Erfolg beim ersten GT3-Start: Was ist Verstappens Nürburgring-Sieg wert?

Erfolg direkt beim ersten GT3-Start
Was ist Verstappens Nürburgring-Sieg wert?

ArtikeldatumVeröffentlicht am 30.09.2025
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Die Nordschleife ist eine ganz besondere Rennstrecke. Das weiß jeder Motorsportfan. Wer hier erfolgreich sein will, braucht viel Erfahrung und umfangreiche Kenntnisse über die vielen unterschiedlichen Abschnitte – am besten noch bei verschiedenen Bedingungen. So dachte man es zumindest. Doch dann stieg Max Verstappen in seinen Ferrari 296 GT3 und machte kurzen Prozess. Er kam, sah und siegte.

Ist die anspruchsvollste Rennstrecke der Welt vielleicht doch nicht so anspruchsvoll? Oder sind Formel-1-Fahrer den Ringspezialisten doch so überlegen, dass sie mal eben im Vorbeigehen die Siegerpokale einsammeln können? Ganz so einfach ist die Antwort nicht, wenn man sich mal den Fall Verstappen mal etwas intensiver anschaut.

Erst einmal ist Max Verstappen kein echter Nordschleifen-Neuling. Nach eigenen Angaben hat er hier schon tausende Runden abgespult, wenn auch nicht in der Realität, sondern auf dem eigenen Simulator. Für die Rennen in der virtuellen Welt wurde der Kurs mit Lasertechnik bis auf den letzten Millimeter vermessen und digitalisiert. Der vierfache Weltmeister wusste also schon vor seiner ersten echten Runde, was ihn erwartet.

Kein normaler Formel-1-Pilot

Die Eindrücke aus dem heimischen Simulator mussten nur noch mit der Realität abgeglichen werden. Wie schnell sich Verstappen an neue Bedingungen anpassen kann, zeigt er immer wieder in der Formel 1. Im ersten Training, wenn sich die Konkurrenz noch langsam an die Limits herantastet, ist der Niederländer oft schon zwei Schritte weiter. Besonders deutlich wird die Anpassungsfähigkeit, wenn die Königsklasse neue Strecken erobert.

Seine Ingenieure loben auch immer wieder, wie gut der Pilot die Technik an seine Bedürfnisse anpassen kann. In der Formel 1 dauert es zwar gerne mal ein paar Übungseinheiten, bis die Wünsche des Fahrers in ein zufriedenstellendes Setup umgewandelt sind, wenn es dann aber mal flutscht, dann ist Verstappen nur schwer zu bremsen. Und selbst, wenn das Setup mal nicht passt, hat der Champion die seltene Gabe, seinen Fahrstil immer wieder neu zu erfinden.

Diese Anpassungsfähigkeit hilft dem Superstar aus der Formel 1 natürlich auch dabei, sich an das ungewohnte Auto, die relativ neue Strecke und die besonderen Bedingungen einzustellen. Vor seinem Renndebüt hatte Verstappen bereits einen Testtag Anfang Mai auf der Nordschleife abgespult. Und am Freitag vor dem neunten NLS-Lauf drehte der 28-Jährige noch weitere Übungsrunden, um sich auf die Herausforderung einzuschießen.

Wer also denkt, dass Verstappen mal so nebenbei einen Gaststart auf der Nordschleife absolviert hat, der könnte falscher nicht liegen. Wer den ehrgeizigen Rennfahrer kennt, der weiß, wie viel Aufwand in die Vorbereitung des NLS-Projekts geflossen ist. Auch die Konkurrenz war von der Professionalität des Unterfangens beeindruckt. Zusammen mit dem Einsatzteam von Emil Frey Racing wurde das GT3-Abenteuer generalstabsmäßig geplant.

Konkurrenz überschaubar

Dass Verstappen zusammen mit seinem Teamkollegen Chris Lulham am Ende auf die oberste Stufe des Podiums klettern durfte, hatte sicher auch etwas mit der überschaubaren Konkurrenzsituation zu tun. Zu diesem späten Zeitpunkt der Saison standen nicht mehr viele siegfähige Pro-Autos in der SP9-Königsklasse am Start.

Der Aston Martin Vantage von Walkenhorst Motorsport, bei dem der ausgewiesene Nordschleifen-Könner Christian Krognes im ersten Stint am Steuer saß, wurde schon am Start in eine Kollision verwickelt. Die Piloten mussten das ganze Rennen mit beschädigtem Diffusor bestreiten. So blieben eigentlich nur noch die beiden Ford Mustang GT3 des Haupt Racing Teams (HRT) übrig, die Verstappen hätten gefährlich werden können.

Doch nach dem halbfeuchten Qualifying starteten die Pony-Cars nur von den Plätzen 9 und 13. In der ersten Saison mit dem noch relativ neuen Mustang GT3 ist die Mannschaft aus der Eifel auch noch nicht ganz auf dem selbst gesteckten Spitzenniveau angekommen. Man darf in der kommenden Saison sicher davon ausgehen, dass HRT noch eine Schippe nachlegen kann.

Max Verstappen - Ferrari 296 GT3 - Nürburgring Nordschleife - NLS 9 - 27. September 2025
Baldauf

Ferrari mit guter Einstufung

Verstappen muss sich also spätestens beim 24h-Rennen im Mai 2026 auf mehr Gegenwehr einstellen, wenn eine ganze Reihe hochkarätig besetzter GT3-Renner – teilweise mit Werksunterstützung – um den Gesamtsieg kämpfen wird. Die Frage lautet dann auch, ob sein Ferrari bei der Balance of Performance noch einmal eingebremst wird. Momentan ist die Einstufung sehr freundlich.

"Der Ferrari ist aktuell das Benchmark-Auto", erklärte Nürburgring-Urgestein Frank Stippler. "Dass der Ferrari schnell ist, hat Klaus Abbelen schon vor zwei Jahren gezeigt. Seitdem war kaum jemand damit hier oben. Das Auto hat einen tollen Mix aus Fahrbarkeit und Leistung. Wenn dann noch der beste Rundstreckenfahrer der Welt drin sitzt, dann ist der Sieg die logische Schlussfolgerung. Das Ergebnis war erwartungsgemäß für mich."

Neben dem Auto haben sicher auch die Reifen eine Rolle gespielt. Der Michelin, der beim 296 GT3 montiert war, gilt aktuell als die Messlatte. Vor allem über die Distanz spielt der französische Gummi seinen Vorteil aus.

Verstappen sieht noch Erfahrungsdefizit

Wir wollen hier aber nicht den Eindruck entstehen lassen, dass der Sieg Verstappen auf dem Silbertablett serviert wurde. Die Umstände passten zwar gut, aber wie es der prominente Gaststarter dann umgesetzt hat, beeindruckte auch langjährige Nordschleifenprofis. Schon am Start machte der Ferrari-Pilot kurzen Prozess. In der ersten Kurve schob sich Verstappen in Führung, die anschließend nie mehr in Gefahr geriet.

Den Speed, den der vierfache F1-Champion in seinen beiden Stints hinlegte, konnte niemand mitgehen. Auch der Verkehr mit den vielen Teilnehmern aus kleineren Klassen, schien Verstappen keine Mühe zu bereiten. Hier hatte es vor dem Rennen noch einige Fragezeichen gegeben. Bei der Übergabe an Chris Lulham rollte das Auto mit der Startnummer 31 mehr als eine Minute vor seinen Verfolgern an die Box.

Der Brite musste den Sieg also nur noch über die Zeit bringen. Dabei vermied der Nummer-zwei-Pilot jedes Risiko. So richtig konnte Lulham seinen Speed nicht zeigen. Er verlor aufgrund einer Code-60-Phase, die er unglücklich erwischte, mehr als 20 Sekunden seines Vorsprungs auf Vincent Kolb im HRT-Ford. Das HRT-Schwesterauto von Jann Mardenborough mit der Startnummer 9 absolvierte den finalen Boxenstopp eine Runde vor dem Führungsduo und kam so in einen besseren Code-60-Rhythmus.

Im Ziel betrug der Vorsprung von Lulham dadurch nur noch knapp 25 Sekunden. Für Schweißausbrüche am Emil-Frey-Kommandostand sorgte das aber nicht mehr. Im Jubel des Sieges ging die Aussage von Verstappen fast unter, dass er selbst noch Steigerungspotenzial sieht: "Wir wollen irgendwann das 24h-Rennen fahren. Ob das schon nächstes Jahr klappt, wird man sehen. Dafür brauchen wir selbst aber noch mehr Erfahrung. Wir wollen also noch bei ein paar NLS-Läufen antreten."

Fazit