Warum ist Lando Norris ausgefallen und hätte er gewinnen können?
Lando Norris erlebte in Zandvoort eine Achterbahn der Gefühle. Aber in der Reihenfolge, wie man sie eben nicht erleben will. Von einem Hoch mit den drei Bestzeiten in den Trainings, ging es eigentlich nur noch bergab. Im Quali schnappte ihm Piastri im entscheidenden Moment die Pole weg, im Rennen verlor er zunächst am Start einen Platz gegen Max Verstappen, den er sich mit einem starken Manöver zwar in Runde neun wieder zurückeroberte, doch gegen den führenden Oscar Piastri konnte er nicht wirklich etwas ausrichten. Immer wieder knabberte er sich bis auf etwas mehr als eine Sekunde an den Australier ran, doch auch bei beiden Restarts nach den Safety Car-Phase blieb Piastri an der Spitze. Das bestätigte der 24-Jährige nach dem Rennen selbst. "Ich habe das Rennen kontrolliert, als es nötig war."
Der absolute Tiefpunkt folgte dann in Runde 65, als Norris Rauch im Cockpit meldete. Wenige Sekunden später war auch Rauch im Heck des McLaren zu sehen. Und wieder einige Sekunden später rollte Norris auf der Strecke aus. Sein Kommentar: "Macht nichts. Das ist Pech, Jungs." Trotzdem brauchte er etwas Zeit, die Enttäuschung zu verdauen. Mit gesenktem Kopf saß er in den Dünen.
Die Ursache für den technischen Defekt war zunächst noch nicht ganz klar. Es war ein Ölleck. Woher das kam, stellte sich erst am frühen Abend heraus. "Wir haben ein Problem am Chassis festgestellt und werden vor dem nächsten Rennen in Monza eine umfassende Überprüfung durchführen. Dies ist das erste technische Problem für das Team nach einer langen Phase fehlerfreier Zuverlässigkeit", sagte McLaren-Teamchef Andrea Stella. In der WM könnte es eine Vorentscheidung gewesen sein. Bei noch neun zu fahrenden Rennen führt Piastri nun mit 34 Punkten das Klassement an.
Wie ist die Stimmung bei Ferrari nach dem Zandvoort-Debakel?
Die Steilkurve in Zandvoort schien für Ferrari mit irgendeinem Fluch belegt zu sein. Sowohl Lewis Hamilton als auch Charles Leclerc mussten hier ihr Rennen beenden. Der eine in Runde 23, der andere in Runde 53. Totalausfall für Ferrari. Bei Hamilton war es Eigenverschulden. Als es leicht zu regnen begann, kam er auf der lackierten Werbefläche ins Rutschen und krachte mit seinem Dienstwagen in die Bande. Nach seiner Aussage in Budapest, Ferrari müsse sich einen neuen Fahrer suchen, war es sicher nicht der beste Moment für ihn. "Als ich die Steilkurve hochfuhr, brach das Heck aus und ich konnte das Auto nicht mehr unter Kontrolle bringen", sagte er.
Trotzdem geht der 40-Jährige nicht komplett enttäuscht ins nächste Heimrennen nach Monza. "Ich habe mich im Auto wohlgefühlt und die Pace war ermutigend", fasste Hamilton zusammen. Und auch Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur bestätigt: "Die Stimmung ist positiver als nach den letzten Rennen. Weil wir aus diesem Wochenende auch viel Positives mitnehmen konnten, auch wenn das Ergebnis das nicht wiederspiegelt."
Was man da noch nicht wusste: Es sollte noch dicker für Hamilton kommen: Weil er bei einer der Boxendurchfahrten auf der Fahrt in den Startplatz die vom Rennleiter aufgrund der Streckencharakteristik angeordneten doppelt gelben Flaggen in der letzten Kurve nicht ausreichend beachtete und nur um 20 km/h verlangsamte, bekam er eine Startplatzstrafe von 5 Plätzen für Monza aufgebrummt. Die Entscheidung wurde erst am Abend verkündet, weil man so lange zur Sichtung der Telemetriedaten brauchte.

Charles Leclerc schaute sich den Rest des Rennen von der Düne aus an.
Für Leclerc war der Ausfall eine bittere Pille. Er wurde von Kimi Antonelli getroffen, der auf der Innenseite der Steilkurve war und im Verlauf der Kurve nach außen hinaus trieb und Leclerc dabei torpedierte. Der SF-25 war nach dem Kuss der Streckenbegrenzung ein Totalschaden. Und Leclerc saß wie ein Häufchen Elend am Streckenrand. Antonelli bekam eine 10-Sekunden-Strafe für das Manöver und entschuldigte sich bei Ferrari. Bis dahin hielt Ferrari noch gut mit Mercedes mit. Leclerc schnappte George Russell zuvor in einem turbulenten Duell den fünften Platz weg.
Wer war im Duell Leclerc vs. Russell im Recht?
In diesem Rennen kam es zu einigen kontroversen Duellen. Darunter auch die Szenen zwischen George Russell und Charles Leclerc in Runde 33, die für viele Diskussionen sorgten. Leclerc nutzte nach dem Virtual Safety Car die Gelegenheit und startete einen Angriff in Kurve 12 auf Russell. Der Monegasse bereitete sein Manöver in Kurve 11 auf der Außenbahn vor, um sich die Innenbahn in der folgenden Kurve zu sichern. Dabei passte aber kein Blatt Papier mehr zwischen die beiden. Leclerc musste sich halb im Kiesbett vorbeiquetschen, die beiden berührten sich. Russell sagte am Funk, Leclerc habe mit allen vier Rädern die Strecke verlassen, der Ferrari-Fahrer sagte, der Mercedes habe ihm keinen Platz gelassen.
Die Sportkommissare untersuchten den Vorfall nach dem Rennen. Sie kamen aber zu dem Schluss, dass es keine Strafe gibt. Weder hatte ein Fahrer gegen die Regeln verstoßen noch war eindeutig nachzuweisen, dass Leclerc die Strecke verlassen hat. Zudem waren beide Fahrer und Teamvertreter bei der Anhörung der Meinung, es habe sich um einen Rennunfall gehandelt. Für Russell war es insgesamt trotzdem unbefriedigend. "Bei der Kollision wurde mir links der halbe Unterboden weggerissen. Das hat eine Sekunde pro Runde gekostet."

George Russell und Charles Leclerc kamen sich etwas zu nahe.
Hat Isack Hadjar dank Platz drei Chancen auf das Red Bull-Cockpit?
Er war die Überraschung des Wochenendes. Isack Hadjar sagte noch, dass Zandvoort eine Strecke sei, die er eigentlich nicht so mag. Und dennoch lieferte er das beste Wochenende seiner Debütsaison in der Königsklasse ab und überzeugte die Experten. Der erste Streich: Platz vier in der Qualifikation. Wohlgemerkt direkt hinter Max Verstappen im Red Bull. Der zweite Streich: Er sicherte sich im Rennen seinen ersten Podiumsplatz – nur 1,962 Sekunden hinter Verstappen. Dabei war zwar etwas Glück auf seiner Seite, weil er vom Ausfall von Lando Norris profitierte, aber generell hielt er sich bis dahin selbstsicher auf Platz vier. "Das wir uns da behaupten konnten, hat mich selbst am meisten überrascht", sagte der 20-Jährige.
Einer, der ihn sehr gut kennt, ist sein ehemaliger Teamchef Laurent Mekies. Und der könnte im Jahr 2026 möglicherweise wieder sein Boss werden. Denn viele handeln den Franzosen nach 15 Formel 1-Rennen als Kandidat für das Red Bull-Cockpit neben Verstappen. Irre, wenn man bedenkt, wie holprig seine Premiere verlief: Da schmiss er das Auto in Melbourne in der Einführungsrunde weg und verdrückte ein paar Tränchen. "Für Isack war es ein außergewöhnliches Rennen", lobte Mekies. "Das konnte man sehen. Und es war eine Frage der Zeit. Es ist einfach ein Beweis dafür, wie wie fantastisch er seit Beginn der Saison gearbeitet hat."
Gibt es womöglich schon eine Chance, ihn noch in dieser Saison zu befördern, wenn Yuki Tsunoda nicht mehr Leistung bringt? "Wir sollten nicht das Gefühl nach jedem einzelnen Rennen in Betracht ziehen", sagte Mekies. "Aus der Red Bull-Perspektive sind sie alle unsere Fahrer. Nur wir treffen die Entscheidungen, und mit "wir" meine ich die Red Bull-Gruppe. Warum sollte man sich wegen eines Ergebnisses oder eines anderen unter Druck setzen?"

Isack Hadjar zerstörte im Eifer des Gefechts seinen Pokal.
Wer waren die Gewinner und Verlierer im Mittelfeld?
Mit dem Endspurt in die letzten neun Rennen der Saison wird es auch in der Konstrukteurs-WM zunehmend spannender. Großer Verlierer in Zandvoort war Sauber. Die Schweizer, die zuletzt sechs Mal in Folge Punkte holten und auf dem siebten Rang in der Tabelle mit nur einem Punkt Rückstand auf Aston Martin lagen, mussten aus Holland mit null Punkten abreisen. Mehr als Platz 16 und 17 war für Nico Hülkenberg und Gabriel Bortoleto nicht drin.
"Es ist frustrierend, vor allem wenn man sieht, was einige unserer direkten Konkurrenten aus dem Rennen herausholen konnten", sagte er. "Das trägt natürlich nicht gerade zur guten Stimmung bei, wenn man bedenkt, wie eng der Kampf um die Konstrukteurswertung derzeit ist."
Für Hülkenberg war es ein Rennen mit unglücklichen Umständen. "Die beiden Safety Car-Phasen haben uns nicht in die Karten gespielt", sagte er. "Andere hatten eine Gratis-Stopp und uns hat es zurückgeworfen." Bei Bortoleto gab es ein Problem mit der Kupplung am Start, danach zog er sich einen Schaden am Frontflügel im Kontakt mit Franco Colapinto zu.
Zu den Gewinnern zählte hingegen Toro Rosso, die Sauber mit Platz drei von Isack Hadjar den siebten Platz wegschnappten und nun nur noch zwei Punkte hinter Aston Martin liegen. Sowohl Williams schaffte es mit dem fünften Rang von Alex Albon den fünften Platz in der WM zu behaupten als auch Aston Martin gelang es mit beiden Autos insgesamt zehn Zähler zu sammeln und Platz sechs zu konsolidieren. Auf eine ähnlich gute Bilanz kommt Haas mit neun Zählern in Zandvoort, was den Rückstand auf die Konkurrenz etwas verkürzte. Das Team brachte Oliver Bearman nach einem Start aus der Boxengasse bis auf Rang sechs mit einer Einstopp-Strategie.












