Renault 4CV im historischen Test: auto motor und sport 25/1951

Renault 4CV im historischen Test
Zu Hause fast so günstig wie ein Dacia

ArtikeldatumZuletzt aktualisiert am 20.12.2025
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Mit dem Käfer gemein hatte der Renault 4CV den Vierzylinder im Heck, das Reihenaggregat hatte dem Bestseller aus Deutschland allerdings die Wasserkühlung voraus. Wie zukunftsweisend die war, lässt sich daran ablesen, dass die Maschine des 4CV im Kern noch bis 1984 im Renault 5 Verwendung fand. Außerdem war der Renault im Gegensatz zum VW ein Viertürer. Der Preisvergleich unten zeigt, dass der 4CV in seinem Heimatland fast ein Drittel günstiger war als der Käfer, während der in Deutschland 13 Prozent weniger kostete. Ohne den gemeinsamen Markt waren Absatzerfolge im Ausland schwieriger. Dennoch wurde der Renault 4CV in 15 Jahren Bauzeit zum Stückzahlmillionär (1,1 Mio. Exemplare). Sein Nachfolger war die Dauphine (zu deutsch "Thronfolgerin"), die sich gut zwei Millionen Mal verkaufte.

Der große ams-Original-Test des Renault 4CV

Weil auto motor und sport 2026 seinen 80. Geburtstag feiert, veröffentlichen wir 80 Tests aus 8 Jahrzehnten. Denn schon früh sah die Redaktion es als ihre Aufgabe, neue Autos zu testen. Das macht auto motor und sport so lange und so ausführlich wie kein anderes deutschsprachiges Automagazin. Zur Tradition und zum journalistischen Anspruch gehört es, Stärken und Schwächen klar zu benennen. Damit das Urteil fundiert ausfällt, erhebt die Redaktion bei ihren Mess- und Testfahrten möglichst präzise Daten und sammelt reproduzierbare Eindrücke. Den folgenden Test schrieb Werner Oswald für auto motor und sport 25/1951.

Renault 4CV (1951) im Test
Archiv/Hersteller

In Deutschland und Frankreich werden heute die interessantesten Kleinwagen gebaut. Kein einziges der verschiedenen Modelle dieser Länder entspricht noch der sogenannten Standardbauweise mit vornliegendem Motor und Hinterachsantrieb. Die Konstruktionstendenzen laufen im deutschen und französischen Kleinwagenbau ziemlich parallel. So wird hüben wie drüben gern der Vorderradantrieb verwendet, während dort der 750er Viertakter regiert – beim Dyna-Panhard als luftgekühlter Zweizylinder-Boxer und beim Rosengart als wassergekühlter Reihen-Vierzylinder. Auf der anderen Seite gab fraglos das Aufsehen, das das Erscheinen des Volkswagens auf der ganzen Welt erregte, den entscheidenden Anstoß zur Entwicklung eines Heckmotor-Kleinwagens bei Renault.

Renault begann 1943 mit Versuchsfahrten

Es wird gern angedeutet, daß am kleinen Renault Professor Porsche maßgeblich mitgearbeitet habe. Anfang 1943 begannen die Versuchsfahrten mit dem ersten Prototyp des Renault 4CV, der äußerlich eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Volkswagen hatte. Der zweite Prototyp ein Jahr später hatte schon eine eigenwilligere Form, und der dritte, Anfang 1945 fertiggestellt, entsprach ziemlich der endgültigen viertürigen Ausführung. Von Juli 46 bis Januar 47 war Professor Porsche konsultiert worden, allerdings ohne wesentliche Änderungen vornehmen zu können. Die Tatsache, daß der 4CV erstmals im Oktober 1946 ausgestellt wurde, zeigt, daß die Entwicklung zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen war.

Renault wurde nach dem Kriege ein staatlicher Regiebetrieb, das Volkswagenwerk praktisch ebenfalls. Beide Marken verdanken ihren Aufschwung tüchtigen Generaldirektoren: Dr. Nordhoff beim Volkswagenwerk und Monsieur Lefaucheux bei Renault. Beide Modelle haben inzwischen die Viertelmillion überschritten – für europäische Verhältnisse Rekordzahlen.

Renault 4CV im Vergleich mit dem VW Käfer

Das zahlenmäßige Übergewicht des Volkswagens in Deutschland führt dazu, daß er hier sozusagen das Maß aller Dinge ist. Eine Beurteilung des Renault 4CV regt naturgemäß zu Vergleichen an. Doch der kleine Franzose braucht diese Gegenüberstellung nicht zu scheuen.

Trotz mancher äußerer Ähnlichkeit ist die tatsächliche Verwandtschaft gering: Der Renault ist kleiner, sein Motor ein wassergekühlter Reihen-Vierzylinder mit 750 ccm, die Räder sind schraubengefedert, die Karosserie ist viertürig und selbsttragend. Beide Modelle begannen mit spartanischer Einfachheit, wurden aber kontinuierlich verbessert.

Zwei Eindrücke drängen sich auf: Erstens die um 3 PS erhöhte Motorleistung, die dem nur etwas über 600 kg schweren Wagen eine überraschende Lebendigkeit verleiht. Zweitens die außerordentlich saubere Verarbeitung der Karosserie und ihre liebevolle Ausstattung. Es ist ein kleines, schmuckes Wägelchen.

Die Fahrleistungen liegen naturbedingt unter denen des VW, doch im Alltagsgefühl wird dies kaum bewusst. Besonders beim Abzug und am Berg, selbst vollbesetzt, zeigt der 4CV eine Lebendigkeit, die man ihm nicht zutraut. Das Motorgeräusch erinnert im oberen Drehzahlbereich an den herzhaften Ton früherer Fiat-Sport-Balillas. Nur beim Gaswegnehmen gibt es ein gewisses Dröhnen.

Der Motor ist langhubig, hoch verdichtet, hat eine respektable Drehzahl und zeigt keinerlei Kraftstoffempfindlichkeit. Verschleiß scheint nicht übermäßig hoch zu sein. Motorüberholungen sind dank auswechselbarer Zylinderlaufbüchsen einfach und billig.

Motor, Getriebe und Fahrleistungen

Der Motor ist mit Kupplung, Getriebe und Differential zu einem Antriebsblock im Heck vereinigt. Das Getriebe ist vor der Hinterachse angeordnet und hervorragend zugänglich. Kritik verdient lediglich der Kühlerstutzen oberhalb der Haube, der ein Nachfüllen bis zum Überlaufen erfordert.

Die Spitzengeschwindigkeit beträgt echte 100 km/h. Die Gänge sind gut abgestuft, II. und III. synchronisiert und leicht zu schalten. Der kurze Schalthebel verlangt eine leichte Hand.

Gemessene Werte:
0–50 km/h: 9,5 s
0–70 km/h: 21,0 s
0–90 km/h: 37,6 s
30–60 km/h (II.): 8,3 s
30–60 km/h (III.): 12,0 s

Der Tachometer eilt um 11 % vor, der Kilometerzähler um 3 %. Eine Vollgasfahrt von 100 km ergab einen Schnitt von 93 km/h.

Straßenlage, Bremsen und Fahrsicherheit

Straßen- und Kurvenlage, Bodenhaftung, Spurhaltung und Federung sind hervorragend. Die neuen Teleskopstoßdämpfer des Modells 4CV 52 beseitigen frühere Mängel. Das Heck läßt sich kaum zum Wischen bringen, die Hecklastigkeit ist praktisch nicht spürbar.

Die Bremsen wirken kräftig und sicher; die Handbremse liegt griffgünstig zwischen den Sitzen. Auf nasser Straße jedoch wird der Wagen etwas unberechenbar. Gegen Trambahnschienen zeigt er sich völlig unempfindlich.

Lenkung, Bedienung und Innenraum

Der Drehkreis ist mit 8,4 m links und 8,9 m rechts ausgezeichnet klein. Die Lenkung ist jedoch sehr indirekt übersetzt: 4½ Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag. Die starken Rückstellkräfte erfordern eine eigene Fahrweise, besonders in engen Kurven.

Die Bedienungselemente liegen günstig, das Armaturenbrett ist sauber ausgeführt, wenngleich das Instrument in der Mitte etwas besser im Blickfeld liegen könnte. Der Kombinationsschalter für Licht und Hupe ist sehr praktisch; Blinker schalten automatisch ab.

Das Innere ist hell und freundlich, wenn auch naturgemäß enger als im VW. Der Platz vorn kann als ausreichend gelten.

Längere Reisen im 4CV? Lieber nicht

Demzufolge eignet sich der Renault 4 CV trotz seiner vier Türen nur bedingt für längere Reisen zu viert – es sei denn, man nutzt, wie es in Frankreich häufig praktiziert wird, ein Dachgepäckgitter. Die viertürige, selbsttragende Karosserie sorgt jedoch für einen ausgesprochen komfortablen Einstieg auf allen Plätzen, besonders vorne. Interessant bleibt die Beobachtung, dass in Deutschland nach wie vor der Zweitürer dominiert – ein Widerspruch, der sich angesichts des gewonnenen Komforts schwer erklärt.

Aus Kostengründen sind die Türen einwandig und ohne Kurbelfenster ausgeführt. Die früher verwendeten Schiebefenster wurden jedoch inzwischen durch Schwenkfenster ersetzt, die eine angenehm zugfreie Belüftung erlauben. Ergänzend lässt sich eine breite Klappe vor der Windschutzscheibe öffnen. Generell hat Renault erstaunlich einfache, aber wirkungsvolle Maßnahmen gefunden, um den Komfort zu erhöhen. So besitzt der Wagen eine gut funktionierende Heizung, die über bodennahe Öffnungen warme Luft in den Innenraum leitet. Diese entsteht durch (im Sommer leicht entfernbare) Halbmuscheln, die Warmluft vom Kühlerventilator abführen. Die Lufteinlässe liegen unauffällig in den hinteren Kotflügeln. Ebenso gehört eine Kühlerjalousie zur Serienausstattung, deren einfache Anzeige – "kalt", "normal", "zu warm" – im Alltag oft zuverlässiger funktioniert als komplexe thermostatische Systeme.

Selbst ein Autoradio gab es 1952

Ein Punkt, den künftige Evolutionsstufen berücksichtigen sollten, ist die Integration eines Autoradios. Zwar existieren in Frankreich passende Systeme, deren Skalenteil im Handschuhfach untergebracht wird, doch wird dieser Stauraum ungern geopfert. Der im Testwagen montierte Grundig-Autosuper 248 war unter dem Armaturenbrett installiert – eine Lösung, die die Bewegungsfreiheit des Beifahrers beeinträchtigt und den Fahrer zum weiten Ausstrecken des Arms zwingt. Das Gerät selbst überzeugte hingegen mit guter Empfangsleistung und Klangqualität, zumal es mit rund 300 DM inklusive Einbau preislich attraktiv ist.

Die Rundumsicht fällt dank großer Windschutzscheibe und Sekurit-Fenstern gut aus; einzig der linke A-Holm stört bei engen Linkskurven leicht – eine konstruktive Folge der selbsttragenden Bauweise. Zur umfangreichen Serienausstattung gehören außerdem eine Nebellampe, ein Zünd-Lenkschloss als Diebstahlsicherung sowie Türtaschen. Lediglich zusätzliche Aschenbecher könnten die Ausstattung sinnvoll abrunden.

Der Renault 4 CV wurde konsequent auf Wirtschaftlichkeit ausgelegt – und dieses Ziel wurde voll erreicht. Zwar wirkt sich der günstige Anschaffungspreis in Deutschland wegen des hohen Wertzolls kaum aus, doch lohnt ein Blick auf die internationalen Preisverhältnisse:

Preise im Vergleich (VW Export vs. Renault 4 CV 1952)

  • Deutschland: DM 5.400,— / 6.150,—
  • Frankreich: 560.000 ffrs. / 381.000 ffrs.
  • Belgien: 59.750 bfrs. / 55.900 bfrs.
  • Schweiz: 5.460 sfrs. / 4.975 sfrs.

Selbst wenn der Anschaffungspreis hierzulande kein Vorteil ist, überzeugen Kraftfahrzeugsteuer und vor allem der niedrige Verbrauch. Unser Testwagen, der stärker beansprucht wurde als im Alltagsbetrieb üblich, benötigte über 1.600 km lediglich 6,5 Liter pro 100 km. Mit dem 27,5-Liter-Tank ergibt sich eine Reichweite von rund 420 km.

Wirtschaftlich bei beachtlichen Fahrleistungen

Diese Wirtschaftlichkeit bei gleichzeitig beachtlichen Fahrleistungen zeigt deutlich, dass in der deutschen Automobillandschaft ein Viertakt-750er fehlt, der die Lücke zwischen Kleinstwagen und Mittelklasse schließt. Ein solcher Wagen – man denke nur an ein kleineres Pendant zum VW – hätte enormes Marktpotenzial. Stattdessen konzentrieren sich viele Hersteller auf Käufergruppen, die bereits gut bedient sind, anstatt neue Segmente zu erschließen. Unsere Zweitaktmodelle mögen dem Hubraum nach Kleinwagen sein, doch weder Größe, Gewicht noch Preis entsprechen den Erwartungen vieler Käufer.

Frankreich jedoch hat diese Chance genutzt – und kann sich glücklich schätzen, den Renault 4 CV im Programm zu haben.

Technische Daten Renault 4CV

  • Motor und Getriebe: Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor im Heck, Dreiganggetriebe, 2. und 3. Gang synchronisiert
  • Karosserie und Fahrwerk: selbsttragende Karosserie, Vorderradaufhängung mit Doppel-Querlenkern, Schraubenfedern und Torsionsstabilisator, Pendelhinterachse mit Schraubenfedern, Teleskop-Stoßdämpfer vorn und hinten, Zahnstangen-Lenkung

Fazit