Geniale Stallregie-Taktik bringt den Titel: So wurde Verstappen ausgetrickst

Stallregie bringt Norris den WM-Titel
So wurde Verstappen ausgetrickst

GP Abu Dhabi 2025
ArtikeldatumVeröffentlicht am 07.12.2025
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War der McLaren-Platzwechsel geplant?

Als Oscar Piastri schon in der ersten Runde Lando Norris attackierte und sich auf Platz zwei schob, schien sich der WM-Krimi noch einmal zuzuspitzen. Es sah so aus, als wäre Max Verstappen dem Titel einen Schritt nähergekommen. Doch eigentlich war das Gegenteil der Fall. Für McLaren lief alles nach Plan. Sie hatten Piastri früh in der Position, in der man ihn haben wollte.

"Wir haben vorher über die strategische Option gesprochen, dass Oscar mit den harten Reifen Max das Leben schwer machen soll. Lando hat diesen Plan unterstützt. Deshalb hat er auch nicht dagegengehalten", verriet Teamchef Andrea Stella. Auch Norris gab zu, dass er den Teamkollegen überholen ließ: "Ich hätte mir nichts lieber gewünscht, als dass Oscar das Rennen gewinnt und auf Platz zwei in der WM landet. Das hat aber leider nicht geklappt."

Geklappt hat aber, dass Verstappen das Feld nicht einbremsen konnte. Piastri hätte mögliche Taktikspielchen zu einem Angriff genutzt. Für ihn gab es nichts mehr zu verlieren. Im Zweikampf hätte er ein deutlich höheres Risiko eingehen können als Norris. Grundlage dieser Taktik war es, dass beide McLaren-Piloten auf unterschiedlichen Reifen starteten. Das hatte es in dieser Saison noch nie gegeben.

Max Verstappen - Lando Norris - Oscar Piastri - GP Abu Dhabi 2025
Clive Rose via Getty Images

"Das hat das Strategie-Team gemeinsam mit den Renningenieuren, den Fahrern und der Teamleitung entschieden. Erst wenige Stunden vor dem Start wurde diese Taktik abgenickt", gab Stella zu Protokoll. "Wir wussten nicht, welche Strategie die bessere sein würde. Aber wir wussten, dass die harte Mischung ein guter Reifen ist."

Der Plan sah vor, dass Piastri hinter Verstappen Druck macht, um den Weltmeister in einen Fehler zu hetzen oder frühzeitig an die Box zu zwingen. "Wir waren dann aber überrascht, dass Max so lange und so schnell mit seinen Medium-Reifen fahren konnte", zollte Stella dem entthronten Weltmeister Respekt.

Der Plan sah auch nicht vor, dass Charles Leclerc im Ferrari so gut mithalten konnte. Norris hatte Mühe, das rote Auto im Rückspiegel abzuschütteln. Um Norris aus der Reserve zu locken, probierte es der Monegasse sogar noch mit einem zweiten Boxenstopp. Doch McLaren wehrte den Undercut-Versuch mit einem eigenen zweiten Stopp ab. "Charles hat mich heute echt genervt. Das habe ich ihm nach dem Rennen auch gesagt", grinste Norris später.

Max Verstappen & Kelly Piquet - GP Abu Dhabi 2025
Mark Thompson via Getty Images

Hatte Verstappen irgendeine taktische Chance?

Vor dem Start war man sich im Fahrerlager nicht sicher, ob Verstappen nicht doch ein paar spezielle Tricks auspacken würde. So wurde zum Beispiel erwartet, dass der Niederländer versuchen würde, Norris mit bewusstem Langsamfahren in die Fänge der Verfolger zu zwingen. Doch dann lag schon nach einer Runde plötzlich Piastri als Puffer zwischen den beiden WM-Rivalen.

"Mit unserer Entscheidung, beide Autos auf unterschiedliche Strategien zu setzen, haben wir es Max erschwert, das Tempo zu kontrollieren", erklärte Stella. Sein Red-Bull-Kollege Laurent Mekies gab zu, nicht mit der speziellen Taktik gerechnet zu haben: "Damit haben sie uns überrascht. Das war von ihrer Seite sehr clever gespielt. Das hat ihnen mehr Optionen gegeben. Wir mussten an zwei Fronten um den Sieg kämpfen."

Als Piastri zum Reifenwechsel abbog, war der Zug für Verstappen endgültig abgefahren. Ein weiterer eigener Stopp hätte ihn hinter Piastri geworfen. Und mit seinen alten Reifen, konnte er die Konkurrenz auch nicht mehr einbremsen. Die Verfolger wären einfach vorbeigefahren. Es gab nur ein kurzes Fenster für Verstappen, direkt nach dem Überholmanöver gegen Piastri in Runde 41, um vor dem Australier zu einem zweiten Stopp an die Box zu gehen. Dann hätte er die Spitze verteidigt.

"Es wäre möglich gewesen und wir haben auch kurz darüber diskutiert, aber wir haben uns dagegen entschieden", erzählte Mekies anschließend. "Wir hätten damit einen großen Vorteil aus der Hand gegeben. Und wir haben auch nicht daran geglaubt, dass uns Taktikspielchen in der Situation heute geholfen hätten. Also ging es für uns nur noch um den Sieg."

Einige Beobachter waren enttäuscht, dass Red Bull nicht alle Tricks ausgepackt und sich an den letzten Strohhalm geklammert hat. Wäre das mit Christian Horner vielleicht anders gelaufen? "Wir hatten einen fairen und sauberen Kampf", betonte Mekies. "Das heißt aber nicht, dass wir nicht überall an die Grenzen – und manchmal auch darüber hinaus – gegangen sind. Aber gleichzeitig haben wir auch Respekt vor unseren Gegnern."

Lando Norris vs. Charles Leclerc - GP Abu Dhabi 2025
Guido de Bortoli via Getty Images

Warum konnten Mercedes und Ferrari nicht eingreifen?

Verstappen stand in Abu Dhabi alleine gegen zwei McLaren und wurde taktisch clever kaltgestellt. Teamkollege Yuki Tsunoda konnte den WM-Gegnern keine Punkte klauen. Das Finale zeigte deutlich, dass Red Bull einen starken zweiten Mann an der Seite von Verstappen braucht. "Für diese Erkenntnis haben wir das letzte Rennen nicht gebraucht. Das wussten wir schon vorher. Ich hoffe, dass Hadjar diese Rolle besser ausfüllt", grummelte Sportchef Helmut Marko.

Die letzte Hoffnung bestand darin, dass ein anderes Auto Schützenhilfe leistet. Doch weder Ferrari noch Mercedes konnten in den Fight der ersten Drei eingreifen. Der einzige Pilot, der in Sachen Rennpace in der Lage gewesen wäre, hieß Charles Leclerc. "Dafür hätten wir aber weiter vorne starten müssen", erklärte Teamchef Frederic Vasseur. "Unser Setup war etwas mehr auf das Rennen ausgelegt. Deshalb lief es besser als im Qualifying."

Mercedes konnte weder am Samstag noch am Sonntag mit der Pace von McLaren mithalten. Für George Russell war Platz fünf in Abu Dhabi das Höchste der Gefühle. Der Rückstand im Ziel betrug mehr als 48 Sekunden. Der Grund dafür waren überstrapazierte Reifen. "Unsere Fahrer konnten das Auto einfach nicht zum Einlenken bewegen. Das betraf vor allem die Kurven 1 und 9. Da hat der rechte Vorderreifen richtig gelitten", ärgerte sich Teamchef Toto Wolff. "Wir sind happy, dass die Groundeffect-Ära jetzt endlich vorbei ist."

Ollie Bearman vs. Gabriel Bortoleto - GP Abu Dhabi 2025
Lars Baron via Getty Images

Wie wurde das Duell um Platz 8 entschieden?

Nicht nur an der Spitze wurde hart um jede Position gefightet. Auch im Mittelfeld ging es um die Wurst. Sauber versuchte, fünf Punkte gegen Haas aufzuholen, um sich noch den achten Platz in der Teamwertung zu schnappen. Dabei ging es nicht nur um Prestige, sondern auch um rund zehn Millionen Euro aus den Prämientöpfen.

Mit Nico Hülkenberg auf Startplatz 18 standen die Vorzeichen für das Schweizer Team allerdings schlecht. Also gingen die Strategen volles Risiko. Mit dem Start auf Softs und einem frühen Stopp in Runde 7 probierte man den Undercut gegen den Rest des Feldes. Das Vorhaben gelang. Als auch die Gegner abgebogen waren, lag Hülkenberg auf Punktekurs.

Doch dann verpassten die Strategen den idealen Moment zum zweiten Stopp. Hülkenberg blieb zu lange draußen und verlor einige der gewonnenen Plätze wieder. Erst durch nachträgliche Strafen gegen Ollie Bearman und Lance Stroll ging es doch noch auf Rang neun in die Punkte.

Um die sechs Zähler von Esteban Ocon zu übertrumpfen, hätte es aber auch noch etwas Zählbares von Teamkollege Gabriel Bortoleto gebraucht. Doch der Rookie hatte plötzlich mit Bouncing zu kämpfen und fiel von Startplatz sieben auf Rang 11 zurück. "Wir vermuten, dass irgendwas mit dem Auto nicht gestimmt hat. Das müssen wir untersuchen", ärgerte sich Teamchef Jonathan Wheatley. So gewann Haas das Duell am Ende mit neun Punkten.

Lando Norris vs. Yuki Tsunoda - GP Abu Dhabi 2025
xpb

Warum gab es so viele Strafen?

Gleich vier Piloten kassierten in Abu Dhabi Strafen, weil sie die Linie im Zweikampf zu oft gewechselt hatten. Yuki Tsunoda war der erste, der sich nicht ganz fair gegen Lando Norris verteidigte. Dann wurde Liam Lawson wegen einer zu wilden Fahrweise vor Ollie Bearman verknackt. Der Brite wiederum blockierte Lance Stroll mit unfairen Schlangenlinien. Und auch der Kanadier hatte vor Carlos Sainz zu heftig herumgewedelt.

Zuerst dachte man, dass sich die Stewards mit der Strafe für Tsunoda selbst in Zugzwang gebracht hatten. Der Japaner ging beim Duell mit Norris über die Grenze des Erlaubten. Wäre er nicht schuldig gesprochen worden, hätte man dem neuen Weltmeister vielleicht eine Strafe für unerlaubtes Überholen neben der Strecke geben müssen. So sollte der Titelkampf natürlich nicht entschieden werden.

Doch nach dem Rennen schauten sich Aston-Martin-Einsatzleiter und Toro-Rosso-Teamchef Alan Permane die Vergehen ihrer Piloten noch einmal zusammen mit den FIA-Schiedsrichtern an. Sie mussten anschließend zugeben, dass die Strafen zu Recht ausgesprochen wurden. Einzig Haas-Teamchef Ayao Komatsu war nicht ganz einsichtig. "Ollie blieb die ganze Zeit in der Mitte der Piste. Den Buchstaben des Gesetzes nach kann man die Strafe vielleicht geben, aber sie war schon auf der härteren Seite."