Ferrari Amalfi: Wie viel Neuerfindung steckt im neuen V8-Coupé?

Ferrari Amalfi (erster Fahrtest)
Neuer Name, alte Tugenden – reicht das noch?

ArtikeldatumVeröffentlicht am 19.12.2025
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Zu den Traditionen in Maranello gehört unter anderem, dass jede Evolution eines Modells einen neuen Namen erhält, selbst wenn es sich auf den ersten Blick nur in Nuancen von seinem Vorgänger unterscheidet.

Das schafft zwar zum einen Unterscheidbarkeit, verhindert aber andererseits, dass Legenden entstehen. Golf, Corvette, 911 oder Corolla wären nicht das, was sie sind, wenn sie alle sieben Jahre neue Namen erhalten hätten. Sie ahnen es womöglich, lieber Leser, dass wir dem Roma etwas nachtrauern. Nicht nur, weil der ein grandioses Auto ist, sondern weil der Name mit seiner eleganten Weltläufigkeit so besonders gut zu dem formschönen Sportcoupé passte.

Amalfi statt Roma

Nun also Amalfi , Punkt. Er bringe hohe Leistung, Vielseitigkeit und raffinierte Ästhetik harmonisch in Einklang, sagt der Pressetext. Stimmt, denkst du, während du den neuen Ferrari umschreitest.

Das dauert nicht besonders lang. Das flache Coupé ist gerade mal 4660 Millimeter lang und weist einen Radstand (2670 Millimeter) auf, der nur sieben Zentimeter länger ist als jener eines klassischen Long-Wheelbase-Ferrari der späten 50er-Jahre.

Ein sehr kompaktes Coupé also, das sich längenmäßig etwa mittig zwischen den direkten Konkurrenten 911 Turbo und Aston Martin DB12 einreiht. Das sage ich natürlich nicht laut, sondern steige ein in den grünen Ferrari Amalfi.

Einsteigen in eine neue Bedienwelt

Hier empfängt dich wirklich eine neue Welt: Die Touchtasten am Lenkrad wurden durch echte Tasten ersetzt. Das gilt nicht zuletzt für den Start-Button, der beim Roma zur Tastfläche unterhalb des Ferrari-Wappens verkümmert war. Jetzt ist er nicht zu verfehlen, dick und rot prangt er auf der linken Speiche. "Premimi", scheint er zu sagen, was auf Italienisch so viel wie "Drück mich" bedeutet.

Fehlt noch der Schlüssel, sage ich zu meinen Begleitern. Der sei bereits im Auto, sagen die und deuten auf ein rechteckiges Ferrari-Wappen auf der Mittelkonsole, das ich für ein hübsches Dekorelement gehalten hatte. In Wahrheit ist es der Fahrzeugschlüssel, der beim Einsteigen in eine genau passende Vertiefung geklickt werden kann.

Bekannter V8 mit Feinschliff

Da ja inzwischen viele teure Fahrzeuge mit Schlüsseln ausgestattet werden, die entweder den Charme einer Garagentor-Fernsteuerung haben oder wie polierter Kristallnippes wirken, ist der Amalfi-Schlüssel ein ästhetischer Selling Point. Leichter Druck auf den roten Knopf, wrummm, ist der V8 da. Auch das ist Ferrari-typisch: Scheinbar sind alle acht Zylinder zeitgleich zur Stelle und versetzen die Flatplane-Kurbelwelle auf einen Schlag in Bewegung. Viel geändert hat sich übrigens nicht am Motor. Nominell erstarkte er um 20 PS auf 640 Cavalli – ein Unterschied, den vermutlich höchstens die feinfühligsten Gasfüße zu ertasten vermögen.

Ferrari Amalfi
Ferrari

Uns Normalmenschen reicht es, zu wissen, dass der Ferrari Amalfi in neun Sekunden auf 200 km/h beschleunigen könnte und rund 320 km/h schnell liefe, wenn er dürfte. Beides ist hier an der Küste verboten. Weil wir nicht in Amalfi, sondern bei Faro sind, schwappt nicht das Tyrrhenische Meer, sondern der Atlantik an die Uferstraße. Die weiß gestrichenen Häuser im pastelligen Winterlicht kontrastieren dennoch schön mediterran mit dem küstengrünen Ferrari.

Komfort statt Drama im Stadtverkehr

Falls das Grün Ihren Geschmack nicht ganz treffen sollte: Es gibt alternativ acht Standardlackfarben von Rosso Corsa bis Bianco Avus sowie eine bunte Palette klassischer Ferrari-Farbtöne, von denen Verde Toscana oder Argento Nürburgring im Konfigurator besonders vielversprechend erscheinen. Mittlerweile hat sich der Achtzylinder warm gebrummelt. Er gibt sich im Stadtverkehr geradezu ministrantenfromm.

Der Amalfi rollt ruck- und vibrationsarm durch Ortschaften. Selbst die in Portugal weitverbreiteten Buckel an Zebrastreifen verlieren an Schrecken. Der optionale Frontlift hebt den Bug 40 Millimeter an, sodass der Wagen auch diese Hindernisse souverän überschmiegt. Betätigt wird das Frontlift-System über einen Touch auf das entsprechende Symbol ganz links oben unterhalb des Home-Symbols auf dem Touchscreen. Ansonsten kann man, wenn Fahrtziel und Klimaanlage eingestellt sind, den Infotainment-Screen sich selbst überlassen.

Von Tasten und Rädchen

Alle anderen Bedienelemente sind nämlich im Lenkrad untergebracht. Das ist zwar mitunter gewöhnungsbedürftig, doch diese besondere Art der Fahrer-Fokussiertheit passt zu Ferrari. Und schön ist es obendrein, wenn sich ein Auto wie der Amalfi eben nicht bedienen lässt wie ein Tablet, sondern wie ein Fahrzeug mit mechanisch klickenden Tasten und Drehrädchen.

Ferrari Amalfi
Ferrari

Mit etwas Eingewöhnung funktioniert es flüssig und beinahe blind. Das Muskelgedächtnis weist den Fingerkuppen den Weg zwischen Schaltwippe, Blinker, Wischer rechts oder ADAS-Taste, Tempomat und Lautstärkeregelung. Nicht dass wir viel davon auf unserer heutigen Ausfahrt benötigten. Die Route bringt uns über ein paar unspektakuläre Autobahnkilometer (streng limitiert auf 120 km/h) nach Norden.

Bald schlängeln sich kleine Landstraßen durch die Berge, der Verkehr ist deutlich spärlicher geworden. Das bedeutet: Das Getriebe wird in der Mittelkonsole auf M wie Manuale geswitcht, das Manettino rechts am Lenkrad um einen Klick von Comfort auf Sport gedreht.

Manuell heißt bei Ferrari wirklich manuell

Spätestens jetzt wird das Unterhaltungsprogramm ausschließlich per Fahrpedal justiert. Zweiter Gang, Gas. Der Amalfi schießt über die Gerade zum nächsten Bremspunkt, der V8 brüllt kurz auf, ein Zupfer an der rechten Wippe, der Dritte knallt in die Schaltverzahnung der Achtgang-Box an der Hinterachse.

Kurz auf die Bremse, einlenken, wieder aufs Gas. Der Dritte bleibt drin, selbst wenn du Vollgas gibst. Manuell heißt bei Ferrari nun mal manuell, kein Kick-down in den hohen Gängen. Und wenn du das Hochschalten vergisst oder die Fingerspitzen etwas zu spät an der Wippe sind, rattert der Achtzylinder humorlos in den Begrenzer.

Bremsen, schalten, einlenken, Gas geben – das Spiel wiederholt sich während der nächsten 80 Kilometer. Ohne, dass es je langweilig würde oder du gar darüber nachdächtest. Das alles funktioniert so selbstverständlich und spielerisch, dass du die Eindrücke erst hinterher auseinandersortierst.

Die Lenkung zeigt sich leichtgängig, doch unerhört präzise und mitteilungsfreudig. Du spürst kleine Verwerfungen der Straßenoberfläche in den Handgelenken, registrierst steigende Haltekräfte bei höheren Querbeschleunigungen.

Achtzylinder-Konzert

Auf den portugiesischen Landstraßen bleibt der Ferrari natürlich diesseits aller fahrdynamischen Grenzen dieses Autos. Dennoch schadet es nicht zu wissen, dass im Ernstfall vorgesorgt ist. Im Amalfi sorgt SSC 6.1 (Side Slip Angle Control) dafür, dass Fahrzeugsysteme wie ESP, ABS, Traktionskontrolle, Dämpferkontrolle oder elektrische Servolenkung im Gespräch bleiben und den Wagen in der Spur halten.

Der F154-V8 gibt den perfekten Konterpart dazu, liefert zwischen 3000 und fast 6000 Umdrehungen konstante 760 Nm Drehmoment, dreht auch aus dem Keller blitzartig hoch und macht zwischen 5000 und 7600 Umdrehungen richtig Alarm.

Und tönt dabei, wie ein italienischer V8 mit 180-Grad-Welle, Auspuffkrümmern mit gleich langen Rohren für alle acht Zylinder sowie einer eigens abgestimmten Abgasanlage nun mal zu klingen hat: nach großer Oper. Dabei spielt das Konzert im Interieur intensiver als draußen.

Komfort auf langen Etappen

Die große Kunst dabei: wie der Ferrari-Motor das komplexe Spiel zwischen dem Mezzopiano bei Konstantfahrt und dem atemlosen Wechsel zwischen Crescendo und Diminuendo im Sportmodus hinbekommt. Und zwar ohne dass der Sound dabei künstlich, zu laut oder unpassend wirkte. Nun sind drei Stunden Amalfi-Fahrt verflogen, links abbiegen in 200 Metern, sagt das Navi. 180 Kilometer liegen hinter uns.

Über den Fahrkomfort haben wir noch gar nicht gesprochen, einschließlich des erstaunlich geschmeidigen Abrollens der 20-Zoll-Goodyears. Und auch nicht über die Sitze, die zwar straff gepolstert, dafür aber anpassungsfähig und haltstark sind. Du steigst also selbst nach so langer Fahrt ohne Pause sehr entspannt aus. Wie es gewesen sei, fragen die höflichen Begleiter aus Maranello. Du fasst die Eindrücke kurz zusammen. Und freust dich schon mal. Denn nach einer kurzen Pause muss der Amalfi über 180 Kilometer zurück an die Atlantikküste.

Fazit

Technische Daten
Ferrari Amalfi
Außenmaße4660 x 1974 x 1301 mm
Hubraum / Motor3855 cm³ / 8-Zylinder
Leistung470 kW / 640 PS bei 5750 U/min
Höchstgeschwindigkeit320 km/h