Das Wastegate, die variable Turbinengeometrie, ja selbst der Riementrieb – alles Laub von gestern. Ja, der Herbst rupft die Blätter genauso schnell von den Bäumen, wie Porsche die Errungenschaften aus einem halben Jahrhundert 911 Turbo aussortiert. Und doch: Das Aufatmen der Turbo-Fan-Gemeinde war so laut zu hören wie das Abblasen des Überdrucks. Warum also die Erleichterung? Nun, der Top-Elfer kommt auch weiterhin ohne Kabel und Stecker aus. Allerdings: Ganz ohne Vitamin E geht es bei Porsche natürlich nicht mehr. So zieht das Paul-Pietsch-Preis-gekönte T-Hybrid-System aus dem GTS ein und macht den Turbo S zum stärksten Serien-Elfer aller Zeiten.
Stärkster Serien-Elfer dank dreifach Vitamin E
Dabei schrumpft beim neuen Sechszylinder-Boxer der Hubraum von 3,8 auf 3,6 Liter – und somit die verbrennerische Maximalleistung um 10 PS auf 640 PS. Zum Ausgleich, oder besser zur Überkompensation, boosten in Summe drei E-Maschinen. Zwei stecken im Zentrum der Turbolader und bringen die kleineren Turbinenräder unabhängig vom Abgasstrom schneller auf Touren. Aber nicht nur das, die eTurbos wirken auch umgekehrt, als jeweils 14 kW starke Generatoren, die mit dem Abgasüberdruck den 1,9-kWh-Akku im Bug aufladen. Wastegates zum Druckausgleich sind somit beim neuen Turbo S nicht mehr nötig.
Und E-Motor Nummer drei? Der versteckt sich im Getriebegehäuse. Der permanenterregte Synchronmotor koppelt sich über das Zweimassenschwungrad an die Kurbelwelle, gibt bereits bei Leerlaufdrehzahl 188 Nm Antriebsmoment ab und trägt bis zu 60 kW zur Systemleistung bei. In Summe sind das 711 PS – also 61 PS mehr als beim 992 – sowie glatte 800 Nm maximales Drehmoment. Letzteres liegt nun bereits ab 2.300/min an und streckt sich bis 6.000 Touren.
Mit Launch-Control-Start: 2,5 Sekunden von 0–100 km/h
Die Folge demonstriert der Launch-Control-Start: Festbremsen, durchatmen und festhalten bitte! Dank serienmäßigem Allradantrieb, griffigen und breiteren Gummis bleiben für den 25-Meter-Sprint – ja, mehr Weg braucht es nicht, um auf 100 km/h zu beschleunigen – nur 2,5 Sekunden, laut Porsche. Und wir glauben es gern, denn die Schwaben haben nicht den Ruf zu übertreiben, sondern eher umgekehrt. Tempo 200 sei übrigens ebenso glaubhaft nach 8,4 Sekunden erreicht. Der Topspeed: 322 km/h. Und die Nordschleifenzeit? Die drückte ein gewisser Jörg Bergmeister um 14 Sekunden auf 7.03,92 Minuten.
Tracktest: Südspanien statt Nordschleife
Doch in der Eifel ist’s herbstlich nass und kalt. Auf dem Club-Kurs Ascari im Herzen der Provinz Malaga wärmt dagegen die Sonne mit 25 Grad den Asphalt. Spätsommerliche Leichtigkeit? Nun, auf der Rennstrecke zeigt sich, dass so ein Turbo S mit all seiner Technik über 1,7 Tonnen versammelt. Okay, der Fahrer spürt das Gewicht nicht direkt, denn vor allen im Sport-Plus-Modus stürmt der Turbo S wie vom wilden Watz gebissen vorwärts: Kein Loch, nicht mal ein Löchlein gönnen die elektrischen Turbos und der Antriebswellen-E-Motor dem Piloten zum Durchatmen.

Statt über ein Wastegate begrenzt der Lader den Ladedruck, indem er die E-Motor zum Generator umpolt. Dabei erzeugt er bis zu 28 kW, die er entweder direkt in den Antriebsmotor leitet oder in die sogenannte Boost-Batterie (1,9 kWh/400 V) einspeist.
Stattdessen: unbändiger Vortrieb, ansatzlos. Untermalt vom kernigen Boxersound aus der fast sieben Kilogramm leichteren Titanabgasanlage. Schalten? In Sekundenbruchteilen. Fehlerfrei auf dem Track in "D"-Stellung, involvierend in "M" via Schaltpaddle. Schneller, exakter auf den Punkt schaltet kein anderes Achtgang-PDK.
Spielerisches Handling trotz 1,7 Tonnen Leergewicht
So jagt der Turbo S über Start-Ziel, schlängelt sich durch das Senna-S, bekommt in der überhöhten Bathurst-Kurve ordentlich Kompression, schüttelt sich in der Piff-Paff-Schikane ordentlich durch und gleitet durch die Petit-Eau-Rouge. Ja, Ascari hat große Namen für teils fiese, nicht einsehbare Kurvenkombis. Kein Problem, denn der Turbo S ist ein typischer Porsche: höchst dynamisch, dabei ungeheuer fahrstabil, selbst bei abgeklemmten elektronischen Helfern. Krass, wie mühelos der Pilot mit der Leistung jongliert, sie kurvengerecht portioniert, ja, fast schon mit ihr spielt.
Zur Erinnerung: 711 PS und 800 Nm Drehmoment – das galt vor der Elektro-Sportler-Ära als nahezu unfassbar. Die Power leitet der Allradantrieb gern wie gehabt bis zu 100 Prozent nach hinten, bei Bedarf hängt er die Vorderachse mit maximal 70 Prozent an. Das alles, ohne ins Lenkgefühl reinzupfuschen, das mit feinnerviger Direktheit begeistert. Zudem hilft der Wankausgleich dabei, Leistung und Lenkkraft auf die Straße zu bringen.
400-Volt-Technik stabilisiert den Turbo-Body noch effektiver
Aus dem 400-Volt-Netz gespeist, wirkt eine elektrohydraulische Pumpe auf über Kreuz verschaltete Stabis. Es wird also nicht nur von rechts nach links sowie von links nach rechts, auch von vorn nach hinten und umgekehrt ausnivelliert. Dabei schalten die hinteren Stabilisatoren auf Soft beim Anbremsen, um ein Trampeln der Hinterachse zu vermeiden. Beim Einlenken werden sie an der Vorderachse weich, während sich das System im Kurvenverlauf gegen die Fliehkräfte ausrichtet. Am Kurvenausgang wird die Hinterachse dann wieder weicher, für mehr Grip beim Rausbeschleunigen. Dabei richtet sich der Aufbau zehn Prozent schneller aus als beim alten Turbo und mit einem Fünftel höherer Abstützung. Bis zu 0,5 Grad Neigung lässt das so genannte die elektrohydraulische Porsche Dynamic Chassis Control (ehPDCC) zu – des natürlichen Fahrgefühls wegen. Fast nebenbei federt das S-Facelift deutlich angenehmer.

Tubonit-Lack kleidet nur 911 Turbo S.
Jedoch spätestens, wenn die Pirelli nach drei Stints weicher werden und das Auto leicht untersteuernd Richtung Boxengasse abbiegt, zeigt sich: Der Porsche Turbo S ist kein leichter Sportwagen.
King of the road
Also runter von der Rennstrecke, rein ins kurvige Hinterland. Zwischen Ronda und Marbella fressen sich kurvige Landstraßen durch canyonartige Schluchten. Mal breit genug asphaltiert für den fetten Turbo-Hintern, meist so eng, dass man betet, hinter der nächsten, uneinsehbaren Kehre taucht kein Motorrad, Fahrrad oder Reisebus auf.
Die Lenkung begeistert auch hier mit gefühlvoller Direktheit. Auf dem rutschigen, sonnengegerbten Asphalt reißt der Grip an der Vorderachse schnell mal ab, was der Top-Elfer mit sanftem Untersteuern quittiert. Ja, das Gewicht schiebt. Umgekehrt hat die erstarkte Bremsanlage mit dem wiederholten Tempoabbau keinerlei Probleme, obwohl der Turbo mit über 1,7 Tonnen mittlerweile zum Moppelchen mutiert.
Da der Bauraum innerhalb der 20-Zoll-Vorderräder ausgereizt war, vergrößerten die Ingenieure lediglich die Keramikscheiben im Heck – von 390 auf 410 Millimeter Durchmesser. Apropos: Trotz 20-Zoll-Rädern vorn und 21-Zoll-Rädern hinten federt der Turbo spürbar feiner als der Vorgänger. So muss ein Elfer mit Gran Turismo-Anspruch fahrwerken. Die Vorderrad-Dimensionen bleiben auf Vorgängerniveau, die Hinterräder sind mit 325 mm nun eine Nummer breiter.

Hinten wachsen die Keramikscheiben um 20 mm auf 410 mm – vorn war der Bauraum bereits ausgereizt.
Speed-Champion
Und dann ist da wieder der Schub: Ein kurzer Druck auf die roten Response-Tasten, und für 20 Sekunden stehen alle Systeme auf Attacke. Dabei tritt man kräftig gegen den Pedaldruck des Gaspedals, was die Feindosierung des Schubs erleichtert. Der entlädt sich durch die Titanabgasanlage, dank der der 3,6-Liter-Boxer stimmgewaltiger und herrlich boxerhaft ausatmet.
So reitet der Turbo S bereits ab 2.300 U/min und bis 6.000 U/min auf der 800‑Nm-Drehmomentwelle, die sich zu einem breiten Plateau aufbaut und als Leistungsdiagramm stark an den Kurvenverlauf eines E-Sportwagens erinnert. Dabei reagiert der Turbo aber nicht im 0-1-Verfahren auf Gaspedalbefehle. Das wäre ja langweilig. Nein, der Schub entwickelt sich subjektiv und schlägt doch in Turbo-typischer Heftigkeit zu.
Es ist Teil des Theaters, dass der 911 Turbo S aus Geschwindigkeit kein Drama macht – nein, er zelebriert Speed. Eine Tankfüllung lang treiben wir den Turbo S über Track, Berg und Tal, ohne dass der T-Hybrid schlappmacht oder der Elektro-Boost nachlässt. Die Autobahnfestigkeit prüfen wir dann beim ersten Test in Deutschland. Doch auch hier sollte der begrenzende Faktor nicht die elektrische Power sein, denn bei Volllast polt Porsche die Elektromotoren in den Turbinen einfach um, sodass diese als Generatoren zusammen bis zu 28 kW Strom aus dem Abgas erzeugen und Akku oder E-Maschine direkt füttern. Es ist also wahrscheinlicher, dass einem vorher der Sprit ausgeht.
In Summe mehr, aber gleicher Preis pro PS
Bleibt noch der Preis: Für 25.000 Euro mehr – also ab 271.000 Euro – gibt es 61 PS on top, aber auch 85 kg, dafür kein Turboloch mehr. Das Wastegate-Zwitschern wird den Turbo-Fans dennoch fehlen.
Fazit
| Porsche 911 Turbo S Turbo S | |
| Außenmaße | 4535 x 1900 x 1303 mm |
| Kofferraumvolumen | 128 l |
| Hubraum / Motor | 3745 cm³ / 6-Zylinder |
| Leistung | 478 kW / 650 PS bei 6750 U/min |
| Höchstgeschwindigkeit | 330 km/h |







