Wo blieb die Baku-Aufholjagd? Deshalb verpasste Norris die WM-Wende

Wo blieb die erwartete Baku-Aufholjagd?
Deshalb verpasste Norris die WM-Wende

GP Aserbaidschan 2009
ArtikeldatumVeröffentlicht am 23.09.2025
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Vielleicht muss Red Bull Yuki Tsunoda und Liam Lawson noch einmal dankbar sein. Zwei Fahrer, von denen einer auf der Abschussliste steht. Doch die beiden Sorgenkinder waren in Baku Max Verstappens beste Verbündete. Sie nahmen Lando Norris vier wichtige Punkte ab.

Der WM-Zweite startete nach einer zwischenfallreichen Qualifikation nur vom siebten Platz. Trotzdem traute ihm die meisten im Fahrerlager noch einen Podest-Rang zu. Alle wussten: Die Stärke des McLaren liegt in der Distanz. Da musste Norris eigentlich nur Max Verstappen fürchten, dessen Red Bull auf diesem Typ Rennstrecke einfach effizienter ist. Der RB21 ist bei höherem Topspeed in den Kurven so schnell wie die McLaren.

Einen Sieg hatte McLaren nicht auf der Rechnung. Man wusste, dass selbst im Idealfall Verstappen einen uneinholbaren Vorsprung ausgebaut haben würde, bis es Norris bis auf den zweiten Platz geschafft hätte. George Russell brauchte 27 Runden dazu. Da lag er aber schon 12,6 Sekunden zurück. Zu dem Zeitpunkt war Norris Fünfter auf der Strecke, den anstehenden Boxenstopp mit eingerechnet aber nur Achter.

Reifenabnutzung gleich null

Doch warum schaffte Norris nicht, was Russell konnte? Mit einem vermeintlich schnelleren Auto. Am Topspeed lag es nicht. Norris war auf der Zielgeraden um 3,7 km/h schneller. Doch Überholen war allgemein schwierig. Der DRS-Effekt ist mit den Mini-Flügeln zu gering, um auf einer Wegstrecke von 980 Metern den Unterschied auszumachen.

Insgesamt tauschten die Fahrer nur 24 Mal die Plätze, sieben Mal davon nach dem Safety-Car-Restart in der 5. Runde. McLaren hoffte vergeblich, dass Norris die Stärke des Autos ausspielen könnte. Die Reifenabnutzung war gleich null. "Wir hätten sogar mit dem Medium-Reifen die ganze Renndistanz fahren können", erklärten die Mercedes-Ingenieure.

Damit konnte Norris vor der langen Geraden nie nah genug auf seine Vorderleute aufschließen. 14 Runden lang versperrte ihm Charles Leclerc die Sicht, 14 Runden lang Yuki Tsunoda. An Leclerc kam Norris nur vorbei, als der Ferrari-Motor phasenweise stotterte. Auch Russell überholte nur ein Auto auf der Strecke. Doch dieses Manöver war entscheidend. Der spätere Zweite kam in der 10. Runde an der Straßensperre Tsunoda vorbei.

Noch etwas sprach für Russell und gegen Norris. Mercedes legte mit 1,95 Sekunden (Angabe des Teams) den schnellsten Boxenstopp des Tages hin. Das machte den Overcut gegen Carlos Sainz perfekt. Norris stand 4,1 Sekunden. Das verhinderte einen Platztausch mit Tsunoda, der um eine Sekunde schneller abgefertigt wurde.

Mercedes spielt zwei Karten

Der Schlüssel für Russells Aufholjagd aber lag in der Reifenwahl. Mercedes setzte auf entgegengesetzte Strategien. Russell startete auf den harten Reifen, Andrea Kimi Antonelli auf den Medium-Gummis. "Da es kaum Daten über die beiden härteren Mischungen in Longruns gab, haben wir beide Karten gespielt", erklärte Chefingenieur Andrew Shovlin. Norris war mit der Antonelli-Taktik unterwegs. Und die hatte den Nachteil, dass der Undercut nahezu wirkungslos war.

Wer von Medium auf Hard wechseln musste, brauchte zwei Runden Geduld, bis Temperatur im Reifen war. Umgekehrt hatte man mit dem früheren Boxenstopp eine minimale Chance. Die bessere Waffe war der Overcut. Der harte Reifen lieferte in der zweiten Hälfte seines Lebens mehr Grip. Beim Wechsel auf Medium konnte man den Vorteil des frischen Reifens nutzen. Das kam denen zugute, die auf Hart gestartet waren und den Zeitpunkt des Boxenstopps lange hinausschieben konnten. Russell und Verstappen waren in den Runden 39 und 40 die Letzten.

Carlos Sainz, Liam Lawson, Yuki Tsunoda und Lando Norris saßen mit ihren Medium-Reifen am Start alle im gleichen Boot. Toro Rosso zog mit Lawson als Erster in der 20. Runde die Reißleine. Lange vor der Konkurrenz. Williams wartete mit Sainz sieben Runden länger, McLaren mit Norris 17 und Red Bull mit Tsunoda 18. An der Reihenfolge änderte sich nichts.

Lando Norris - McLaren - Formel 1 - Baku - GP Aserbaidschan 2025
xpb

Für Norris wäre hart-medium besser

Russell gewann durch das lange Warten Positionen gegen Lawson und Sainz. "Wir haben uns so lange wie möglich die Option eines Safety-Cars offengehalten und gleichzeitig geschaut, dass uns Sainz nicht ins Boxenstopp-Fenster fährt", erklärten die Mercedes-Ingenieure den Zeitpunkt von Russells Boxenstopp.

Wie wenig der Undercut funktionierte, sah Mercedes an Antonelli. Der Italiener wurde schon in der 18. Runde an die Box geholt, weil er sich hinter Lawson festgebissen hatte. Und weil Mercedes den schnelleren Russell elegant an Antonelli vorbeilotsen wollte. "So haben wir uns eine Stallregie erspart." Sainz blieb neun Runden länger auf der Strecke und behielt trotzdem seinen dritten Platz vor Antonelli. Lawson musste Antonelli auf der Strecke überholen. Der Neuseeländer kam trotz des späteren Stopps vor dem Mercedes auf die Strecke, konnte sich dann aber am Ende der Runde in Kurve 1 wegen noch zu kalter Reifen nicht wehren.

Die Mercedes-Ingenieure glauben, Norris hätte vom siebten Startplatz besser wie Russell mit den harten Reifen starten sollen. McLaren-Teamchef Andrea Stella erklärte, warum man der weicheren Variante den Vorzug gab. "Die Asphalttemperaturen waren sehr niedrig. Wir hatten Sorge, dass der harte Reifen zu lange zum Aufwärmen braucht und wir in der Startrunde zu viele Plätze verlieren."