Lewis Hamilton hat keine große Crash-Historie. Der erfolgreichste Formel-1-Fahrer aller Zeiten ist bei 371 Starts nur 16 Mal durch Unfall ausgeschieden. Der letzte Abflug ist noch gar nicht so lange her. In der Saison 2024 versenkte er seinen Mercedes beim GP USA in Austin im Kiesbett. Auch da überraschte ihn in der vorletzten Kurve das Heck seines Autos.
In Zandvoort war die Hugenholtz-Steilkurve Endstation – wie später auch für Charles Leclerc, der von Kimi Antonelli abgeschossen wurde. Hamilton hing seinem Ex-Teamkollegen George Russell im Heck, als sein Malheur passierte. "Ich habe beim Anbremsen von Kurve 3 plötzlich das Heck verloren. Auf der lackierten Außenseite der Kurve war es noch etwas feucht. Da war der Grip etwas schlechter."
Man sollte meinen, dass einem so erfahrenen Piloten wie Hamilton ein solcher Fehler nicht passiert. Die anderen 19 Fahrer im Feld haben es zur gleichen Zeit im Rennen auch unfallfrei durch diese Kurve geschafft. Doch bei Hamilton ist nichts mehr normal, seit die Formel 1 mit Groundeffect-Autos unterwegs ist. Und speziell, seitdem er für Ferrari fährt.
Von der Vertrauensfrage zum Reset
Vor der Sommerpause stellte Hamilton sich noch selbst die Vertrauensfrage, nachdem Charles Leclerc in Budapest seinen Ferrari auf die Pole-Position stellte, er selbst aber im Q2 hängenblieb. Teamchef Frédéric Vasseur richtete seinen Superstar nach dem Nutzlos-Zitat wieder auf, indem er ihm erklärte, dass der Unterschied zu Leclerc nicht so groß war, wie es 11 Plätze Unterschied in der Startaufstellung aussehen ließen.
Hamilton nutzte die Vierwochen-Pause im August zu einem persönlichen Reset. "Ich habe für mich eine Liste erstellt, was gut lief und was nicht und woran das Team und ich noch arbeiten müssen." Die Schlussfolgerung daraus: "Die Richtung stimmt. Es braucht jetzt noch Feintuning." Und sein Plan: "Ich habe mich so viel wie möglich angepasst, statt zu sagen, was man ändern muss. Jetzt nutze ich meine Erfahrung als Basis dafür, die Dinge im Detail noch zu verbessern."
Das mentale Selbst-Doping schien zu wirken. Obwohl Ferrari laut Vasseur mit dem "schlechtesten Freitag der Saison" in das Zandvoort-Wochenende gestartet war, ließ sich Hamilton seinen Frust über sein Auto, das in zwei Kurven sechs Zehntel auf die McLaren verlor, nicht anmerken.
Hamilton mit Selbst-Doping
Am Samstag hellte sich seine Miene dann auf. Ferrari fand eine Sekunde, und er setzte das verbesserte Setup auch um. Zum ersten Mal seit langer Zeit fuhr er mit Leclerc auf Augenhöhe. Hamilton gewann im internen Vergleich das Q1 und Q2 und ließ im Q3 nur 0,050 Sekunden auf den Teamkollegen liegen. Da störte ihn nicht mal, dass es nur für den siebten Startplatz reichte.
Der 40-jährige Engländer atmete auf: "Ich fühle mich wohl im Auto, und der Speed stimmt. Mein Ziel nach der Sommerpause war, auf dem Erreichten aufzubauen, und das war der erste Schritt in diese Richtung."
Da kam der Unfall zur falschen Zeit. Hamilton lag drei Sekunden hinter Leclerc, konnte dessen Tempo aber halten. Es gab keinen Grund zu übertriebener Eile, denn die Positionen hatten sich festgefahren. Russell vor seiner Nase war kein Problem, so lange Leclerc hinter Isack Hadjar festhing. Ferrari hatte zu viel Topspeed geopfert, um die Reifen in den schnellen Kurven zu schonen.

Trotz zweiter Dreher im Training und einem Crash im Rennen sehen Lewis Hamilton und Teamchef Frederic Vasseur Licht am Ende des Tunnels.
Vasseur stärkt Hamilton den Rücken
Vasseur versuchte nach dem Rennen, seinem angeschlagenen Rekordsieger den Rücken zu stärken. "Lewis ist bis zu seinem Unfall ein starkes Rennen gefahren. Er hatte den Speed von Charles und hat auf Russell aufgeholt. Er hat sich gut von den Enttäuschungen vor der Sommerpause erholt und strahlte wieder mehr positive Energie aus."
Tatsächlich steckte der siebenfache Weltmeister den Crash ausgerechnet eine Woche vor dem so wichtigen Heimspiel in Monza erstaunlich gut weg. Hamilton versuchte, negative Gedanken zu verscheuchen: "Das Wochenende hat uns viel Positives gebracht. Wir haben an diesem Wochenende Fortschritte gemacht. Schade, dass ich das nicht in Ergebnissen umsetzen konnte." Vasseur jubelte sogar: "Lewis hat sein Vertrauen ins Auto und in sich selbst wiedergefunden."
Vier Stunden nach Rennende hielt das Protokoll einen neuen Tiefschlag für Ferraris Sorgenkind bereit. Hamilton muss bei Ferraris Heimspiel in Monza fünf Startplätze zurück. Bei den Runden in die Startaufstellung hatte er in der letzten Kurve vor der Boxeneinfahrt sein Tempo nicht so verlangsamt, wie es den Fahrern im Briefing eingebläut wurde. Der Engländer bremste trotz gelber Warnflaggen nur 70 Meter früher als sonst und reduzierte sein Tempo nur um 20 km/h. Das reichte den Sportkommissaren nicht.












