Wenn in den letzten beiden Rennen kein Wunder geschieht, droht Ferrari die erste Saison ohne Grand-Prix-Sieg seit 2021. Dazu könnte die Scuderia in der Teamwertung auch noch auf Rang vier abstürzen – und das, nachdem der Konstrukteurspokal in der Vorsaison nur um 14 Punkte verpasst wurde. Teamchef Frederic Vasseur, der eigentlich Titel nach Maranello holen sollte, verfehlte das Saisonziel damit klar.
Beim vorletzten Grand-Prix-Wochenende in Katar wurde der Franzose in die offizielle FIA-Pressekonferenz eingeladen, um die Misere zu erklären. Dabei gab der 57-Jährige zu Protokoll, dass die Weichen schon früh gestellt wurden: "Wir haben nicht den besten Start in die Saison erwischt, mit der Doppel-Disqualifikation in China, die uns im Vergleich zu unseren Gegnern tonnenweise Punkte gekostet hat. Dazu waren die McLaren bei den ersten vier oder fünf Wochenenden total dominant", erinnert sich der 57-Jährige.
Mit großen Ambitionen gestartet, machte sich im Ferrari-Lager schnell Ernüchterung breit. Das führte zu einer kurzfristigen Änderung des Entwicklungsfahrplans: "Wir haben irgendwann auf den WM-Stand geschaut und festgestellt, dass es sehr schwer werden würde, McLaren noch einzuholen. Der Rückstand in Sachen Punkte und Pace war so groß, dass wir die Entscheidung getroffen haben, unsere Ressourcen im Windkanal ganz auf 2026 zu fokussieren."
Nicht einfach zu verarbeiten
Ferrari hisste also die weiße Flagge und überließ McLaren kampflos das Feld. Die Ingenieure konzentrierten sich stattdessen ganz auf die Entwicklung des Rennwagens für das nächste Reglement. "Das war eine schwierige Entscheidung. Und vielleicht habe ich dabei auch etwas die Auswirkungen auf die psychologische Seite unterschätzt", gab Vasseur zu.
Bei den Tifosi machte sich Resignation breit. Und auch in den Aussagen der Fahrer war anschließend immer wieder Frust zu hören. "Wenn noch 18 oder 20 Rennen zu fahren sind und man weiß, dass es keine weiteren Aero-Entwicklungen mehr gibt, dann ist das nicht einfach zu verarbeiten. Die Konsequenz dieser Entscheidung war ja, dass wir nur noch um den zweiten Platz kämpfen konnten", berichtet Vasseur.
Der Teamchef musste nun seine Qualitäten als Anführer beweisen und die Moral hochhalten, damit alle weiter an einem Strang ziehen und als Einheit agieren. "Die Entscheidung wurde von allen im Team mitgetragen", verriet der Franzose. "Die Fahrer waren ebenfalls Teil dieser Entscheidung und sie haben sich diesem Projekt fest verschrieben. In dieser Situation mussten wir als Team zusammenhalten. Das haben wir auch gemacht."

Frederic Vasseur musste seine Stars bei Laune halten, obwohl keine Besserung in Sicht war.
Ferrari-Boss lobt Teamgeist
Performance-Upgrades gab es anschließend nur noch im mechanischen Bereich, darunter zum Beispiel die neue Hinterachse beim Belgien-Grand-Prix. Auch operativ habe es Verbesserungen gegeben, betont Vasseur. Große Highlights konnte Ferrari in den verbleibenden Rennen aber nicht mehr setzen. In der Rückschau blieben eher die Enttäuschungen im Gedächtnis.
Vasseur konnte der Pleitensaison aber auch einige positive Aspekte abgewinnen. "Wir haben uns früh darauf geeinigt, alle Energie auf die Zukunft zu verwenden. Das hat uns als Team geholfen, auch nach schwierigen Wochenenden in die Fabrik zurückzukommen und weiter Vollgas zu geben", lobte der Capo seine Mannschaft. "Und auch auf der Strecke haben wir einige gute Reaktionen gezeigt, zum Beispiel mit den Podiumsplätzen in Mexiko und Austin."
Ferrari-Präsident John Elkann hatte seinen Frust über die Sieglos-Saison mehrfach klar geäußert. Wenn es am Ende nur der vierte Platz in der Teamwertung wird, dürfte der Druck auf die Verantwortlichen des Formel-1-Teams noch einmal ansteigen. Vasseur und seine Truppe sind 2026 zum Erfolg verdammt. Sonst wird es richtig ungemütlich in Maranello.












