Die Formel-1-WM 2025 ist mit einem Schlag wieder spannend. Bis vier Stunden und 19 Minuten nach der Zielflagge des GP Las Vegas betrug der Vorsprung von Lando Norris in der Gesamtwertung 30 Punkte auf Oscar Piastri und 42 Zähler auf Sieger Max Verstappen. Doch dann stellten die Dokumente 57 und 58 der Sportkommissare die Weltmeisterschaft noch einmal auf den Kopf.
Der zweitplatzierte Lando Norris und der Vierte Oscar Piastri wurden disqualifiziert. Beide stolperten über ein Delikt, über das dieses Jahr schon Lewis Hamilton und Nico Hülkenberg gestolpert waren. Die Titanbeschläge der Bodenplatte im Heck der beiden McLaren waren zu stark abgenutzt. Erlaubt ist ein Millimeter Verschleiß. Die McLaren-Piloten unterschritten die kritische Grenze von neun Millimetern zwar nur um Nuancen, doch das reicht für einen Ausschluss.
Bei Norris wurde die vordere rechte Platte im Heck mit 8,88 Millimeter gemessen und der Skid direkt dahinter mit 8,93 Millimeter. Bei Piastri fehlte es im hinteren Bereich der vier Bodenplattenbeschläge gleich an drei Stellen. Links vorne betrug die Restdicke 8,96, rechts vorne 8,74 und rechts hinten 8,90 Millimeter. Zweifel gibt es nicht. Die FIA verwendet seit diesem Jahr ein Mitutoyo Mikrometer mit einer Messgenauigkeit von 0,001 Millimetern. Außerdem wurde im Beisein der Sportkommissare und von McLaren-Vertretern noch einmal mit herkömmlichen Methoden nachgemessen. Das Ergebnis war das gleiche.
Keine mildernden Umstände für McLaren
McLarens Versuch sich zu verteidigen scheiterte. Das Team führte als mildernde Umstände an, dass im Rennen an beiden Autos ein unerwartetes Hochgeschwindigkeits-Bouncing auftrat, was man wegen der begrenzten Trainingszeit am ersten Tag und dem Regen am zweiten nicht feststellen konnte. Das Schaukeln der McLaren auf den langen Geraden war deutlich an den TV-Bildern zu erkennen. Und das führte zu häufigem und starken Bodenkontakt der Autos.
Zudem war der Fehlbetrag kleiner als bei allen ähnlich gelagerten Regelverstößen seit 2022. Die FIA bedauerte, dass es für eine solche Regelverletzung nur eine Strafe geben kann, egal wie stark die Abnutzung war, absichtlich oder unabsichtlich, und welche Umstände dazu geführt haben.
Auch ein letzter Verteidigungsversuch von McLaren, dass die Abnutzung auf einen nicht richtig fixierten Unterboden nach einem Unfallschaden zurückzuführen sein könnte, wurde nicht akzeptiert. Teamchef Andrea Stella bestätigte: "Wir konnten nach dem Rennen feststellen, dass sich der Boden zu stark bewegte."
Zu wenig Lift + Coast
McLaren muss sich an die eigene Nase fassen. Es waren fahrlässige Versäumnisse, die zu der Nullrunde führten. Ganz offensichtlich haben die Sensoren, die die Kräfte messen, mit denen das Auto auf der Strecke aufsetzt, angeschlagen. Sonst wäre Norris nicht fünf Runden vor Schluss angewiesen worden, Lift + Coast zu betreiben.
Man muss auch davon ausgehen, dass McLaren schon viel früher wusste, wie ernst die Lage war. Sonst hätte Norris nicht innerhalb von fünf Runden fast 15 Sekunden auf Verstappen verloren. Luft nach hinten war genug. Warum aber ermutigte Renningenieur William Joseph seinen Schützling dann in der 34. Runde dazu, die Lücke zu Verstappen zu schließen? Und warum blies man die Attacke nicht nach zwei Runden wieder ab, als klar war, dass der Red-Bull-Pilot auf jede schnelle Runde eine Antwort wusste?
Piastri wurde augenscheinlich gar nicht gewarnt. Der Mann aus Melbourne steckte in einem Sandwich zwischen Andrea Kimi Antonelli und Charles Leclerc. Er musste an Antonelli dranbleiben. Dem Mercedes-Piloten drohte eine Fünf-Sekunden-Strafe. Hätte Piastri nur annähernd so verlangsamt wie sein Stallrivale, hätte er drei Plätze an Antonelli, Leclerc und Sainz verloren. Da er vor ihnen gewertet wurde, lässt das fast den Schluss zu, man hätte ihn ins offene Messer laufen lassen. Die stärkere Abnutzung seiner Skids unterstreicht, dass sein Problem noch größer war als das von Norris.
Die Fahrer machten dem Team keinen Vorwurf. "Egal wie frustrierend die Disqualifikation ist, es wurde nicht mit Absicht getan. In diesem Sport zählen Millimeter. Bei der hohen Leistungsdichte suchst du überall nach kleinen Vorteilen. Und diesmal haben wir es eben nicht richtig hingekriegt", sagte Piastri.

Oscar Piastri nahm sein Team nach der Disqualifikation von Las Vegas in Schutz.
McLaren und die Fahrzeughöhe
McLaren konnte sich weder auf das Wetter noch die Trainingsunterbrechungen herausreden, warum die Bodenfreiheit zu niedrig und der Abtrieb zu hoch gewählt wurden. Den anderen Teams ging es nicht besser. Hochgeschwindigkeits-Bouncing ist ein Phänomen, das dann auftritt, wenn der Gesamtabtrieb zu groß wird, sich das Auto mit dem Unterboden an die Straße ansaugt und nach dem Bodenkontakt wieder Anpressdruck verliert. Das provoziert dann eine Schaukelbewegung.
Bei Groundeffect-Autos zählt jeder Millimeter, den der Boden von der Straße trennt. Die Fahrzughöhe war zuletzt öfter ein Thema bei McLaren. In Austin wurden die Autos nach dem Sprint-Crash aus Sicherheitsgründen um fünf Millimeter zu hoch eingestellt, was zweieinhalb Zehntel pro Runde und Norris möglicherweise den Sieg gekostet hat. In Interlagos stand Piastris Auto nach dessen Unfall im Sprint mit dem Heck zu hoch, was dazu führte, dass der Australier im Hauptrennen Speed verlor.
Möglicherweise hatte die zu riskante Abstimmung bereits im Donnerstagstraining ihren Ursprung. Da probierten Norris und Piastri unterschiedliche Heckflügel aus. Die Rundenzeiten auf trockener Strecke waren trotz der Bestzeit von Norris nicht unbedingt überzeugend. McLaren war da mit weniger Sprit unterwegs als die Gegner. Das schönte das Resultat.
Offenbar sah man in etwas mehr Anpressdruck die Lösung. Das würde auch die erstklassige Vorstellung am Freitag im Regen erklären. Da ließ sich das Bouncing jedoch noch nicht feststellen. Der Topspeed lag mit 317 km/h klar unter dem Wert im Rennen mit 342 km/h.

Lando Norris hat nur noch 24 Punkte Vorsprung auf Max Verstappen.
Kommt jetzt Stallregie bei McLaren?
Nach dem Ausschluss der beiden McLaren ergibt sich zwei Rennen vor Schluss ein völlig neuer WM-Stand. Norris führt jetzt nur noch mit jeweils 24 Zählern vor Verstappen und Piastri. Bei Norris, der die Hand schon am WM-Pokal hatte, wird die Nervosität zunehmen. Und auch bei McLaren. Die stehen jetzt vor der schwierigen Aufgabe, vielleicht doch eine Stallregie aussprechen zu müssen. Norris reichen dritte Plätze in beiden Grand Prix und im Sprintrennen, um vorne zu bleiben.
Da darf ihm keiner dazwischenfunken, auch nicht der Teamkollege. Doch Piastri wird sich kaum einbremsen lassen. Er selbst hat einmal mit 34 Punkten geführt und bekam keine Unterstützung vom Team. Und bei ihm wirkt der Platztausch von Monza immer noch nach. Er war für den Australier ein mentaler Tiefschlag, von dem er sich bis heute nicht erholt hat.
Das Ruhekissen wird kaum größer, wenn man sich George Russells Prognose für den GP Katar anhört. "Das ist eine Red-Bull-Strecke. Schnelle Kurven sind ihr Revier. Das haben sie schon in Suzuka und Silverstone gezeigt." McLaren-Teamchef Stella stellt dagegen: "Dafür spielt die Strecke von Abu Dhabi uns wieder in die Karten."












