Größere Crashs zwischen zwei Autos sind in der modernen Formel 1 eher selten geworden. Die Überholregeln sind relativ klar. In Zeiten des Budget-Deckels will zudem kein Fahrer eine teure Reparatur riskieren. Im Zweifel wird da eher mal zurückgezogen, wenn es in den Grenzbereich geht. Das war früher noch ganz anders.
Im Fall von Nico Hülkenberg und Pierre Gasly wollte beim Grand Prix von Katar aber keiner so richtig nachgeben. Beide Piloten haben beim Duell in der siebten Runde am absoluten Limit gefightet, bis sich das rechte Hinterrad des Saubers mit dem linken Vorderrad des Alpines verhakte. Für Hülkenberg war danach sofort Schluss. Gasly schleppte sich noch an die Box, hatte mit der Punktevergabe aber nichts zu tun.
Die Attacke in Kurve 1 hatte sich schon ein paar Runden zuvor angedeutet. Gaslys Auto war nach einem kleinen Ausritt in Kurve 14 beschädigt. Hülkenberg hatte zudem die weicheren Reifen drauf, was einen Gripvorteil bedeutete. Kurz zuvor war er schon relativ mühelos am Ferrari von Charles Leclerc vorbeigegangen. Da sollte der angeschlagene Alpine ja eigentlich kein großes Problem darstellen.
Risiko-Attacke auf der Außenbahn
Doch Gasly wehrte den ersten Anlauf von Hülkenberg auf der Innenseite mit einem harten Defensivmanöver ab. Die zweite Attacke startete der Deutsche deshalb auf der Außenbahn: "Die Außenseite ist immer mit etwas mehr Risiko verbunden. Aber ich habe Pierre genug Platz gelassen. Es ist echt schade, dass ein vielversprechendes Rennen so früh zu Ende war, nachdem ich von Pierre getroffen wurde. Punkte waren heute sicher drin."
Gasly sah die Szene etwas anders. Seiner Meinung war es Hülkenberg, der für den Kontakt verantwortlich war: "In Kurve 1 habe ich meine Linie gehalten, wir sind Seite an Seite gefahren, und dann hat er die Kollision mit meinem linken Vorderrad ausgelöst. Danach war nicht mehr viel drin mit dem beschädigten Auto", ärgerte sich der Franzose.
Sauber-Teamchef Jonathan Wheatley schlug sich bei seiner Bewertung der Szene wenig überraschend auf die Seite seines Schützlings: "Der Unfall war mehr als frustrierend. Meiner Meinung war da genug Platz für zwei Autos. Es hat danach ausgesehen, als wäre Pierre mit Untersteuern in Nico reingerutscht. Die Stewards haben aber entschieden, dass hier keine Strafe angebracht ist. Es war also ein normaler Rennunfall."

Es wäre interessant geworden, wie gut die Alternativ-Strategie von Hülkenberg aufgegangen wäre.
Kein Fahrer trägt Hauptschuld
In ihrem schriftlichen Urteil erklärten die FIA-Schiedsrichter, wie sie zu dieser Entscheidung gekommen sind: "Das Auto mit der Nummer 27 hat auf der Außenseite überholt und hatte ein Anrecht auf die Kurve. Das Auto mit der Nummer 10 hat sich jedoch bemüht, Platz zu lassen und die Lenkung nicht zu öffnen. Das Auto mit der Nummer 27 hatte am Ausgang der Kurve links noch Luft zum Streckenrand. Nach unserer Meinung trug keiner von beiden Fahrern eine Hauptschuld."
Der Crash und die anschließende Safety-Car-Phase sorgten dann für hektische Momente an den Kommandoständen und für Chaos in der Boxengasse. Wheatley verrät, dass ohne die Neutralisation wohl nur ein einziger Pilot zum Service abgebogen wäre: "Unser Plan mit Nico sah vor, auf den Soft-Reifen zu starten und dann sehr früh an die Box zu gehen. Er sollte genau in der Runde reinkommen, in der er den Unfall mit Pierre hatte. Für die letzten beiden Stints sollte er dann Medium-Reifen fahren."

Gasly blieb durch den Crash ebenfalls ohne Punkte.
Sauber braucht dringend Punkte
Der Pace in den ersten Runden nach zu urteilen, hätte die riskante Strategie von Sauber aufgehen können. Durch den Undercut gegen das ganze Feld hätte Hülkenberg wohl zumindest für ein paar Runden freie Fahrt gehabt. Er hätte seine gute Pace nutzen und dabei noch die Reifen schonen können. WM-Punkte waren auf jeden Fall drin, die Sauber (68) im Dreikampf mit Aston Martin (80) und Haas (73) sehr gelegen gekommen wären.
Auch bei Teamkollege Gabriel Bortoleto hatte sich Sauber eine besondere Strategie überlegt. Der Brasilianer war der einzige Fahrer, der beim zweiten Stopp Soft-Reifen aufgeschnallt bekam. Die meisten Gegner setzten auf die harte Mischung: "Nach unseren Zahlen dachten wir, dass der Soft der bessere Reifen ist", verriet Wheatley. "Es schien dann aber so, als konnten die anderen aus den harten Reifen mehr rausholen. Das müssen wir uns nochmal anschauen. Wir werden unsere Lehren daraus ziehen."












