Mehr Action dank Elektro-Power: So kommt die Formel 1 aus der Überholkrise

Mehr Action dank Elektro-Power
So kommt die Formel 1 aus der Überholkrise

ArtikeldatumVeröffentlicht am 16.10.2025
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Die Formel 1 befindet sich im Moment in einem Teufelskreis. Der macht das Überholen immer schwerer. Die Aerodynamik ist dabei nur bedingt schuld. Viel gravierender wirkt sich aus, dass die Abstände zwischen den Autos minimal sind, dass die Reifen zu lange auf hohem Niveau halten, dass der DRS-Effekt immer kleiner wird und dass die Teams bei ihrer Strategie nicht mehr ins Risiko gehen.

Wenn ein Einstopp-Rennen möglich ist, dann stellen die Fahrer sicher, dass sie auch mit nur einem Reifenwechsel durchkommen. Das Reifenmanagement reduziert die Fehlerquote Richtung null. Und es gleicht die Strategien an, weil jeder ungefähr das gleiche Boxenstoppfenster hat. Alle warten, bis sich im Feld Lücken auftun, in die man fallen kann. Und die Momente sind eng begrenzt.

Das beste Rezept, um die Prozessionen aufzulösen, wäre es, Unterschiede im Feld zu schaffen. Im Moment liegt das Überhol-Delta auf den meisten Strecken bei einer Sekunde und darüber. Das schafft kein DRS. Und auch nicht mehr der Grip-Unterschied bei den Reifen, weil bei einer optimierten Taktik das Reifen-Delta zu gering ausfällt.

Cowell prophezeit mehr Überholmanöver

Im nächsten Jahr soll sich alles ändern, nach dem Motto: Neues Spiel, neues Glück. Alles wird technisch anders, und das ist normalerweise ein gutes Fundament für Unterschiede im Feld. Zumindest im ersten Jahr, wenn sich alle noch an das Optimum, herantasten. Aber diesmal könnte es mehr als nur ein Strohfeuer sein.

Aston-Martin-Teamchef Andy Cowell ist überzeugt: "Wir werden wahrscheinlich mehr Überholmanöver sehen." Deshalb kann er auch damit leben, dass die Formel 1 nächstes Jahr Sprintrennen an Singapur und Zandvoort vergeben hat, obwohl diese Strecken nicht gerade zum Überholen einladen. Doch der frühere Mercedes-Motorenchef ist überzeugt, dass es gar nicht mehr auf den Streckentyp ankommen wird, ob Überholen möglich ist oder nicht.

DRS ist 2026 Geschichte. Die Angriffshilfe lässt sich aktuell nur auf den Geraden nutzen. Statt DRS gibt es in der kommenden Saison Override. Also Extra-Power aus der Batterie. Da die schon beim Beschleunigen am Beginn einer Geraden wirkt und nicht wie DRS erst am Ende einer Geraden, ist ihre Wirkung größer. Dann sind da aber auch noch die natürlichen Unterschiede im Ladezustand der Batterie. Mit mehr als doppelt so viel erlaubter Energie im Speicher ist nicht jeder Pilot zu jeder Zeit mit gleich viel Power unterwegs.

Charles Leclerc - Ferrari - Formel 1 - Baku - GP Aserbaidschan 2025
xpb

Jede Woche neue Erkenntnisse

Das Energiemanagement wird ab 2026 viel komplexer sein, als das heute der Fall ist, mit einer Höchstladung von vier Megajoule und einer maximalen Abgabe von 163 PS aus der Elektroreserve. Dazu kommt der Einfluss des Fahrers, der mitbestimmt, wie viel Energie gespeichert und abgegeben wird. Wegen der aktiven Aerodynamik mit einem Modus für Kurven und Geraden ergeben sich auch bei den Autos Unterschiede.

Bei so vielen Faktoren trauen sich selbst die Experten noch keine endgültige Prognose zu. "Wir wissen noch nicht genau, wie die Effizienz der Leistung und die Effizienzaspekte des Aerodynamikpakets aussehen werden. Sowohl in Kurven als auch auf Geradeausfahrt. Diese relative Leistung von einem Auto zum anderen wird auch zum Renn-Spektakel beitragen. Ich denke, es wird spannend zu sehen, wie sich das alles entwickelt", sagt Cowell.

Im Augenblick laufen die Fahrsimulatoren im Hochbetrieb, um das komplizierte Zusammenspiel zu optimieren. Cowell berichtet: "Jedes Team lernt jede Woche etwas Neues dazu, während die Systeme ausgereifter werden und die Simulationen sich weiterentwickeln. Die Fahrer werden sich einbringen und Neues ausprobieren. Auch für die Außenwelt wird es faszinierend sein, das alles zu verfolgen. Ich denke, es wird eine großartige Saison."

Motoren-Diagram - Power-Split 2026
Mercedes

Überholen wird anders ablaufen

Auch Williams-Kollege James Vowles ist optimistisch, dass sich die Formel 1 mit ihrem anspruchsvollen Technikpaket in die richtige Richtung bewegt: "Das Überholen wird anders sein, aber es wird passieren. Es wird nur anders ablaufen, als man es jetzt gewohnt ist. Ich denke, es wird mehr überholt, nur nicht in den Bereichen, die man erwartet."

Soll heißen: Es kommen ungewöhnliche Überholstellen dazu. Nicht nur die Passagen, in denen der Override-Modus aktiviert werden darf. Man kann sich auch andere Szenarien vorstellen, die einen Zweikampf entscheiden können. Der eine fährt gerade im Ladebetrieb, während der andere noch Leistung ins System einspeisen kann. Ein Motorenmann verrät uns: "Wenn einer die vollen 350 Kilowatt in einem Stück aus der Batterie abruft, dann ist der Speicher nach 11,2 Sekunden leer. Der Pilot wird dadurch natürlich angreifbar von dem, den er gerade überholt hat."

Laut Vowles ist es aber gar nicht so schwer, schnell wieder Energie zu rekuperieren. "Man kann die Batterie in einer Bremszone fast komplett aufladen, aber auf einer Geraden auch entladen. Das schafft eine ganz andere Dynamik als dieses Jahr."

Ein interessanter Faktor wird der Einfluss des Fahrers werden. Laut Vowles beginnen die Piloten gerade zu verstehen, welches Werkzeug sie da in der Hand haben. "Es entsteht eine ganz andere Möglichkeit, sich Vorteile zu verschaffen. Die Herausforderung besteht darin, dass sich alles ändert. Wir lernen fast jede Woche dazu, insbesondere im Bereich Energie. Die große Frage lautet, wie wir sie möglichst effizient nutzen können. Am Ende werden die Fahrer die Nase vorn haben, die das Auto und sein Verhalten perfekt verstehen und beherrschen und über den Tellerrand hinausblicken."

Fazit