Verstappen als einsamer Kämpfer: Die Geschichten des Formel-1-Jahres 2025

Die Geschichten des Formel-1-Jahres 2025
Verstappen als einsamer Kämpfer

ArtikeldatumVeröffentlicht am 26.12.2025
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Es war das letzte Kapitel einer Ära. Die Groundeffect-Autos haben nur vier Jahre nach ihrem Comeback ausgedient. Beim ersten Mal, von 1978 bis 1982, lebten die schnellsten Autos ihrer Epoche ein Jahr länger. Als sie vor 47 Jahren erfunden wurden, sprengten sie jeden Rahmen. Die Rundenzeiten fielen ins Bodenlose. Das war beim Groundeffect 2.0 nur bedingt der Fall. Die 2025er-Autos brachen in 23 Rennen elf Rekorde. Sie waren aber mit zuletzt 800 Kilogramm auch um 50 Kilogramm schwerer als ihre Vorgänger.

1983 lösten Autos mit einem flachen Unterboden zwischen den Achsen die Monster der Vergangenheit ab. In der Saison 2026 wird die Formel 1 neu erfunden. Kein Stein bleibt auf dem anderen. Antrieb, Kraftstoff, Reifen und Aerodynamik gehorchen neuen Regeln. Die Verwaltung von 350 Kilowatt elektrischer Leistung wird das Geschehen auf der Rennstrecke in eine neue Dimension führen. Wird sie besser sein? Keiner vermag es zu sagen, nicht mal die sonst so schlauen Ingenieure. Auch nicht die Fahrer, die im Simulator langsam einen Eindruck davon bekommen, was ihnen nächstes Jahr blüht. Gemeinsamer Nenner: Es wird anders.

Schauen wir deshalb noch einmal auf eine Saison mit Motorsport zurück, wie wir ihn kennen. Er brachte die knappsten Abstände hervor, die wir in der Formel 1 je gesehen haben. In Monza trennten nur 0,865 Sekunden die 20 Autos. Zwei Zehntel Abstand konnten in der Start-aufstellung sechs bis acht Plätze sein. Durfte man da noch von Sieg und Niederlage sprechen?

McLaren MCL39 ist der Trumpf

McLaren stellte das beste Auto im Feld. Die Papaya-Renner waren eine Allzweckwaffe. Die Gegner mussten schon eine Sternstunde haben, damit sie zum Zug kamen. Red Bull in Suzuka, Imola, Monza, Baku und Austin. Mercedes in Montreal und Singapur. In Las Vegas und Katar lud Mc-Laren seine Verfolger mit Fehlern zum Gewinnen ein.

Das Geheimnis des Autos war eine gute Fahrbarkeit. McLaren gab rekordverdächtige Abtriebswerte auf und stellte lieber ein Auto auf die Räder, in das die Fahrer Vertrauen hatten. Es dauerte eine Weile, bis die Konkurrenz dieser Philosophie folgte. McLarens Vorsprung schrumpfte über das Jahr von einer halben Sekunde auf zwei Zehntel.

Unter normalen Umständen wäre das Titelrennen ein Durchmarsch für Lando Norris und Oscar Piastri geworden. Doch die beiden McLaren-Fahrer trafen auf den besten Rennfahrer unserer Zeit. Max Verstappen hielt den Titelkampf auch im manchmal nur dritt- oder viertbesten Auto im Feld bis zum Ende spannend. Viele meinten, er hätte allein deshalb seinen fünften Titel verdient. Andere wünschten sich ein neues Gesicht.

Zwei McLaren gegen Max

Red Bull setzte zunächst seine Konstruktions-Philosophie fort, die Abtrieb um jeden Preis suchte. So wurde der RB21 immer launischer, unberechenbarer und rätselhafter. Manchmal wurde es selbst dem Fahrgenie Verstappen zu viel. Dem zweiten Fahrer sowieso. Liam Lawson wurde schon nach zwei Rennen gegen Yuki Tsunoda ausgetauscht. Doch auch der Japaner sammelte nicht einmal zehn Prozent der Punkte seines Teamkapitäns.

Red Bull versuchte, mit 17 Upgrades und 41 Einzeländerungen gegenzusteuern, aber erst die Entwicklungsstufe in Monza machte den Unterschied. Zeitweise war der Red Bull danach so schnell wie die McLaren und in den Händen von Verstappen natürlich schneller. Erst als mit Mexico-City und Interlagos zwei maßgeschneiderte McLaren-Strecken aufeinanderfolgten, ging die Schere zwischen Norris und Verstappen wieder auf.

McLaren stellte sich die Hindernisse selbst auf. In einem Akt übertriebener Fairness schossen Zak Brown und Andrea Stella über das Ziel hinaus. Aus den ursprünglich einfachen Papaya-Regeln wurde ein schwer zu beherrschendes Konstrukt aus Zugeständnissen und Gegenleistungen. In Monza lief das Fass über. Piastri musste seinen zweiten Platz an Norris abtreten, nachdem der Engländer zuvor durch einen schlechten Boxenstopp hinter seinen Teamkollegen gefallen war. McLaren begründete seine Entscheidung damit, dass man die Boxenstopp-Reihenfolge zum Schaden von Norris geändert hatte.

Oscar Piastri - McLaren - Formel 1 - 2026
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Das Loch des Oscar Piastri

Piastri machte zwar nach außen gute Miene zum bösen Spiel, doch das Vertrauensverhältnis hatte an diesem Tag in Monza entscheidend gelitten. Dazu kam, dass dem Australier ein Platztausch verwehrt wurde, nachdem sich Norris in Singapur mit Kontakt an ihm vorbeigeboxt hatte. Und dass McLaren dem Mann aus Melbourne nachträglich eine Mitschuld an der Startkollision im Sprint von Austin gab, nur um so eine interne Strafe für Norris wegen der Singapur-Affäre aufheben zu können.

Der Piastri nach Monza war nicht mehr der Piastri, der bis zu seinem siebten Saisonsieg in Zandvoort mit 34 Punkten Vorsprung auf Norris und 104 auf Verstappen wie der sichere Weltmeister aussah. Gleichzeitig streifte Norris seinen zweiflerischen Ballast ab und fuhr eine fast fehlerlose zweite Saisonhälfte. Der Engländer hängte seinen Stallrivalen plötzlich um drei bis sieben Zehntel ab. Norris war in der kurzen Zeit aber kein besserer und Piastri kein schlechterer Rennfahrer geworden. Ausgerechnet der sonst so kühle Piastri zeigte Nerven. Er fing sich erst beim GP Katar wieder. Man mag fast wetten, dass Australiens bester Rennfahrer seit Alan Jones nicht so lange bei McLaren bleiben wird, wie es sein Vertrag bis 2028 eigentlich vorsieht.

Max Verstappen profitierte von McLarens Gleichberechtigungs-Politik. Bei seinem Team Red Bull gibt es eine Nummer 1 und eine Nummer 100 im zweiten Auto. Wenn es für das Wohl des Meisterfahrers wichtig war, musste Tsunoda alternative Abstimmungen fahren. Auf Wunsch des Verstappen-Clans trennte sich Red Bull auch von Teamchef Christian Horner. Sein Nachfolger kam aus dem eigenen Haus: Laurent Mekies stieg von ToroRosso zum A-Team auf. Dort wurde der Sportdirektor Alan Permane zum Teamchef befördert.

Ferrari - Teamfoto - GP Abu Dhabi 2025
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Die Dinos in Not

Mercedes und Ferrari spielten nur eine Nebenrolle. Die Dinos stritten sich um den zweiten Platz in der Marken-Wertung. Mercedes gewann, Ferrari stürzte ab. Vom Vize-Weltmeister mit fünf Saisonsiegen zu einem Problemfall, dem im Schnitt drei Zehntel auf die Spitze fehlten. Mercedes schwankte wie in den drei Jahren davor zwischen Gut und Böse. Es gab diese Rennen wie in Montreal oder Singapur, da fuhr George Russell allen davon. Dann wieder waren die Silberpfeile nur vierte Kraft. "Die Ausschläge waren dieses Jahr kleiner", stellte Russell fest.

Ferrari und Mercedes erklärten ihren Rückstand mit den Reifen. Toto Wolff bedauerte: "Es gab Tage, da glaubten wir alles zu verstehen. Und nur zwei Wochen später standen wir wieder vor einem großen Fragezeichen." Ferrari-Kollege Frédéric Vasseur sah es ähnlich: "Die vier Top-autos lagen innerhalb von drei Zehnteln. Den Rest machte der Reifen. Das konnten sieben Zehntel sein, je nachdem wie du ihn in sein Fenster gebracht hast."

Wie immer in Zeiten der Krise brannte in Maranello der Baum. Mitten in der Saison kündigten mehrere italienische Gazetten den Abschuss von Vasseur und seinem Technikchef Loic Serra an. Nach ein bisschen Grande Casino wurde Vasseur in seinem Amt für zwei weitere Jahre bestätigt. Im Herbst wehte der Geist von Christian Horner durch die heiligen Hallen von Maranello. Auch da war nichts dran. Ober-Indianer John Elkann stärkte Vasseur den Rücken, wenn auch ein bisschen spät. Dafür schoss er sich später auf die Fahrer ein. Die sollten weniger reden und kräftiger Gas geben, empfahl der große Capo.

Max Verstappen - GP Abu Dhabi 2025
Red Bull

Mercedes will Verstappen

Bei Mercedes drehte sich die Personalie um einen Fahrer. Sieben Monate lang spekulierte die Branche, ob Max Verstappen 2026 zu Mercedes wechselt. Wolff drückte sich genauso lange um eine eindeutige Aussage. Ein Rennen vor der Sommerpause machte Verstappen reinen Tisch: Er bleibt bei Red Bull. Es dauerte dann doch noch zwei Monate, bis Russell und Antonelli bestätigt wurden. Antonelli weiß, dass sein Lehrjahr mit Beginn seiner zweiten Saison beendet sein wird. Das 19-jährige Wunderkind zeigte Licht und Schatten. Sein Fazit: "Ich habe gelernt, wie ich meine Energie über ein Wochenende am besten einteile. Und wie ich mich mit meinem Fahrstil an das Auto am besten anpasse."

Die Traumehe von Lewis Hamilton und Ferrari wurde zum Alptraum. "Meine schlechteste Saison. Für mich war jede Strecke ein Neuanfang. Anfangs sprachen wir nicht die gleiche Sprache. Es dauerte, bis wir einen gemeinsamen Nenner fanden", entschuldigte sich der Rekordsieger. Charles Leclerc lief seinem neuen Kollegen den Rang ab. Mittlerweile fragen sich immer mehr, ob das noch der Hamilton ist, der 105 Grands Prix gewonnen hat. Der Neuanfang 2026 ist Hamiltons letzte Chance. Sonst löst ihn 2027 Oliver Bearman ab.

Franco Colapinto - Alpine - GP Abu Dhabi 2025
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Das Rennen im Rennen

Hinter den vier Topteams fand ein zweites Rennen statt. Williams, Aston Martin, Toro Rosso, Sauber und Haas stritten sich um die Plätze 5 bis 9. Nur Alpine war schnell raus. Der französische Rennstall hatte zu lange auf die segensreiche Wirkung von biegsamen Flügeln gesetzt. Der A525 war komplett darauf ausgelegt. Als die FIA die Belastungstests verschärfte, brach das Kartenhaus von Technikchef David Sanchez zusammen. "Wir hatten die Wahl, in vier Monaten ein neues Auto zu bauen oder voll auf 2026 zu setzen", erklärte Sanierer Flavio Briatore. Der 75-jährige Italiener entschied sich für 2026 und muss jetzt beten, dass diese Wette aufgeht. Sonst ist Alpine 2027 ein Übernahmekandidat.

Mit Christian Horner, Otmar Szafnauer und Guenther Steiner warten gleich drei ehemalige Teamchefs zusammen mit Investoren darauf, kranke Teams zu übernehmen. Es lohnt sich: Alpine wird auf 1,8 Milliarden Euro taxiert.

Bei Aston Martin halbiert sich gefühlt jedes Jahr der Punktestand. Der AMR25 war einfacher zu fahren als sein Vorgänger, aber ihm fehlte auch der Speed. Und die Gegner waren wehrhafter. Immerhin gestand Neuzugang Adrian Newey dem Team zu, dass die alten Simulationswerkzeuge nicht mehr dem neuesten Stand entsprachen. Und die neuen gingen erst im Februar ans Netz. Alle leben von der Hoffnung, dass Aston Martin mit Newey im Designbüro, mit Honda als Motorenpartner und mit Aramco als führendem E-Fuels- Hersteller 2026 die Welt aus den Angeln hebt – dann mit Newey als Teamchef. Er löst Andy Cowell in dieser Rolle ab. Wenn das schiefgeht, steht wohl auch dieser Rennstall zum Verkauf.

Schnappt sich Toyota Haas?

Haas könnte mal in den Fängen von Technikpartner Toyota landen. Der kleine US-Rennstall machte mit nur 350 Angestellten eine exzellente Figur, die Teams wie Aston Martin und Alpine blamiert. Haas fand Anfang des Jahres im Handumdrehen den Weg aus einem Bouncing-Problem, an dem viele andere wahrscheinlich länger geknabbert hätten. Jedes Upgrade funktionierte. Mit einem späten Entwicklungsschritt in Austin hielt Haas im letzten Saisonviertel einen Trumpf in der Hand. ToroRosso baute bewusst ein gutmütiges Auto, um seine Rookies nicht zu überfordern. Red Bulls B-Team fuhr gut damit. Isack Hadjar und Liam Lawson entwickelten sich zu konstanten Punktelieferanten.

Sauber musste nach seinem Zufallstreffer in Melbourne bis zum GP Spanien warten, bis WM-Zähler aus eigener Kraft möglich waren. Eine Serie von drei Upgrades transformierte ein schwer zu fahrendes Auto in ein Fahrzeug, dem die Fahrer vertrauen konnten. Nico Hülkenberg setzte mit seinem ersten Podestplatz in Silverstone das Highlight der Saison. Danach beteiligte sich auch Neuling Gabriel Bortoleto an der Punktejagd. Bis ihn eine Unfallserie bremste. Es war ein guter Jahrgang von Rookies. Hadjar, Bearman, Antonelli und Bortoleto zählen nach nur einer Saison bereits zum Stammpersonal.

Audi R26 - Formel-1-Concept - 2025 - Vorstellung
Alexandra Beier via Getty Images

Audi kommt mit Macht

Sauber hatte sein selbst gestecktes Saisonziel erreicht. "Wir müssen unsere Muskeln für die Zukunft trainieren", forderte Audi-Projektleiter Mattia Binotto. Der Schweizer Rennstall verbesserte sich in allen Disziplinen. Hülkenberg und Bortoleto sind ein klarer Fortschritt zu Bottas und Zhou. Der C45 lernte das Laufen. In der Boxenstopp-Rangliste ist Sauber Siebter. Die Prozesse an der Strecke funktionieren besser. Am 12. November bekannte Audi dann Farbe: Der Auftritt 2026 strahlt in Silber, Rot und Schwarz. Das Ziel ist klar formuliert: 2030 will man um den Titel fahren.

Das Jahr 2026 fuhr in allen Köpfen bereits mit. Neueinsteiger Cadillac konnte sich voll auf die neue Aufgabe konzentrieren. Die bestand für die mittlerweile 490 Angestellten nicht nur darin, ein neues Auto aufzubauen. "Genauso schwer ist es, ein Team auf die Beine zu stellen", gibt Technikberater Pat Symonds zu. Von den Etablierten stieg Alpine als erstes Team aus dem Wettrüsten für diese Saison aus. 90 Prozent aller Aktivitäten konzentrierten sich auf nächstes Jahr. Red Bull hielt am längsten am aktuellen Auto fest. Das muss kein schlechtes Omen für das nächste Jahr sein. 2021 machte es Red Bull genauso und wurde 2022 Weltmeister.

Fazit