 290 km/h, der Sapphire dagegen darf bis zu 330 km/h rennen.

Wer durchpowert, hat den Eindruck, der Lucid legt jenseits der Tempo-100-Schwelle erst so richtig los, pulverisiert die 200er-Marke in 6,3 Sekunden und ist in 16,1 Sekunden auf 300. Beim ersten Versuch. Bis zum fünften Mal steigt der Fabelwert auf 25,6 Sekunden, danach mag der Lucid überhaupt nicht mehr lospowern, will seinen überhitzten Kreislauf erst einmal wieder herunterkühlen.

Der Taycan kann öfter voll beschleunigen als der Fahrer

Und der Taycan? Der zieht die Sache durch, so oft man möchte. Eine Beschleunigung unterscheidet sich von der anderen nur im Zehntelbereich. Wie kein anderes jemals von sport auto gemessenes straßenzugelassenes Auto kann der Porsche zwar jenseits von 100 km/h beim besten Versuch des Lucid nicht mithalten, benötigt vier Zehntelsekunden länger aus dem Stand auf Tempo 200; doch der Turbo GT liefert und liefert und liefert. Bis man aufgibt, weil das Hirn mit Schwummrigkeit längst gesättigt ist, während sich am Testwagen keinerlei Anzeichen von Schwäche abzeichnen.

Porsche Taycan Turbo GT, Cockpit
Hans-Dieter Seufert

Nun haben wir bislang ausschließlich über die Längsdynamik philosophiert. Jene freilich ist so spektakulär, dass wir an dieser Stelle einen neuen Begriff einführen müssen. Mit "Sportlimousine" wird man einem Beschleunigungs-Berserker wie dem Lucid nicht mehr gerecht. Wir schlagen stattdessen "Elektro-Dragster" oder "E-Dragster" vor. Eine Zuschreibung, die den Air Sapphire zur Teilnahme an Beschleunigungsrennen qualifiziert. Doch was hat er jenseits der Längsdynamik zu bieten?

Der Lucid federt überraschend stark

Auf der Landstraße überrascht der Amerikaner mit viel Federweg. Wer nun an einen gautschenden Straßenkreuzer denkt, hängt in der US-Vergangenheit fest: Die Gegenwart besteht vorn aus Doppelquerlenker, hinten aus Multilenker sowie einer straffen Dämpfung.

Damit lässt sich der Air von Bodenwellen kaum aushebeln oder vom rechten Weg abbringen. Überraschend, dass Lucid so eine Aufbaukontrolle aus einem konventionellen Stahlfahrwerk mit adaptiven Stoßdämpfern (von Bilstein) holt.

Porsche Taycan Turbo GT
Hans-Dieter Seufert

Doch die deutsche Elite ist auf diesem Gebiet längst enteilt, liefert das derzeit wohl beste Fahrwerk unter E-Autos überhaupt. Es federt mit Luft, kommt ohne Stabilisatoren aus, kann jedes Rad einzeln anheben oder auf die Straße drücken und damit radselektiv auf Unebenheiten reagieren. Entsprechend bleibt das Chassis selbst auf einseitigen Bodenwellen stoisch und filtert alle Störgrößen heraus.

In Kurven liegt der Taycan besser

Ähnliches gilt für die Lenkung des Taycan, und sie ist in ihrer Transparenz unter Stromern sicherlich so herausragend wie die Federung. Obwohl neben der Hinter- auch die Vorderachse mit Drehmoment zugeschwallt wird, verkneift sie sich Antriebseinflüsse. Und die Lenkunterstützung arbeitet ohne Momentensprünge. Beides ist im Lucid spürbar, was ihn weniger satt in der Hand liegen lässt. Und was auch weniger die Lust anfacht, es in Kurven ähnlich energisch wie auf den Geraden angehen zu lassen.

Lucid Air Sapphire
Hans-Dieter Seufert

Übereinstimmende Unterschiede zeigen sich auf der Teststrecke: Zwar stürzt sich der Lucid zunächst eifrig in den Slalom, lenkt spitz an, wirkt dann aber seiner Masse entsprechend raumgreifend. Wobei man vor allem mit dem Gaspedal vorsichtig agieren muss, weil hier wenig Weg bereits viel Zusatz-Schub bedeutet und jener die Fuhre von der optimalen Linie abdrängt.

Trotz hohem Gewicht agil auf der Landstraße

Logischerweise hat der 2,4-Tonner mit weiten Radien weniger zu kämpfen, will aber penibel unter seinem Limit gehalten werden, um nicht vom ESP eingebremst zu werden. Jenes ist im Taycan kaum zu spüren, hält den Porsche im Grenzbereich wie von Zauberhand in der Spur, was zweierlei bewirkt: erstens objektiv schnellere Zeiten und zweitens subjektiv das Gefühl, die Limousine präziser zu kontrollieren.

Ein Gefühl, das übrigens noch stärker auf der Landstraße vorherrscht, wo sich der 2,3-Tonner erstaunlich behend in Kurven aller Art werfen lässt – sofern dafür genug Platz ist, denn zwei Meter Breite (ohne Außenspiegel) sind recht raumgreifend. Vor allem dann, wenn sie engagiert bewegt werden.

Lucid Air Sapphire und Porsche Taycan Turbo GT
Hans-Dieter Seufert

Von dieser Einschränkung abgesehen deckt sich der subjektiv empfundene Unterschied in der Handlichkeit in etwa mit dem objektiven Unterschied der Zeiten beim doppelten Spurwechsel auf der Teststrecke: Hier ist der Porsche um über zehn km/h schneller als der Lucid. Man könnte auch sagen: Er fährt Kreise um ihn. Aber 146,7 zu 136,6 km/h sind nun mal keine Boah-ey-Werte, und erst recht lassen sich aus dem Können des aktiven Luftfahrwerks nur sehr schwer Clickbaiting-Shorts generieren.

Dennoch machen genau diese zehn km/h im übertragenen Sinne den Unterschied im Alltag aus. Denn das sensationelle Fahrwerk verliert selbst nach Tausenden von Kurven und Bodenwellen nichts von seiner Faszination und lässt sich bei jeder Fahrt aufs Neue erleben und genießen. Die sensationelle Beschleunigung dagegen nutzt sich nach mehrmaligem Ausprobieren schnell ab.

Fazit

Technische Daten
Porsche Taycan Turbo GT Turbo GTLucid Air Sapphire
Außenmaße4968 x 1998 x 1378 mm5005 x 1990 x 1409 mm
Kofferraumvolumen326 l627 bis 1835 l
Höchstgeschwindigkeit290 km/h330 km/h
0-100 km/h2,3 s2,4 s
Verbrauch0,0 kWh/100 km0,0 kWh/100 km
Testverbrauch25,6 kWh/100 km25,8 kWh/100 km