Vierte Plätze sind für Haas wie Siege. Das gab es in der Geschichte des amerikanischen Rennstalls erst einmal. 2018 in Österreich lieferten Romain Grosjean und Kevin Magnussen mit den Plätzen vier und fünf das bis heute beste Teamergebnis ab. Der GP Mexiko 2025 ist nicht weit davon entfernt. Oliver Bearman kam als Vierter ins Ziel, und Esteban Ocon setzte auf dem neunten Platz noch einen obendrauf.
Teamchef Ayao Komatsu strahlte anschließend über das ganze Gesicht: "Wir haben mit Teams gekämpft, mit denen wir gar nicht kämpfen dürften. Und uns wurde nichts geschenkt. Im ersten Stint hat Ollie Verstappen in Schach gehalten, im zweiten beide Mercedes und im dritten Piastri." Der nächste Gegner aus dem eigentlichen Umfeld von Haas war Sauber. Gabriel Bortoleto kam erst 36 Sekunden hinter Bearman ins Ziel.
Es war die Story des GP Mexiko. Der Kleinste ärgerte die Großen. Haas wächst zwar langsam, ist aber mit 350 Angestellten immer noch der Rennstall mit der geringsten Personaldecke, den größten Abhängigkeiten von Lieferanten und Partnern und den bescheidensten Werkzeugen. Alle Topteams sind drei Mal so groß. Deshalb war die Haas-Sternstunde auch ein Ohrfeige für den Rest.
Das große Duell mit Verstappen
Die starke Form von Haas deutete sich schon an den Trainingstagen an. Oliver Bearman schaffte es ins Q3 und zeigte im Longrun am Freitag, dass der US-Ferrari auch den Dauerlauf kann, ohne dabei einen Hitzekollaps zu riskieren. Das Wunder nahm dann schon in den ersten sechs Runden seinen Lauf.
Beim Start gewann Bearman vier Plätze. Das Duell zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton in der sechsten Runde spielte dem Zehnten der Startaufstellung zwei weitere Positionen zu. Als sich Verstappen den vierten Platz mit Ellbogen vor Kurve 7 zurückholen wollte, zeigte Bearman, dass er das auch kann. "Es war ein cooles Gefühl Seite an Seite mit Max zu kämpfen."
Jeder rechnete damit, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis Verstappen einen zweiten Versuch startet, doch nur drei Runden später hatte Bearman den Weltmeister aus dem DRS-Fenster geschüttelt. "Ich konnte es nicht glauben", erzählt Komatsu. "Wir sind Verstappen davongefahren, und er konnte uns nicht folgen."

Ob Max Verstappen, die Mercedes oder Oscar Piastri – auf der Strecke kam niemand vorbei an Ollie Bearman.
Alle bissen sich die Zähne aus
Spätestens da war klar: Dieser Bearman fährt tatsächlich mit den Großen um Platz 4 mit, und mit ein bisschen Rennglück könnte es vielleicht sogar das erste Podium für Haas werden. Zuerst bissen sich mal die Mercedes die Zähne an dem Außenseiter aus. Andrea Kimi Antonelli kam so wenig in Schlagdistanz wie George Russell. Der Singapur-Sieger forderte teamintern einen Platztausch, weil er der Meinung war, er könnte Bearman in die Knie zwingen. Es erwies sich als Fehleinschätzung.
Nur Oscar Piastri hätte dem Haas-Piloten gefährlich werden können. Der McLaren war das schnellste Auto aus dieser Gruppe, doch Piastri hing lange hinter den Mercedes fest. Und dann kam in der 47. Runde der Moment, in dem alles noch einmal schiefgehen hätte können. Max Verstappen zeigte mit seiner Aufholjagd, dass der Soft-Reifen im Finale die wesentlich bessere Option sein würde als die Medium-Mischung.

Für Teambesitzer Gene Haas dürfte sich die Investition in das Last-Minute-Upgrade jetzt schon gelohnt haben.
Lieber mit den Wölfen heulen
Als Antonelli und Piastri plötzlich zum zweiten Stopp an die Boxen abbogen, da hatte Haas zwei Möglichkeiten. Entweder folgen oder mit den Medium-Reifen bis zum Ende durchfahren und den Platz gegen die Zweistopper zu verteidigen.
"Wir trauten uns zu, auf dem Satz Medium mit anständigem Speed bis zum Ende zu fahren. Wahrscheinlich wären wir wie Leclerc mit dem letzten Reifengummi über die Distanz gekommen. Vielleicht hätten wir uns auch gegen Verstappen verteidigen können, und wären dann Dritter geworden", verrät Komatsu die Gedankenspiele am Kommandostand.
Die Alternative war, mit den Wölfen zu heulen, ebenfalls ein zweites Mal zu stoppen und den vierten Platz zu halten. "Uns war ein sicherer vierter Platz lieber als ein unsicherer dritter. Die Gefahr bestand auch, dass uns die Reifen früher einbrechen und wir dann von der ganzen Meute mit Soft-Reifen geschluckt werden."

Wo wäre Bearman gelandet, wenn er nicht noch einmal an die Box gegangen wäre?
Ohne zweiten Stopp vielleicht Dritter
Für diese ganzen Überlegungen hatte der Kommandostand laut Komatsu 20 Sekunden Zeit. "Es zeigt die Qualität unserer Mannschaft, dass wir unter Druck das Richtige gemacht haben." Trotzdem versteht der Haas-Teamchef nicht, warum nicht alle aus dieser Gruppe auf der Strecke geblieben sind. Damit wären alle vermutlich auch eine Position weiter vorne gelandet.
Nach Meinung von Komatsu hat Verstappen mit seiner Show im letzten Stint seine Gegner in die Irre geführt. "Wenn wir alle draußenbleiben, muss Max erst einmal durch diesen DRS-Zug durch. Das ist in Mexiko viel schwerer als anderswo. Wenn er zu lange im Verkehr gesteckt hätte, hätten auch seine Soft-Reifen mehr gelitten und er wäre nicht mehr so schnell gewesen, wie er es in sauberer Luft war. So aber haben wir ihm den Weg frei gemacht."
Esteban Ocon stand als Neunter im Schatten seines jungen Teamkollegen, doch Komatsu nimmt den Franzosen in Schutz. "Esteban hat wegen drei Hundertsteln das Q3 verpasst. Er verlor im ersten Stint viel Zeit hinter Tsunoda. Und er hatte am Sonntag starke Kopfschmerzen. Trotzdem hat er das Potenzial unseres Autos gut umgesetzt. Er fühlte sich im Gegensatz zu Austin viel wohler im Auto."

Teamchef Ayao Komatsu will noch nicht auf die WM-Tabelle blicken.
Blick auf WM-Stand lenkt nur ab
Der 14-Punkte-Segen war nicht nur das Resultat eines Bearmans in Hochform und einer guten Strategie. Aus Sicht des Teamchefs hat auch das späte Upgrade, das in Austin debütierte, den Unterschied gemacht. "Ohne diesen Entwicklungsschritt wären die Ergebnisse von Austin und Mexiko nicht möglich gewesen." Ein neuer Unterboden brachte mehr Abtrieb und verschob die Balance in schnellen Kurven etwas mehr Richtung Heck.
Wie Red Bull scheute sich Haas nicht, ein bisschen Windkanalzeit für das 2026er-Auto zu opfern, um 2025 noch um den sechsten Platz kämpfen zu können. Im engen Mittelfeld-Kampf geht es nicht nur um Prestige, sondern auch um zweistellige Millionen-Einnahmen. Jede Position ist bares Geld wert.
"Du lernst aus solchen Upgrades immer etwas, auch wenn die Autos nächstes Jahr anders sein werden. Es geht hier um die Verlässlichkeit deiner Simulations-Werkzeuge, das Verständnis, wo man ansetzen muss, um das Auto schneller zu machen und das Selbstvertrauen, dass du gewinnst, wenn das Auto besser wird", sagt Komatsu.
Der sechste WM-Platz ist nach dem Coup von Haas in Mexiko nur noch zehn Punkte entfernt. Doch davon will Komatsu nichts hören. "Ich habe immer gesagt, dass wir Sechster werden können. Auch schon vor diesem Rennen. Aber wir dürfen uns nicht auf dieses Ziel fixieren. Das lenkt nur ab. Unser nächster Fokus liegt auf dem Freitagstraining in Brasilien. Dann der Sprint. Dann das Rennen. Wenn wir in jedem Schritt das Beste rausholen, kommt der sechste Platz von ganz alleine."












