McLaren dominiert diese Saison wie selten ein Team zuvor. Der Konstrukteurs-Titel ist praktisch schon vergeben. McLaren hat mehr als doppelt so viele Punkte auf dem Konto wie seine Verfolger. Ferrari liegt 299 Zähler zurück, Mercedes 323. Auch bei den Fahrern kann man sich bereits festlegen. Weltmeister wird ein McLaren-Pilot. Max Verstappen hat mit 97 Punkten bereits zu viel Rückstand.
Oscar Piastri und Lando Norris machen den Großteil der Rennen unter sich aus. Der Australier gewann sechs, sein Kontrahent fünf Mal. Beide standen je vier Mal auf der Pole-Position. Nach schnellsten Rennrunden führt Norris mit 5:4. Im Quali-Duell steht es 8:6 für Piastri. Auch bei den Führungskilometern hat der Mann aus Melbourne mit 1.760 zu 1.047 die Nase vorn. In der WM-Tabelle macht das gerade mal einen Unterschied von neun Punkten aus.
Norris ging als Favorit in die Saison. Der Engländer fährt sein siebtes Jahr bei McLaren. Das sind 82 Rennen mehr Erfahrung als Piastri, der erst 2023 in der Formel 1 debütierte. Als Vize-Weltmeister 2024 untermauerte Norris seinen Führungsanspruch im Team. Doch Piastri hat im Winter an seinen Schwächen gefeilt und liegt nun fast in allen Disziplinen gleichauf mit seinem Stallrivalen. Mit dem fünften Grand Prix übernahm er die WM-Führung von Norris und gab sie seitdem nicht wieder ab.
Der Reiz des teaminternen Duells
Es ist nicht das erste Mal in der Formel-1-WM, dass zwei Teamkollegen um den WM-Titel kämpfen. Neun Mal waren sie dabei allein. Vier Mal mischte sich noch ein Dritter oder gar Vierter in das Titelrennen mit ein. Teamduelle haben ihren besonderen Reiz. Da schaut jeder ganz genau drauf, ob beide Fahrer fair behandelt werden. Dabei steht jede Strategie, jede technische Entwicklung am Auto, jede psychologische Kriegsführung, jeder Zweikampf auf dem Prüfstand. Viel mehr, als würden zwei Fahrer aus unterschiedlichen Teams gegeneinander antreten.
Das führte in der Vergangenheit oft zu Streit, Missgunst, Verwerfungen und manchmal auch zu einem tragischen Ausgang. Wir schauen noch einmal auf die Saisons zurück, bei denen sich die Weltmeisterschaft auf ein Duell zweier Fahrer aus dem gleichen Rennstall konzentriert hat:
1950: Alfa Romeo ist haushoch überlegen. Kein anderes Auto kann die Alfettas schlagen. Im Finale in Monza tritt Nino Farina gegen Juan-Manuel Fangio an. Der Mailänder Rennstall spielt Farina auf den WM-Titel. Der damals bereits 43-jährige Italiener bekommt das neueste Modell 158/159 mit dem stärksten Motor und neuer De-Dion-Hinterachse. Farina setzt sich durch, weil Fangio mit Getriebeschaden die Waffen strecken musste. Der Argentinier steigt zwar noch in das Auto von Teamkollege Piero Taruffi um, doch der Titel ist Farina nicht mehr zu nehmen.

Gleich im ersten Jahr der Formel 1 wurde der WM-Titel unter Teamkollegen ausgefahren.
1961: Ferrari ist mit seinem Tipo 156 allein auf weiter Flur. Alles läuft auf ein Duell zwischen Phil Hill und Wolfgang Graf Berghe von Trips hinaus. Enzo Ferrari hätte gerne, dass sich die WM beim vorletzten Rennen in Monza entscheidet, damit er seine Autos nicht mehr zum Finale in die USA schicken muss. Seine Sympathien liegen eher bei dem deutschen Grafen. Trips kommt als WM-Führender mit 33 Punkten nach Monza. Eine Strecke, die er nicht mochte. Auf der er schon zwei schwere Unfälle überlebte. Hill hat vor dem entscheidenden Lauf in Monza 29 Zähler auf dem Konto. Der Amerikaner gilt nach seinem Sieg im Vorjahr als Monza-Spezialist.
In der zweiten Runde schlägt das Schicksal grausam zu. Trips kollidiert bei der Anfahrt zur Parabolica mit dem Lotus von Jim Clark und fliegt in die dicht gedrängte Menschenmenge am Streckenrand. Der Fahrer und 14 Zuschauer sterben. Hill erfährt erst im Ziel von der Tragödie. Zum ersten Mal ist ein Amerikaner Weltmeister.
1967: Dieser Zweikampf hat eine besondere Note. Mit Jack Brabham und Denis Hulme kämpfen nicht nur zwei Teamkollegen um den Titel, sondern der Chef und sein Angestellter. Entgegen vieler Verschwörungstheorien gibt Brabham seinem Stallrivalen freie Fahrt. Der Konstrukteurs-Pokal war für Brabham-Repco bereits in der Tasche. So wird auf jegliche Absprache im Team verzichtet. Brabham hätte das Rennen gewinnen müssen, doch Jim Clark macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Hulme reicht ein dritter Platz.

Der Startcrash 1978 in Monza kostete Ronnie Peterson das Leben.
1978: Nur noch ein Lotus-Fahrer kann Weltmeister werden. Eigentlich steht Mario Andretti als Weltmeister schon fest. Sein Teamkollege Ronnie Peterson hat einen Nummer-zwei-Vertrag unterschrieben, der ihm befiehlt, Andretti den Vortritt zu lassen, wenn kein Auto dazwischen liegt. Doch wird er sich daran halten? Seit seinem Sieg am Österreichring ist der Schwede wieder mittendrin im Titelrennen. Und er ist sich für die Saison 1979 schon mit McLaren handelseinig.
Doch es liegt ein Fluch über Petersons Wochenende, das mit einem Motorschaden und Bremsproblemen beginnt. Im Warm-up zerstört der WM-Zweite seinen Lotus 79 nach einem Bremsdefekt in den Leitplanken der Roggia-Kurve. Peterson muss in den alten Lotus 78 umsteigen, mit dem er dann in eine verheerende Startkollision mit elf Autos verwickelt wird. Der Lotus-Pilot wird schwer verletzt aus seinem brennenden Wrack geborgen. Am nächsten Morgen stirbt er nach einer Operation an einer Fettembolie. Es ist eine traurige Parallele zu 1961. Wieder Monza, wieder ein Amerikaner Weltmeister, wieder der Teamkollege tot.
1984: Ein halber Punkt. Diese Winzigkeit kostet Alain Prost den WM-Titel. Zum dritten Mal nach 1982 und 1983 schrammt der Franzose knapp an seinem Traum vorbei. McLaren-Kollege Niki Lauda dagegen schreibt Geschichte. Der dritte WM-Titel ist sein wertvollster. Er krönt sein Comeback, das er drei Jahre zuvor gestartet hat.
Der McLaren-Porsche ist das beste Paket im Feld. Lauda und Prost gewinnen zwölf der 16 Rennen. Der Unterschied ist, dass Lauda aus seinen Niederlagen mehr Punkte holt. Prost ist schneller, Lauda schlauer. Der Österreicher weiß, dass er auf eine Runde mit Prost nicht mehr mithalten kann. Aber er kann ein Rennen besser lesen. Seine Chancen nutzt er konsequent. Prost lässt die eine oder andere liegen. Er profitiert trotzdem davon. In Zukunft wird er so fahren wie Lauda.

1984 sahen die Fans die knappste WM-Entscheidung aller Zeiten. Lauda setzte sich mit einem halben Punkt Vorsprung gegen McLaren-Teamkollege Prost durch.
1987: Schon 1986 hätte Williams-Honda Weltmeister werden müssen. Doch Nelson Piquet und Nigel Mansell nehmen sich gegenseitig Punkte weg. Zwischen den beiden kriselt es. Alain Prost profitiert. Ein Jahr später sind die Williams-Piloten nicht mehr zu halten. Mansell ist der schnellere, Piquet der zuverlässigere. Der Brasilianer fährt die Saison mit einer Hypothek. Ein schwerer Trainingsunfall in der Tamburello-Kurve von Imola hat ihn angezählt. Er hat Probleme, Entfernungen abzuschätzen. Es fällt ihm schwer, sich zu konzentrieren.
Erst im letzten Saisondrittel findet er langsam wieder zur alten Form zurück. Mansell geht mit sechs, Piquet mit drei Siegen in die letzten beiden Rennen. Doch es kommt nicht mehr zum großen Showdown. Jetzt hat Mansell einen schweren Unfall. Der Trainingscrash in Suzuka zwingt ihn, die Saison vorzeitig abzubrechen. Da hat Piquet schon zwölf Punkte Vorsprung.
1988: Noch hält der Friede zwischen Alain Prost und Ayrton Senna. McLaren-Honda fährt die Konkurrenz mit 15 Siegen in 16 Rennen an die Wand. Prost sammelt 105 Punkte, Senna 94. Trotzdem holt sich Senna wegen der Streichresultate mit 90:87 Zählern den Titel. Er macht schon alles beim vorletzten Rennen in Suzuka klar.

Das WM-Duell 1996 heißt Hill gegen Vielleneuve. Schumacher spielt nur eine Außenseiterrolle.
1989: Seit dem zweiten Rennen in Imola herrscht Krieg zwischen den McLaren-Stars. Prost wirft Senna vor, eine Abmachung für die Startrunde gebrochen zu haben. Wieder fällt die Entscheidung in Suzuka. Diesmal im Rad- an Radduell, Mann gegen Mann. Prost lockt Senna in eine Falle. Trotz Kollision kann Senna weiterfahren, wird aber disqualifiziert, weil er die Schikane auslässt, nachdem ihn die Streckenposten angeschoben haben. Das vergrößert die internen Spannungen bei McLaren noch. Prost wird mit der Lauda-Taktik Weltmeister und verabschiedet sich Richtung Ferrari.
1996: Endlich Weltmeister. Damon Hill fällt ein Stein vom Herzen, als er den Zielstrich mit 1,8 Sekunden Vorsprung auf Michael Schumacher kreuzt. "Ich wusste, dass es vielleicht meine letzte Chance sein würde, Weltmeister zu werden. Die drei Wochen Pause vor dem Finale waren furchtbar. Ich hatte nichts dem Zufall überlassen und kam fast übertrainiert in Suzuka an. Erst als ich im Auto saß, legte sich die Nervosität."
Eigentlich ist die Aufgabe ganz einfach. Damon Hill braucht nur einen Punkt. Sein Williams-Renault ist das überlegene Auto im Feld. Teamkollege Jacques Villeneuve müsste schon gewinnen und er selbst leer ausgehen. Williams lässt sich die Chancengleichheit etwas kosten. Das Team fliegt vier Monocoques nach Japan. Extrakosten: 50.000 Dollar. Villeneuve wahrt seine Minimalchance mit der Pole-Position. Doch dann verliert er fünf Runden nach seinem zweiten Boxenstopp das rechte Hinterrad.

Wenn zwei sich streiten: Der interne Machtkampf zwischen Hamilton und Alonso öffnete 2007 eine Tür für Ferrari.
2007: Eigentlich muss McLaren den Weltmeister stellen. Obwohl der Ferrari F2007 nicht schlechter ist als der McLaren MP4-22-Mercedes. Lewis Hamilton geht mit 17 Punkten Vorsprung auf Kimi Räikkönen in die letzten beiden Rennen. Der Titel ist bei zehn Punkten für den Sieg eigentlich nur noch Formsache. Doch da gibt es noch McLaren-Teamkollege Fernando Alonso, der mit acht Zählern Rückstand auf Hamilton deutlich bessere Chancen hat als Räikkönen. Doch der darf auf keinen Fall Weltmeister werden.
Teamchef Ron Dennis verzeiht dem Spanier nicht, dass er das Team im Spionage-Skandal verpfiffen hat. Weil die McLaren-Strategen beim vorletzten Lauf in Shanghai Hamiltons Rennen nur nach Alonso ausrichten, kommt der Engländer zu spät an die Box und landet mit total abgefahrenen Reifen im Kiesbett. Null Punkte. Räikkönen gewinnt, Alonso wird Zweiter. Im Finale fällt Hamilton mit einem Getriebeproblem weit zurück und kann sich nur noch auf Platz 7 vorarbeiten. Macht zwei Punkte. Und Räikkönen gewinnt wieder, weil Ferrari-Teamkollege Felipe Massa seinen ersten Platz hergibt. Noch nie hat ein Team einen Titel so leichtfertig verspielt wie McLaren.
2009: BrawnGP trickst alle anderen mit dem Doppeldiffusor aus. Bis die Konkurrenz nachziehen kann, ist die halbe Saison schon rum. Da fährt Jenson Button bereits im Verteidigungs-Modus. Gegen Sebastian Vettel, dessen Red Bull in der zweiten Saisonhälfte das beste Auto ist. Und gegen BrawnGP-Kollege Rubens Barrichello, der endlich seinen Frieden mit den Bremsen seines Autos gefunden hat.
Prompt gewinnt Rubinho zwei Grand Prix und ist mittendrin im Titelrennen. Doch dann zerplatzen die Träume der Button-Jäger beim GP Brasilien. Barrichello steht auf der Pole-Position, Button und Vettel auf den Startplätzen 14 und 15. Doch während Barrichello nach anfänglicher Führung durch einen Reifenschaden weit zurückfällt, schafft Button mit Platz 5 sein Mindestziel.

Obwohl Vettel nur mit Außenseiterchancen in das Finale von Abu Dhabi geht, feiert der Deutsche 2010 seinen ersten WM-Titel.
2010: Vier Fahrer können beim Finale in Abu Dhabi noch Weltmeister werden. Darunter beide Red-Bull-Piloten. Fernando Alonsos 246 Punkte reichen aus, mit einem zweiten Platz in Abu Dhabi auf jeden Fall Weltmeister zu werden. Der Ferrari-Fahrer geht mit acht Punkten Vorsprung auf Mark Webber in das Finale. Sebastian Vettel im zweiten Red Bull liegt 15 Zähler zurück, Lewis Hamilton im McLaren bereits 24.
Vettel wird mit dem Maximalprogramm Weltmeister. Pole-Position, Sieg. Trotzdem ist er auf die Fehler seiner Gegner angewiesen. "Ich bin hier in der Hand von Webber und Alonso." Webber fehlt im Finale schlicht der Speed. Alonso bezahlt für einen taktischen Fehler seines Kommandostandes. Der reagiert auf Webbers Boxenstopp, obwohl Alonso am Funk warnt: "Wir fahren gegen den falschen. Unser Gegner ist Vettel."
Durch den verfrühten Boxenstopp fällt Alonso hinter Nico Rosberg und Vitaly Petrov, die schon in der ersten Runde Reifen gewechselt haben. An Petrov beißt sich der Spanier die Zähne aus. Er wird am Ende nur Siebter. Der Titel geht an den schnelleren der beiden Red-Bull-Fahrer.

Hamilton versuchte 2016 alles, um Nico Rosberg beim Finale einzubremsen. Doch am Ende setzte sich der Deutsche knapp durch.
2016: Von 2014 bis 2016 hat Mercedes keine Gegner. Nur Lewis Hamilton oder Nico Rosberg kommen als Weltmeister in Frage. Zum einzig echten Duell kommt es aber nur 2016. Das Titelrennen der Mercedes-Piloten kippt drei Mal. Nach dem GP Spanien hat Rosberg 43 Punkte mehr auf dem Konto als Hamilton. Dann gewinnt der Engländer sechs der nächsten sieben Grand Prix und geht mit 19 Zählern Vorsprung in die Sommerpause.
In der zweiten Saisonhälfte schlägt das Pendel wieder zum Herausforderer aus. In Malaysia reißt ein Motorschaden Hamilton in Führung liegend aus dem Rennen. Sieben Tage später in Suzuka verliert er zehn Punkte auf Rosberg, weil er beim Start weit ins Feld zurückfällt. Rosberg geht mit 33 Punkten Vorsprung in die letzten vier Rennen. Jetzt hat er es allein in der Hand. Drei Mal Zweiter und ein Mal Dritter reicht.
Rosberg sucht zwar den Todesstoß durch einen Sieg, doch unterschwellig fährt die Angst vor der eigenen Courage mit. "Der Druck, es doch noch zu verlieren, wurde unmenschlich. Ich bin nicht mehr so gefahren wie vorher." Vier Pole-Positions, vier Siege, aber es reicht nicht für Hamilton. Sein Gegner im eigenen Stall wird vier Mal Zweiter. Die größte Prüfung wartet auf Rosberg im Finale. Hamilton fährt absichtlich langsam, in der Hoffnung, seinen Teamkollegen in Schwierigkeiten zu bringen. Doch der hält dem Druck stand und wird Zweiter. Fünf Tage später erklärt der neue Weltmeister seinen Rücktritt.












