Der Rückblick auf den Langstrecken-Sport 2025: Porsche gibt auf, Ferrari sahnt ab

Der Rückblick auf den Langstrecken-Sport 2025
Porsche gibt auf und Ferrari sahnt ab

ArtikeldatumVeröffentlicht am 31.12.2025
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Richard Mille, Präsident der FIA Endurance Commission, bevorzugt den simplen Blick auf die Lage: "Sind wir doch einfach froh und dankbar, dass wir so viele Hypercar-Hersteller in der WM haben." Faktisch hat der Uhrenmagnat damit absolut recht: Neun propere Hersteller fahren in den beiden Hauptrennserien WEC und IMSA in der Hypercar-Klasse – und binnen der nächsten 18 Monate steigen mit Genesis, Ford und McLaren drei neue Schwergewichte ein, was den Zählerstand auf zwölf aktive Marken erhöht, wenn wir davon ausgehen, dass Lamborghini sein LMDh-Projekt nicht nur pausiert, sondern beendet.

Grund zum Klagen? Ganz sicher nicht. Die Hypercar-Klasse ist der Erfolgsgarant des Booms auf der Langstrecke, und sie wird auch in Zukunft die Zugnummer bleiben. Die Gültigkeit der Reglements wurde offiziell bis 2029 bestätigt, die Fortführung der Hypercar-Klasse scheint aber bis 2032 gesichert. Damit steht außer Frage, dass uns die Topklasse weiter viel Freude, viele Fans und viel Aufmerksamkeit bescheren wird. Und ja, Richard Mille, dafür sollten wir alle dankbar sein.

25 Stunden von Le Mans 2025 - AF Corse Ferrari 499P
DPPI

Vom Spalt zur Spaltung?

Dennoch geht ein unsichtbarer Riss durch der Hypercar-Szene, der sich schnell zum mächtigen Spalt und damit zur Spaltung auswachsen könnte. Denn die Hypercar-Topklasse ist bekanntlich zweigeteilt: Hier die LMH-Autos nach WEC-Reglement, die mehr Freiheiten bieten, aber mehr kosten; dort die LMDh-Autos aus Amerika, die technisch weniger komplex und billiger sind, aber damit offensichtlich auch ein Performance-Defizit haben.

In der IMSA spielt das keine große Rolle, weil die LMH-Hersteller Amerika meiden wie der Teufel das Weihwasser. Ein LMH-Sportchef sagte beim WEC-Finale in Bahrain: "Wenn wir nach Amerika gingen, würden wir eine schlechte BOP bekommen, weil wir aus der WEC kommen."

Der Satz ist deshalb so bemerkenswert, weil er genau das beschreibt, was vermutlich gerade in der WEC passiert: Die LMH sind die WEC-Wagen, erfunden von den Ausrichtern ACO und FIA. Sie sind das Eigengewächs, das man beschützt – und das Werkzeug dafür heißt BOP. In Amerika startet nur der LMH-Sonderfall Aston Martin, ansonsten besteht das Feld geschlossen aus LMDh-Autos nach heimischem US-Reglement. Easy- peasy! Zum notwendigen Obwohl kommen wir gleich noch. In der Sportwagen-WM soll die BOP LMH und LMDh gleichstellen, was bisher misslang – oder gar nicht gelingen sollte? Protegiert die WEC ihre eigene Klasse?

Porsche sauer auf Verantwortliche

Bei Porsche würde man sagen: FIA und ACO protegieren ihren Darling Ferrari. Drei Mal durften die Roten den wichtigsten Pokal im Langstreckensport, die Le-Mans-Trophäe, emporrecken. Porsche musste wie ein Statist zuschauen, obwohl man 2025 ein perfektes Rennen ohne Fehler und Strafen zeigte – was wohl der Hauptgrund dafür ist, warum Porsche Ende 2025 aus der WEC aussteigt.

Seit dem Start der Hypercar-Ära 2023 haben die LMH-Autos 17 von 23 WEC-Rennen und fünf von sechs WM-Titeln gewonnen. Die Saison 2025 brachte keinen Paradigmenwechsel: Ferrari gewann die ersten drei WM-Rennen und im Anschluss auch gleich noch Le Mans, was aufgrund der Punkte-Arithmetik gleichbedeutend mit dem Gewinn der WM-Titel war. Hintenraus konnten zwar die LMDh-Marken Cadillac, Porsche und Alpine jeweils ein Rennen gewinnen – doch der WM-Zug war abgefahren.

Porsche - Porsche 963 - WEC 2025 - Austin
xpb

Gespräche laufen im Sande

Es gibt Versuche, das Problem zu lösen: Man kann die BOP optimieren und zweitens die beiden Subklassen über Anpassungen im Reglement technisch besser angleichen, damit die BOP nicht mehr überstrapaziert wird. Gespräche dazu laufen. Im Sande. Denn die Eigeninteressen sind größer als die Bereitschaft, die Unterklassen anzugleichen.

Damit bleibt nur die BOP als letzte Rettung, doch gerade die stand 2025 in der Schusslinie der Kritik. Erstens, weil Ferrari in Le Mans zum dritten Mal in Folge einen Vorteil bei der Laptime-Performance und besonders beim Topspeed hatte, was stärker nach Absicht denn nach Zufall riecht. Dazu starteten die Roten mit einer Top-BOP in die Saison. Das neue Konzept sah eine langsame Anpassung der Einstufungen vor. Als man sie aufgrund der roten Dominanz beschleunigte, lag das Kind schon im Brunnen.

Bei Porsche war die Geduld aufgebraucht, die Frage lautet, wann der Faden bei den LMDh-Leidensgenossen reißt? Oder schafft es die BOP, das technische Handicap zu überbrücken? Mit Porsche, Alpine und Cadillac waren immerhin drei LMDh-Marken bereits siegreich. Die größten Sorgen muss man sich wohl um BMW machen, die in der zweiten Saisonhälfte die wenigsten WM-Zähler aller Hypercar-Hersteller geholt haben. Und es ist ja nicht so, dass die Bayern in Amerika von Sieg zu Sieg fahren.

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Toyota

Toyota bekennt sich

Wenn irgendwo Fäden reißen, dann in der LMDh-Klasse. Denn Toyota und Ferrari haben sich bis 2029 committet, Peugeot über das neue LMH-Auto, das 2027 debütiert, indirekt auch. Das Aston-Projekt ist privat finanziert, und wenn dem Finanzier nicht die Kohle und Lust ausgeht, bleiben sie dabei.

Obwohl die BMW-Performance insgesamt volatil ist, haben sich die Bayern intern für drei weitere Jahre committet; bei Acura und Cadillac plant man definitiv bis 2029; Porsche musste sein Programm wegen der Finanzmisere zwar eindampfen, aber ein Komplettausstieg ist unwahrscheinlich. Bleibt Alpine, wo man sich immer fragt, warum ein Kleinserienhersteller, der 4.000  Autos pro Jahr verkauft, bisher Formel 1 und WEC gemacht hat. Wie geht das?

Der Porsche-Ausstieg ist also vorerst noch kein Grund zur Panik für die WEC, zumal Genesis, Ford und McLaren dazukommen. Doch alle drei bauen LMDh-Autos, womit sich die numerischen Kräfteverhältnisse in der WEC automatisch verschieben, was wiederum den Druck auf die BOP-Macher erhöhen wird, die Balance zwischen den beiden Plattformen zu verbessern.

In Summe muss man mit Blick auf die WEC letztlich Richard Mille beipflichten: Seien wir froh und dankbar für das, was wir aktuell haben. Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre ein Bruch der Kooperation zwischen IMSA und WEC – ähnlich wie zur Gruppe-C-Zeit in den 80er-Jahren. Doch im Moment ist eine Spaltung in dieser Schärfe nicht zu erkennen.

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IMSA mit Verschnaufpause

Und warum sollte sich die IMSA auf einen Krieg mit ACO und FIA einlassen, den man eh nicht gewinnen kann? Die Amis haben die Klasse, die sie haben wollten. Sie läuft stabil, und sie läuft sicher bis 2032 – oder noch länger.

Wie erwähnt, wird das Thema BOP in Amerika weniger bissig verfolgt als in der Sportwagen-WM, was damit zu tun hat, dass dort nur LMDh-Autos antreten, Aston Martin mal ausgenommen. Das vereinfacht die Fahrzeugeinstufungen, doch auch hier gibt es Grenzen: Selbst wenn man das fünf Hersteller starke Hypercar-Feld über Simulationen und Datenanalysen weitgehend fair einstuft, kann es passieren, dass einer "wegläuft". So wie Porsche zu Saisonbeginn 2025, als man vier Rennen in Folge gewann, ohne dabei das schnellste Fahrzeug zu haben. Porsche siegte aufgrund dominanter operativer Stärke, aber nicht, weil die BOP falsch war.

Die IMSA-Serie musste reagieren und passte die BOP manuell an, sprich, man groundete Porsche (und BMW gleich mit), um sich eine Verschnaufpause zu gönnen und den Gegnern Acura und Cadillac die Chance zu geben, Erfolge einzufahren. Das ist natürlich nicht Sinn und Zweck der BOP, weshalb die IMSA die Einführung eines Erfolgs-Handicaps überdenkt. Wie übriges auch die WEC, die mit Ferrari zu Saisonbeginn das exakt gleiche Problem hatte wie die IMSA-Meisterschaft. Wenn ein Hersteller einen Lauf hat und viele Rennen gewinnt, verdirbt das die Show. Es wäre jedoch falsch, die Resultate über die BOP zu balancen, also braucht man ein Handicap-System für die Marken, die zu erfolgreich sind.

Porsche war trotz des Groundings nicht mehr vom Titelgewinn abzuhalten. Immerhin gab es in der Markenwertung noch ein hübsches Duell mit Acura bis zum Finale in Atlanta. Doch auch die IMSA stöhnt unter der zweijährigen Porsche-Dominanz in der GTP-Klasse. 2026 muss ein anderer Hersteller siegen, sonst gehen die LMDh-Konkurrenten auch dort auf die Barrikaden.

Fazit